Dass deutsche Ministerpräsidenten den Papst besuchen, kommt vor. Als Regierungschefs eines Bundeslandes haben sie Anrecht auf eine Privataudienz. Für kommende Woche hat sich der NRW-Ministerpräsident angekündigt, an diesem Donnerstag ist ihm sein hessischer Amtskollege Boris Rhein zuvorgekommen.
Eine halbe Stunde nahm sich der Papst für das Vieraugengespräch, aus dem der CDU-Politiker hinterher nicht zitieren wollte. Nur so viel: Der Papst habe ihn, den praktizierenden Katholiken, sehr beeindruckt. Er sei bestens informiert und "unglaublich engagiert" bei allen Themen, die man angesprochen habe. Und das zentrale Thema war natürlich, wie die deutschen Katholiken und der Vatikan wieder besser miteinander zurechtkommen wollen als bisher.
Rhein ist insofern Partei, als in seinem Bundesland der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz residiert, Georg Bätzing aus Limburg, der ihm ein regelmäßiger und "sehr geschätzter" Gesprächspartner ist. Ferner hat gerade in Frankfurt die letzte große Konferenz des Synodalen Weges stattgefunden, den sie in Rom gerne den "sogenannten" Synodalen Weg nennen. Sogenannt, weil nach römischem Verständnis für das Miteinander in der Kirche letztendlich der Vatikan zuständig sei und man hier auch ohne deutsche Mithilfe zu wissen meint, wie das Verhältnis von Priestern, Bischöfen, Ordensleuten und Laien zu gestalten sei.
Der Konflikt ist vertagt, aber nicht beendet
Bis zu der Frankfurter Synodalversammlung, die den dreijährigen, häufig quälenden Reformprozess formal abgeschlossen hat, sah es sogar so aus, als würden "zwei Züge mit Höchstgeschwindigkeit aufeinander zurasen", so ein in römischen Kirchenkreisen gerne gebrauchtes Bild. Szenarien wurden durchgespielt bis hin zu einer möglichen Kirchenspaltung. Bei verschiedenen Gelegenheiten machten Vatikanvertreter deutlich, dass die Kurie und auch der Papst persönlich sich nicht scheuen würden, bei Bedarf den Konflikt offen auszutragen. Nun hat sich die Situation insofern verändert, als Frankfurt weit hinter den Befürchtungen des Vatikans zurückgeblieben ist.
Die Mehrheit der deutschen Bischöfe ist zwar auf Reformkurs, aber auch sie scheut den Konflikt mit Rom, die konservativen Kritiker des Synodalen Wegs sind vatikantreu. In Frankfurt war zu beobachten, wie der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nicola Eterović, immer wieder das Gespräch zu den als Reformgegnern bekannten Bischöfen suchte. Am Ende wurden mehrere Texte beschlossen. Immerhin soll es Frauen und Nicht-Geweihten bald gestattet sein, die Predigt in der Heiligen Messe zu halten; auch der kirchliche Segen für gleichgeschlechtliche Paare soll offiziell möglich werden. Und der Papst soll gebeten werden, den Pflichtzölibat für Priester zu prüfen; besonders heikle Themen wurden vertagt.
Tempo und Sendungsbewusstsein der Deutschen gehen Rom auf den Geist
Was aus Sicht der Reformer ein peinliches Zurückweichen vor Rom ist, ist dem Vatikan trotzdem zu viel. Wobei die Themen, die die Deutschen aufrufen, durchaus gesehen werden, sie sind ja in vielen Ländern in der Diskussion. Das Tempo und die Richtung aber, mit der Deutsche die Kirche erneuern zu wollen, ihre Selbsttätigkeit und auch ihr Sendungsbewusstsein gehen den Machthabern im Vatikan gehörig auf den Geist. Die Kirche habe wichtigere Themen und sei im Übrigen auch gar nicht wie behauptet in der Krise, heißt es. Soeben ist die Statistik 2021 veröffentlicht worden, nach der es mit 1,378 Milliarden Mitgliedern so viele Katholikinnen und Katholiken wie nie zuvor gibt, satte Zuwachsraten vor allem in Afrika und Asien.
Rhein hätte also einen demonstrativ entspannten Franziskus erleben können - hat er aber offensichtlich nicht. Stattdessen sagte der Deutsche nach seinen Gesprächen mit dem Papst und mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin: "Ich bin der festen Überzeugung, dass noch viel gesprochen und noch viel Kommunikation betrieben werden muss, damit es nicht zu einem Konflikt in der Kirche kommt." Das passt zu anderen Signalen, die aus dem Vatikan kommen: Dort ist man keinesfalls zufrieden. Der Konflikt ist vertagt, aber nicht beendet.
Ein wichtiger Akteur auf deutscher Seite wird in Zukunft nicht mehr so helfen können wie bisher: Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, Erfinder und entschiedener Befürworter des Synodalen Wegs, ist vom Papst nicht wieder in dessen wichtigstes Beratergremium berufen worden, den nur neun Mitglieder umfassenden Kardinalsrat. Marx hatte Einfluss, weil er in der Sache hart gerungen und sich zugleich auf seine leutselige Art mit Franziskus immer gut verstanden hat. Jetzt ist er raus.