Öffentlicher Dienst:"Wir werden mehr Druck machen"

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Auch in München marschieren immer wieder Beschäftige der Länder auf: Großprotest auf dem Marienplatz im März. (Foto: Lorenz Mehrlich/)

Kliniken schalten auf Notbetrieb, Kitas bleiben dicht: Die Streiks im öffentlichen Dienst der Länder nehmen an Fahrt auf. Was steckt dahinter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Benedikt Peters

Manchmal kann ein Streik angenehm sein. Am vergangenen Freitag etwa konnte man sein Auto in Hamburg getrost ohne Parkschein abstellen, ohne einen Strafzettel fürchten zu müssen. Die Parkwächter streikten, sie hatten einen "knöllchenfreien Tag" ausgerufen. So angenehm aber wird es nicht bleiben: Die Tarifrunde der Länder stockt, immer mehr Beschäftigte des öffentlichen Dienstes legen zeitweise die Arbeit nieder, an diesem Donnerstag und Freitag etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unikliniken und Landeskrankenhäusern.

Welche Auswirkungen haben die Streiks?

Nahezu überall in Deutschland sind das Pflegepersonal und andere Mitarbeiter - etwa Putzkräfte und Köche - aufgerufen, von der Frühschicht am Donnerstag bis einschließlich der Spätschicht am Freitag in den Warnstreik zu treten. Der Aufruf bezieht sich auf Landeskrankenhäuser, Unikliniken und zum Teil auch auf Psychiatriezentren, deren Mitarbeiter über den Tarifvertrag der Länder angestellt sind; dieser wird gerade neu zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern verhandelt. Einzelne Ausnahmen gibt es in Hessen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hamburg und Berlin, weil manche Unikliniken dort andere Tarifverträge anwenden.

Die Krankenhäuser der Länder werden allerdings nicht komplett geschlossen. "Eine Notversorgung wird immer gewährleistet sein", sagte Verdi-Chef Frank Werneke der SZ. Die Kliniken arbeiten ähnlich wie am Wochenende: Akute Krankheiten und Notfälle werden versorgt, Routineeingriffe und länger geplante Operationen müssen teilweise verschoben werden.

Wo wird noch gestreikt?

Der öffentliche Dienst der Länder umfasst Angestellte und Beamte vieler verschiedener Berufe, etwa Lehrer, Polizisten und Verwaltungsangestellte. Beamten sind Streiks untersagt, alle anderen aber können während einer laufenden Tarifrunde die Arbeit niederlegen - und das tun derzeit viele. In Berlin etwa blieben am Mittwoch nach Verdi-Angaben etwa 100 Kitas geschlossen, und weil neben den Erziehern auch angestellte Lehrer die Arbeit niederlegten, fiel teilweise der Unterricht aus. In manchen Bundesländern, etwa in Hamburg und Bremen, sind die Mitarbeiter von Verwaltungsbehörden wie etwa Bürgerämtern zum Streik aufgerufen, in anderen Regionen wollen Sozialarbeiter und Mitarbeiter von Straßenmeistereien die Arbeit niederlegen. In Bayern fielen in dieser Woche Theatervorstellungen und Lehrveranstaltungen an den Universitäten aus, und in einigen Mensen gab es kein Essen, weil auch das dortige Personal streikte.

Wie kommt die Tarifrunde der Länder voran?

Bisher hat sich nichts bewegt, das ist die Ursache der Streikaufrufe. Die Gewerkschaften Verdi und Beamtenbund, die gemeinsam die Verhandlungen führen, fordern für die etwa 1,1 Millionen Angestellten und 1,4 Millionen Beamten eine Gehaltserhöhung von 10,5 Prozent; Beschäftigte, die wenig verdienen, sollen mindestens 500 Euro brutto pro Monat mehr bekommen. Die Tarifgemeinschaft der Länder lehnt das ab. Sie hat sich zweimal mit den Gewerkschaften zu Gesprächen getroffen, dabei aber kein Lohnangebot unterbreitet. Verdi-Chef Werneke bezeichnete das als "Affront gegenüber den Beschäftigten, die erwarten, dass ihre Forderungen ernsthaft diskutiert werden".

Wie argumentieren die Gewerkschaften?

Die Gewerkschaften begründen ihre Forderung nach deutlich mehr Gehalt für die Landesbeschäftigten mit der hohen Inflation. Durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise war die Teuerung im letzten Jahr auf sieben Prozent geklettert; für dieses Jahr prognostizieren die Ökonomen sechs, für das nächste Jahr etwas mehr als zwei Prozent. Zusammengenommen klettern die Preise in diesem Zeitraum also um etwa 15 Prozent, die letzte Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst lag aber nur bei 2,8 Prozent. Die Differenz wollen die Gewerkschaften nun weitgehend ausgleichen - und sie sagen, dass die Angestellten im öffentlichen Dienst, die wenig verdienen, das auch nötig hätten. Einfache Justizvollzugsangestellte oder Küchenhelfer etwa müssten inzwischen immer öfter Wohngeld beantragen, um überhaupt noch über die Runden zu kommen.

Außerdem argumentieren Verdi und Beamtenbund mit dem Abschluss, den sie für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen im Frühjahr erzielt haben; dort gab es im Durchschnitt 11,5 Prozent mehr Geld. Die Kollegen im öffentlichen Dienst der Länder leisteten die gleiche Arbeit, deshalb hätten sie auch einen ähnlichen Gehaltssprung verdient.

Und was sagen die Arbeitgeber?

Der hamburgische Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), der die Verhandlungen für die Bundesländer führt, hat sich bisher anerkennend über die Landesbeschäftigten geäußert. Sie leisteten "hervorragende Arbeit", sie verdienten deshalb "angemessene Lohnerhöhungen". Was Verdi und der Beamtenbund verlangten, sei aber nicht finanzierbar. "Die Forderung blendet die dramatische, sich gerade jetzt zuspitzende Haushaltslage vieler Länder leider aus", so sagte es Dressel bereits im Oktober - also noch lange bevor das Bundesverfassungsgericht sein Schuldenbremsen-Urteil fällte, durch das dem Bund nun mindestens 60 Milliarden Euro fehlen und das auch die Länderfinanzen schmälern dürfte. Dressel dürfte dies in den weiteren Verhandlungen als zusätzliches Argument anführen, weshalb nun wirklich nicht mehr viel drin sei.

Wie geht es jetzt weiter?

Am 7. und 8. Dezember soll die nächste Verhandlungsrunde zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern stattfinden, und Verdi-Chef Werneke sagt dazu: "Wir werden mehr Druck machen." Sollte es dort weiterhin keine Bewegung geben, so lässt sich das übersetzen, dann dürften noch weitere Warnstreiks folgen. Auch eine Urabstimmung über einen unbefristeten Arbeitskampf hält sich Verdi offen.

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