Bundestagswahl:Woran Angela Merkel noch scheitern könnte

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Die Kanzlerin steigt in den Wahlkampf ein. Sie befürchtet, dass ihre Anhänger wegen der Schwäche von Martin Schulz zu siegesgewiss sind. Der CDU bereitet aber auch ein TV-Termin ihrer Parteichefin Sorge.

Von Robert Roßmann

Der Karikaturist Klaus Stuttmann hat die politische Lage gerade in einer schönen Zeichnung zusammengefasst. Auf dem Boden eines Boxrings sieht man Martin Schulz liegen, mit ausgeschlagenem Zahn und kaputter Brille. Der SPD-Chef wurde bereits k. o. geschlagen. Aber sein Trainer ruft jubelnd in den Ring: "Frau Merkel ist bereit, ab nächster Woche unsere Herausforderung anzunehmen und ihren Titel gegen dich zu verteidigen!"

In den Umfragen liegt die Union bis zu 17 Prozentpunkte vor der SPD, dabei hat Angela Merkel noch gar nicht mit dem Wahlkampf angefangen. Doch das ändert sich jetzt. Am Donnerstag war Merkel zum ersten Mal nach ihrem Südtirol-Urlaub wieder im Kanzleramt, am Freitag hatte sie die ersten öffentlichen Termine. Und an diesem Samstag steigt die CDU-Chefin dann endlich zu Schulz in den Ring. In der Dortmunder Westfalenhalle beginnt um zwölf Uhr Merkels erste richtige Wahlkampf-Veranstaltung. Die Union hat zwar nur die kleine Halle 2 gemietet, tausend Besucher dürften es aber werden.

Aber wie wird Merkels Wahlkampf nun aussehen? In der Union freut man sich zwar über die gute Ausgangslage. Doch genau diese Lage birgt auch eine Gefahr: Zu viele der eigenen Anhänger könnten glauben, die Wahl sei schon entschieden - und den Urnen fernbleiben.

Merkels Dortmund-Besuch ist deshalb der Auftakt zu einer Tournee durch Deutschland, bis zur Wahl will die CDU-Chefin in 50 Städten auftreten. Dabei setzt die Partei auch auf die Kraft schöner Bilder, am kommenden Mittwoch dient etwa das Deutsche Eck in Koblenz als Kulisse für die Kanzlerin. Außerdem sind drei große Fernsehsendungen mit Merkel geplant. Am 20. August besucht die CDU-Chefin ein "Townhall-Meeting" bei RTL, am 11. September eine "Wahlarena" der ARD und am 14. September ist sie bei "Klartext, Frau Merkel!" im ZDF zu sehen.

Dass die Tournee der CDU-Chefin jetzt beginnt, liegt auch an den Briefwählern. Es ist zwar richtig, dass sich immer mehr Bürger erst wenige Tage vor der Wahl entscheiden - und deshalb die Woche unmittelbar vor dem 24. September eine besondere Bedeutung hat. Allerdings stimmen auch immer mehr Bürger vorzeitig per Brief ab. Bei der letzten Bundestagswahl nutzten 24,3 Prozent der Wähler diesen Weg. Die Union muss diese Entwicklung besonders im Auge behalten. Zum einen genießt die CDU bei älteren Bürgern hohen Zuspruch, und diese Älteren nutzen die Briefwahl besonders oft. Zum anderen liegt die Briefwahlquote in Bayern, der Heimat der CSU, mit zuletzt 35,3 Prozent weit über dem Bundesschnitt.

Spätestens an diesem Sonntag müssen die Gemeinden ihre Wählerverzeichnisse abgeschlossen haben. Das ist die Voraussetzung, um Wahlbenachrichtigungen verschicken zu können. CDU-Generalsekretär Peter Tauber wird deshalb am Montag die Briefwahlkampagne seiner Partei vorstellen. Da die Union derzeit in den Umfragen ausgezeichnet dasteht, hat sie ein besonderes Interesse an Wählern, die bereits jetzt ihre Stimme abgeben. Schließlich weiß keiner, ob die Lage so gut bleibt.

Das gilt umso mehr, als am 3. September der gefährlichste Termin für Merkel im Wahlkampf ansteht: das einzige Fernsehduell mit Martin Schulz. In der SPD überhöhen einige das Duell bereits zur "letzten Chance von Schulz". Dort müsse Merkel, die bisher jede inhaltliche Auseinandersetzung vermeide, sich endlich einmal stellen, heißt es in der SPD. Dazu kommt, dass Fernsehduelle tatsächlich nicht die größte Stärke der CDU-Chefin sind. 2013 konnte der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gegen Merkel punkten. Wie viele Sorgen das Duell Merkels Leuten bereitet, konnte man bereits an den Verhandlungen über die Modalitäten sehen. Der Ablauf des Duells wird auf Druck der Union sehr stark reglementiert. Dadurch hofft die CDU, die Chancen von Schulz klein zu halten.

Neue inhaltliche Botschaften oder Versprechen sind in der CDU bisher nicht geplant. Es soll aber noch ein "Ausrufezeichen" geben, das "in der Bildsprache genau so stark" wie das riesige Merkel-Rauten-Plakat am Berliner Hauptbahnhof vor der letzten Wahl sei, heißt es nebulös.

Die CDU glaubt, dass Kandidatin und Programm schon jetzt gut genug seien. Am wichtigsten sei es deshalb, nun keine Fehler mehr zu machen. Die CDU-Spitze will auch keine Präferenz für eine bestimmte Koalition signalisieren. Jedes mögliche Signal könnte mehr Wähler abschrecken als anziehen. Außerdem gibt es seit den Regierungswechseln in Düsseldorf und Kiel in den Ländern bereits alle für Merkel denkbaren Varianten: große Koalition, Schwarz-Grün, Schwarz-Gelb und Jamaika. Wenn es für die Kanzlerin gut läuft, wird sie am Ende des Wahlkampfs sogar zwischen mehreren dieser Varianten wählen können.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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