Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern:Knackpunkte des Friedensprozesses

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Es gibt Hoffnung: Israel und Palästinenser wollen wieder ernsthaft versuchen, Frieden zu schließen. Doch schon vor den ersten Gesprächen in Washington ist klar: Die zu überwindenden Probleme sind gewaltig. Es geht um neue Grenzen, alte Flüchtlingsprobleme - und ums Wasser. Ein Überblick.

Von Sebastian Krass

Palästinenser klettern mit einer Leiter über eine Mauer, um aus einem Vorort Jerusalems zur in der Altstadt gelegenen Al-Aksa-Moschee zu kommen. (Foto: dpa)

Als Israel und Palästinenser 2010 zum bislang letzten Mal zu Friedensverhandlungen an einem Tisch saßen, dauerte es nur drei Monate, dann war auch dieser Versuch gescheitert. Ob die Aussichten für ein Abkommen fast drei Jahre später besser sind?

Bei den ersten Gesprächen in Washington in dieser Woche geht es noch nicht um konkrete und offizielle Friedensgespräche, sondern darum, Grundlagen für Verhandlungen zu schaffen, einen "Arbeitsplan" zu erstellen, wie es heißt. Mit schnellen Ergebnissen ist nicht zu rechnen. Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete kürzlich, die Verhandlungen seien auf neun Monate angelegt.

Vor drei Jahren hatten die Palästinenser die Friedensgespräche in Washington abgebrochen, weil Israel sich weigerte, einen Baustopp für neue Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten zu verlängern.

Dennoch gab es weiter Bewegung in der Sache: 2011 hielt US-Präsident Barack Obama eine weithin beachtete Grundsatzrede in Kairo. Darin regte er an, auf der Basis der Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 eine Friedenslösung zu suchen. Im November 2012 erkannten die Vereinten Nationen Palästina als Beobachterstaat an, obwohl die USA dagegen waren.

In den vergangenen Monaten nun brachte US-Außenminister John Kerry mit einer Vermittlungsmission beide Seiten so weit, dass sie nun einen neuen offiziellen Anlauf in Richtung Frieden wagen wollen. Doch die zu überwindenden Probleme sind gewaltig. Auf den kommenden Seiten lesen Sie, wo die Knackpunkte im Friedensprozess liegen.

Unter Beobachtern herrscht Einigkeit: Es braucht neben Israel einen eigenen lebensfähigen Palästinenserstaat mit vollständiger Autonomie. Denn ohne eine Zwei-Staaten-Lösung wird es keinen dauerhaften Frieden in Nahost geben können.

Zwischen Ramallah und Jerusalem: Ein israelischer Grenzposten durchsucht die Tasche einer palästinensischen Frau. (Foto: AFP)

Dafür aber werden weitreichende Zugeständnisse beider Seiten nötig sein. Deshalb wird dieses Thema auch ganz oben auf der Agenda von Friedensgesprächen stehen.

Nur, wie könnten die Grenzen dieser beiden Staaten aussehen? Wenn es nach den Palästinensern geht, soll ihr Staat die Gebiete umfassen, die Israel seit 1967 besetzt hält: das Westjordanland, den Gaza-Streifen - und Ost-Jerusalem.

Aus Gaza hat Israel sich inzwischen zurückgezogen. Das Westjordanland und Ost-Jerusalem sind aber für die Israelis wichtiger. Schließlich haben sie inzwischen Wohnungen für Hunderttausende jüdische Siedler im Westjordanland und in Ost-Jerusalem gebaut, zumindest der größte Teil dieser Gebiete soll auch zu Israel gehören.

Zudem wollen die Israelis weiterhin Soldaten an der Grenze zu Jordanien postieren. Deshalb wird es einen Austausch von Land geben müssen. "Die Palästinenser müssen genauso viel Territorium zurückbekommen, wie sie 1967 verloren haben," sagt Avi Primor, früherer israelischer Botschafter in Deutschland.

Israels Regierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, um einen Austausch von Land politisch durchzusetzen. Demnach muss eine Abtretung von Land durch ein Referendum legitimiert werden. Premier Netanjahu erklärte dazu, es sei "wichtig, dass jeder Bürger direkt über solche historischen Fragen abstimmt, die über die Zukunft des Landes entscheiden". Damit kommt Netanjahu den radikalen Kräften in seiner Koalition entgegen.

Der Verlauf der Grenzen hat unmittelbare Auswirkungen auf einen anderen Streitpunkt: den israelischen Siedlungsbau.

