Die Regierung in Belgrad hat mit ihrer Einreisepolitik zuletzt den Unmut vieler EU-Staaten auf sich gezogen. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) etwa wetterte kürzlich: "Serbien muss seine Visapraxis ändern, jetzt und nicht irgendwann." Hintergrund war ein deutlicher Anstieg illegaler Einreisen in die EU über den Balkan. Da neben den Migranten aus Syrien, Afghanistan und der Türkei verstärkt auch solche aus Ländern wie Indien, Tunesien und Burundi kamen, geriet Serbien in den Fokus - mit seiner Visapraxis, die, wie Faeser es formulierte, "nicht sehr schön ist".
Ungeachtet ästhetischer Wertungen sieht die Praxis so aus: Bürgerinnen und Bürger zahlreicher Staaten können visafrei nach Serbien einreisen, zum Beispiel mit dem Flugzeug. Für einige Reisende ist das dann offenbar mit der Versuchung verbunden, vorbei an offiziellen Grenzkontrollposten in die EU zu gelangen. Die Praxis könnte Serbiens Chancen auf einen EU-Beitritt im Weg stehen, drohte Faeser. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson stellte in Aussicht, dass man Serbien schlimmstenfalls "bestrafen" müsse - etwa indem man die visumsfreie Einreise serbischer Staatsbürger in EU-Länder stoppe.
Bevorzugt Serbien Länder, die die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkennen?
Die serbische Botschafterin in Berlin, Snežana Janković, zeigt sich auf SZ-Nachfrage "besorgt" über das, was da über ihr Land erzählt werde: "Es wurde mitunter der Eindruck erweckt, die serbische Visapraxis sei das Hauptproblem bei der irregulären Migration in die EU." Demgegenüber verweist sie auf offizielle Zahlen aus Belgrad, wonach der größte Teil jener Migranten, die seit Jahresbeginn in die Republik Serbien eingereist sind, über die Landgrenzen aus Nachbarstaaten wie Nordmazedonien, Bulgarien und Albanien gekommen seien. Über den Flughafen Belgrad waren es demnach lediglich 6,67 Prozent. Insgesamt sei zuletzt der Anstieg bei Menschen aus Afghanistan, Syrien und Pakistan am höchsten gewesen.
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Gleichwohl habe man, so Janković, "die Sorgen unserer deutschen und europäischen Partner verstanden" und wolle "an einer Lösung des Problems mitwirken". So habe Serbien die Einreisebedingungen für Menschen aus Indien, Burundi, Kuba und Tunesien bereits verschärft: Sie müssen jetzt etwa ein bezahltes Rückflugticket mit festem Abreisedatum vorweisen. Bis Ende des Jahres, so hat es Präsident Aleksandar Vučić angekündigt, wolle man Serbiens Visapolitik "maßgeblich" mit jener der EU "in Einklang bringen". Details würden von einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet.
Immer wieder wurden zuletzt auch Vorwürfe erhoben, Belgrad bevorzuge bei seiner Visapolitik Bürger solcher Länder, die - wie Serbien - eine Anerkennung der Unabhängigkeit des benachbarten Kosovo ablehnen. Das weist Botschafterin Janković scharf zurück, ebenso wie auch den aus der FDP kommenden Vorwurf, Serbien wolle im Einklang mit Moskau gezielt Migranten in die EU schleusen: Mit den meisten jener Länder, deren Bürger visafrei nach Serbien einreisen können, bestünden die entsprechenden Abkommen bereits seit Jahrzehnten, es handle sich also um ein "Erbe des früheren Jugoslawiens". Das Land war seinerzeit Gründungsmitglied der "Bewegung der Blockfreien Staaten", die sich im Kalten Krieg keinem der beiden Machtblöcke anschließen wollten.