EU-Kommission macht Druck:Der Vatikan soll mehr Steuern zahlen

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Die Engelsbrücke und dahinter der Vatikan in Rom: Ein guter Teil der italienischen Hauptstadt gehört der Kirche. (Foto: Imago)

Die katholische Kirche hat in Rom einen gewaltigen Immobilienschatz und zahlt darauf nur wenig Steuern. Brüssel fordert die italienische Regierung zum Handeln auf. Wird sie sich mit dem Vatikan anlegen?

Von Marc Beise und Jan Diesteldorf, Rom/Brüssel

Den schönsten Blick auf Rom hat man vom Hügel Gianicolo im Westen der Stadt, dort wo das große Denkmal steht für Giuseppe Garibaldi, den hochgeehrten Freiheitskämpfer der Gründerjahre, der vor 150 Jahren gegen den Papst zu Felde gezogen ist. Der Papst durfte bleiben, aber sein politischer Einfluss erlitt einen Schwund ebenso wie seine Finanzmittel. Unverwüstlich blieben Grund und Boden. Vom Hügel hier oben herabsehend, ahnt man schon an den zahlreichen Kuppeln, wie sehr die Kirche Rom immer noch, in Stein gemeißelt, dominiert. Wer dann in die italienische Hauptstadt eintaucht, findet überall päpstliche Dienststellen, auch außerhalb des Vatikan. Und es sind ja nicht nur die Palazzi und großen Gebäude, auch viele kleinere Immobilien, denen man den Eigentümer nicht ansehen kann. Ein guter Teil der Stadt gehört der Kirche.

Die vatikanische Güterverwaltung, nicht einmal für alle Immobilien in Italien zuständig, weist mehr als 4000 Wohnungen, Büros und Geschäftsräume aus. Da ist viel Sakrales dabei, namentlich die Kirchen, aber auch Gewerbliches. Die Kirche verdient dabei gutes Geld, mit weltlichen Geschäften sowieso, aber auch mit karitativen: kirchlichen Schulen, Ordenskrankenhäusern und Gästehäusern für Pilger. Der Heilige Stuhl ist in Rom ein sehr gegenwärtiger Player der Wirtschaft, und kein kleiner.

Im Volk - wer auch immer das im Einzelnen ist - ein beliebtes Thema: Es sei nicht in Ordnung, dass dieser Player dort, wo er auch Geld verdient, vom Staat eingeräumte Ausnahmerechte genießt. So zahlt er zwar kommunale Immobiliensteuer, von 5,8 Millionen Euro im Jahr ist die Rede, das ist aber ganz sicher nur ein Bruchteil dessen, was für einen normalen Immobilienbesitzer gleicher Größenordnung anfallen würde.

Die Kommission ist mit ihrer Geduld am Ende

In Brüssel, wo das Wirtschaftsrecht der EU-Staaten geschrieben wird, fallen solche Sonderregelungen auf, zumal wenn nicht kirchliche Konkurrenten eine Wettbewerbsverzerrung monieren. Bekannt geworden sind eine private Montessori-Schule und eine Bed-and-Breakfast-Pension, die gegen die kirchliche Sonderbehandlung sogar vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zogen.

Zwar hatte die Kommission bereits 2012 festgestellt, dass eine bestimmte frühere italienische Grundsteuerbefreiung (imposta comunale sugli immobili) für nicht gewerbliche Einrichtungen, die zwischen 2006 und 2011 bestimmte soziale Tätigkeiten wirtschaftlicher Art ausübten, nicht mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar war. Die Kommission ließ jedoch Milde walten, sie erkannte die Probleme an, die der italienische Staat angesichts unklarer Grundbuchdaten haben würde, die konkreten Adressaten zu ermitteln, von denen er gegebenenfalls die rechtswidrige Beihilfe zurückfordern könnte.

Ein paar Jahre später, 2018, hatten die Richter des Europäischen Gerichtshofs weniger Einsehen. Die Kommission hätte schon prüfen müssen, ob es alternative Methoden für die Rückforderung der Beihilfe gebe, urteilten sie, und sei es auch nur teilweise. Das wäre Anlass genug gewesen für diverse italienische Regierungen, tätig zu werden. Sie taten aber, ob rechts oder links, nichts - was ja nicht unüblich ist, auch deutsche Regierungen spielen gegenüber der EU gelegentlich auf Zeit.

Jetzt ist die Kommission mit ihrer Geduld am Ende. In einem neuen Beschluss fordert sie die italienischen Behörden auf, die infrage stehenden Immobiliensteuern für 2006 bis 2011 von nicht gewerblichen Besitzern nachträglich einzufordern. So könnte Italien beispielsweise Daten aus den im Rahmen der neuen Grundsteuer eingereichten Erklärungen verwenden und diese durch andere Methoden ergänzen, und seien es Selbsterklärungen, gibt die EU-Behörde den Kollegen in Rom den Weg vor.

Es ist unklar, um wie viel Geld es dabei genau geht, aber einige Milliarden Euro sollen es sein. Für den notorisch klammen Vatikan wäre das eine große Herausforderung. Denn der Kirchenstaat ist reich an Grund und Boden, aber arm an Barem. Er ist in den Corona-Jahren ins Minus gerutscht und lebt von Zuweisungen aus einigen reichen Ländern, vor allem den USA; aber auch die deutschen Katholiken sind unter den Top 3 der Zahler.

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Man könnte immerhin vermuten, dass Papst Franziskus die Brüsseler Forderung wohlwollend sieht. Erstens hat er bei einer Audienz für Mitarbeiter italienischer Finanzämter ausdrücklich betont, wie wichtig Steuerzahlen sei. Zweitens predigt er mit penetranter Regelmäßigkeit Bescheidenheit. Seinen Kardinälen hat er von Anbeginn seines Pontifikats durch kleine und große Gesten zu verstehen gegeben, was er von Prunksucht hält. Was anfangs eher ein Stirnrunzeln war, wurde mittlerweile konkret. Kürzlich hat Franziskus den Kardinälen und leitenden Mitarbeitern vatikanischer Behörden die (gewaltigen) Mietvergünstigungen für vatikanische Wohnungen gestrichen. Angesichts der allgemeinen Not in der Welt seien "außerordentliche Opfer" notwendig, heißt es im entsprechenden Dekret. Das Thema ist in Vatikan-Kreisen seitdem groß. Wie soll man sich angesichts des Mietpreisniveaus in Rom eine - womöglich gar repräsentative - Wohnung nahe dem Vatikan noch leisten? Das wiederum lässt den Papst kalt, der seine Seelsorger ohnehin lieber an der Peripherie im Einsatz sähe.

Aber Franziskus kann auch anders. Er ist immer dann sehr konservativ, wenn es um die Bedeutung der Institution geht. Das erleben, in anderem Zusammenhang, gerade die deutschen Katholiken. Deren Reformbemühungen findet der Papst prinzipiell ganz gut. Aber nicht, wenn sie die Institutionen der Kirche und die Macht der Bischöfe infrage stellen. Soll heißen: Es ist nicht zu erwarten, dass der Vatikan im Steuerstreit von selbst tätig wird.

Am Ende müssen die italienischen Politiker wohl selbst entscheiden, ob sie Steuern nachfordern wollen - oder schärfere Reaktionen aus Brüssel riskieren.

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