Wahl in Spanien:Warum Spanien die Unregierbarkeit drohen könnte

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Er gibt sich siegesgewiss: Spaniens Premier Pedro Sánchez bei der Stimmabgabe. (Foto: JAVIER SORIANO/AFP)

An diesem Sonntag wählt Spanien. Der Konservative Alberto Núñez Feijóo liegt in Umfragen vor Ministerpräsident Pedro Sánchez. Doch ob er nach der Wahl auch regieren kann, bleibt fraglich.

Von Karin Janker, Madrid

Am liebsten würde er alleine regieren, sagt Alberto Núñez Feijóo. Welcher Politiker würde das nicht? Doch nach einer alleinigen Mehrheit für Spaniens konservativen Partido Popular sieht es derzeit nicht aus. In keiner der ein Dutzend Umfragen, die in diesen Tagen um die Deutungshoheit über die Wählergunst der Spanier konkurrieren, käme der PP auf mehr als 156 Sitze im Kongress. Nötig für eine Mehrheit sind aber 176 Sitze. Nach derzeitigem Stand der Umfragen reicht es nur in einem Szenario für eine Regierungsbildung: Falls sich der PP mit der rechtsextremen Vox zusammentut. Dann stünde nach Ländern wie Italien, Finnland oder Schweden auch Spanien vor einem Rechtsruck.

Fest steht: In Spanien ist die Zeit der alleinigen Mehrheiten vorbei. Lange konnten sozialistische oder konservative Ministerpräsidenten bequem regieren. Inzwischen sind sie auf Partner angewiesen. Ministerpräsident Pedro Sánchez war der erste in der spanischen Geschichte, der vor dreieinhalb Jahren eine Koalition eingegangen ist. Er regiert seither mit den Linkspopulisten von Unidas Podemos. Bei dieser Wahl tritt er nun von vorneherein im Duett mit seiner bisherigen Arbeitsministerin Yolanda Díaz an. Díaz führt inzwischen das Parteienbündnis Sumar und gilt als gemäßigte Linksalternative.

Am anderen Rand des Spektrums ist die potenzielle Partnerschaft zwischen Feijóo und der rechtsextremen Vox nicht ganz so einvernehmlich. Zwar regiert der PP inzwischen in drei der 17 Regionen und mehr als 100 Rathäusern in Koalition mit Vox. Doch ursprünglich ist Feijóo als Kandidat der Mitte angetreten. Vox stand er zumindest früher kritisch gegenüber. Es bleibt abzuwarten, ob er wirklich einen Rechtsextremen als Vize-Premier neben sich akzeptieren wird.

Und womöglich bräuchte er zusätzlich auch noch diverse Regionalparteien als Partner. Gerade im Baskenland und in Katalonien, aber auch in immer mehr anderen Regionen holen Regionalparteien entscheidende Stimmenanteile. Und diese haben oft entschieden andere Interessen als die Zentralregierung in Madrid. So ließ sich etwa Pedro Sánchez 2020 unter anderem von EH Bildu aus dem Baskenland und Esquerra Republicana aus Katalonien zum Ministerpräsidenten wählen. Seiner Regierung hat das den Spitznamen "Frankenstein-Regierung" eingebracht, viele Spanier hat diese Zusammenarbeit vor den Kopf gestoßen.

Feijóo könnte nach der Wahl vor einem Dilemma stehen

EH Bildu ist aus dem parlamentarischen Arm der ehemaligen Terrororganisation ETA hervorgegangen, und Esquerra fordert nach wie vor ein Referendum über die katalanische Unabhängigkeit. Dass Sánchez diese beiden Parteien umwarb, ihre Unterstützung womöglich mit politischen Zugeständnissen erreichte, macht ihn für seine Gegner angreifbar. Was die Zukunft betrifft, ist in Spanien in diesen Tagen schon von "Frankenstein 2.0" die Rede, falls Sánchez für eine erneute Regierungsbildung noch weitere umstrittene Partner heranziehen müsste, etwa die Junts-Partei des Separatistenanführers Carles Puigdemont.

Das zahlenmäßig naheliegende Szenario einer Koalition des PP mit Vox könnte auch Feijóo teuer zu stehen kommen. Er dürfte etwa den Zuspruch vieler Frauen verlieren, denen die Pläne von Vox etwa beim Abtreibungsrecht zu weit gehen. In der EU würde man den Rechtsruck in Spanien ebenfalls kaum gutheißen. Und sein Versprechen, Spanien zu versöhnen, dürfte mit einem solchen Partner auch kaum einzulösen sein. Feijóo steht deshalb, sollte er an diesem Sonntag tatsächlich die Stimmenmehrheit erringen, vor einem Dilemma. Falls er vor einer Koalition mit Vox zurückschreckt, könnte Spanien vor der Unregierbarkeit stehen und es wären bald erneut Wahlen notwendig.

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