Gut 120 offizielle jüdische Siedlungen gibt es inzwischen in den besetzten Gebieten, hinzu kommen etwa hundert, die zwar auch nach israelischem Recht illegal sind, die aber dennoch vom Staat unterstützt werden.

Schätzungen zufolge leben im Westjordanland und in Ost-Jerusalem schon mehr als 600.000 Siedler inmitten von drei Millionen Palästinensern. Manche Palästinenser hadern bis heute damit, dass man sich mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Oslo im Jahr 1993 die Hände gebunden habe, während Israel ungerührt weitergebaut habe. Die Zahl der Siedler habe sich seitdem vervierfacht, moniert der Parlamentsabgeordnete Mustafa Barghuti.

Dennoch haben die palästinensischen Politiker darauf verzichtet, einen Stopp des Siedlungsbaus zur Vorbedingung für die neuen Friedensgespräche zu machen. Auf der anderen Seite gibt es auch im aktuellen Kabinett Netanjahus mehrere Minister, die darauf beharren, weiterzubauen. So sagte Tranportminister Israel Katz vom rechten Flügel der Likud-Partei Netanjahus: "Die Besiedlung ist stark und wächst. Ein Stopp wäre unjüdisch und unmoralisch."

Die Furcht vor Anschlägen palästinensischer Widerstandskämpfer gehört quasi zur DNA der israelischen Gesellschaft. Deshalb tat sich die Regierung nun so schwer, den Weg für die schrittweise Freilassung von 104 Palästinensern zu ebnen, die seit mehr als 20 Jahren im Gefängnis sitzen und die wegen der Schwere ihrer Taten bei früheren Amnestien außen vor blieben. Das hatten die Palästinenser zur Bedingung für die neuen Friedensgespräche gemacht. Israels Premier Netanjahu erklärte in einem offenen Brief an die Bevölkerung, man werde die Freilassung vom Verhandlungsfortschritt abhängig machen.

Um ein endgültiges Friedensabkommen zwischen beiden Seiten zu erreichen, wird es aber nicht nur der Zusage der Palästinenser-Regierung von Mahmud Abbas bedürfen, dass es keine Anschläge mehr gibt. Auch die Hamas, die den Gaza-Streifen kontrolliert und den Staat Israel nach wie vor bekämpft, muss in die Verhandlungen einbezogen werden. Die Israelis werden wohl auch darauf drängen, dass andere Länder, etwa die USA, ihnen Sicherheitsgarantien geben.

Nach Angaben der UN gibt es mehr als fünf Millionen Palästinenser in den Palästinensergebieten und den Nachbarländern, ein Großteil von ihnen sind Flüchtlinge aus der Zeit der israelischen Staatsgründung 1948 und des Krieges 1967 und deren Nachkommen.

Sie sollen ein Rückkehrrecht nach Israel bekommen, fordern die palästinensischen Unterhändler bisher noch offiziell. Dies lehnt Israel kategorisch ab, weil dann der jüdische Charakter des Staates in Gefahr geriete.

Die für Juden heilige Klagemauer liegt in Ost-Jerusalem, das die Palästinenser für sich beanspruchen. (Foto: REUTERS)

Welchen Status soll diese für Muslime, Juden und Christen heilige Stadt künftig haben? Für Israel ist klar, dass Jerusalem ungeteilte Hauptstadt bleiben muss, samt des 1967 annektierten, palästinensisch geprägten Ost-Teils. Dort liegt auch die für Juden heilige Klagemauer.

Die Palästinenser hingegen wollen Ost-Jerusalem, wo sie immer noch die Mehrheit der Bevölkerung stellen, zur Hauptstadt ihres Staats machen. Sie verhandeln in diesem Punkt nicht nur für sich, sondern sondern haben weite Teile der islamischen Welt im Nacken, die erwartet, dass der muslimische Charakter Jerusalems künftig wieder stärker zu Tage tritt.

Wasser, ein knappes Gut: eine Verteilungsstelle im Westjordanland. (Foto: AFP)

Die Knappheit von Trinkwasser ist im Nahen Osten ein brisantes politisches Thema, immer wieder wird auch die Gefahr eines "Kriegs um das Wasser" heraufbeschworen. Und deshalb geht es natürlich auch bei einer möglichen Neuordnung der Region um den Zugang zum Wasser.

Bisher kontrolliert Israel einen Großteil des Grundwassers im Westjordanland. Auch weil ihre Bevölkerung schnell wächst, verlangen die Palästinenser mehr Zugriff darauf - für sie ist die Trinkwasserversorgung eine zentrale Zukunftsfrage.

(Mit Material von dpa und AFP)

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