Es klang nach einem Ausweis großer Einigkeit: Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber ließ sich vorige Woche erneut zum Fraktionsvorsitzenden der EVP wählen, der Gruppe der europäischen Christdemokraten: Mit 162 Stimmen für ihn, elf Enthaltungen und keiner Gegenstimme, wie die Fraktion mitteilte. Jetzt stellt sich aber heraus, dass es den 178 Abgeordneten gar nicht möglich war, gegen Weber zu votieren. Bei der digitalen Wahl via Internet konnten die Parlamentarier nur auf "Manfred Weber" oder auf "Enthaltung" klicken. Ablehnen war keine Option.
Ein EVP-Abgeordneter nennt dieses Vorgehen "abenteuerlich", es gebe in der Fraktion durchaus auch Unmut darüber. Ein Sprecher der Fraktion sagte am Donnerstag auf Anfrage, dass die Wahl Webers 2019 genauso abgelaufen sei. Allerdings sei es ein Fehler gewesen, dass die Organisatoren der Wahl - nicht Weber - beim Verkünden des Ergebnisses mitgeteilt hätten, dass er ohne Gegenstimme bestätigt worden sei. Das Resultat habe die Fraktion dann exakt in dieser Form weiterverbreitet. Inzwischen seien diese Veröffentlichung und das Protokoll der Sitzung korrigiert worden, sagte der Sprecher.

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Dem Fraktionsvorsitz soll der EVP-Vorsitz folgen
Im April will Weber noch einen zweiten wichtigen Posten bei der Europäischen Volkspartei EVP übernehmen: Er möchte sich als Nachfolger von Donald Tusk zum Parteivorsitzenden wählen lassen - dann wären Führung von Partei und Fraktion in einer Hand vereint. Dafür verzichtet der Niederbayer darauf, als Präsident des Europaparlaments anzutreten. Bisher steht der italienische Sozialdemokrat David Sassoli der Volksvertretung vor, doch eine Absprache zwischen den Parteien besagt, dass in der zweiten Hälfte der Wahlperiode, also von 2022 an, ein EVP-Abgeordneter den Posten bekleiden soll. Hier war Weber vorgesehen, allerdings beschloss er nach langem Überlegen im September, lieber den EVP-Vorsitz anzustreben und den eher repräsentativen Posten an der Spitze des Parlaments einem Kollegen oder einer Kollegin in der Fraktion zu überlassen.
Weber war 2019 bei den Europawahlen Spitzenkandidat der EVP gewesen, und da seine Partei am besten abschnitt, konnte er Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten erheben. Am Ende entschieden sich die Staats- und Regierungschefs aber für Ursula von der Leyen, obwohl die CDU-Politikerin gar nicht bei den Europawahlen angetreten war.