Katholische Kirche:Kurswechsel im Vatikan

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Pfarrer Christoph Kunz segnet ein queeres Paar in einer Kirche in Magdeburg. Bislang waren Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare in der katholischen Kirche verboten. (Foto: Ronny Hartmann/dpa)

Die Glaubensbehörde veröffentlicht eine Grundsatzerklärung, wonach katholische Geistliche unverheiratete und homosexuelle Paare segnen dürfen.

Von Marc Beise, Rom

Die Nachricht kam am Montagmittag unvermittelt, aber gut vorbereitet im Bolletino Nummer 901 für die Presse, in fünf Sprachen - auch in Deutsch. Das war durchaus sinnvoll, denn gerade die deutschen Katholiken und ihre Bischöfe plagen sich seit Langem damit, ob sie homosexuelle Paare segnen sollen oder nicht. Viele deutsche Priester wollen das und vollziehen es auch, allerdings bisher unter klarer Missbilligung der Kirchenleitung in Rom.

Jetzt aber heißt es von oberster Stelle: Ja, homosexuelle Paare können ab sofort auch in der katholischen Kirche gesegnet werden. Dazu wird der Begriff des Segens in einer etwas komplizierteren Auslegung erweitert. Allerdings wird betont, dass eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden muss. Auch darf ein Geistlicher den Segen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes erteilen.

All das findet sich in der neuen Grundsatzerklärung der vatikanischen Glaubensbehörde mit dem Titel "Fiducia supplicans", zu Deutsch: Das flehende Vertrauen. Die Erklärung trägt die Unterschrift des neuen Präfekten der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, und sie wurde von Papst Franziskus ausdrücklich genehmigt. Diese Erklärung solle, heißt es in der Einleitung des mehrseitigen Textes in 45 Absätzen, "ein Geschenk an das gläubige Volk Gottes sein".

Der Papst wolle vermeiden, "Richter zu sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen"

In dem Text der Glaubensbehörde betont Fernandez, dass die Kirche ihr Verständnis von dem, was ein Segen ist, im Licht der seelsorgerischen Ideale von Papst Franziskus erweitert und angereichert habe. Segnungen seien eines der am weitesten verbreiteten und sich ständig weiterentwickelnden Sakramentalien. In streng liturgischer Sicht erfordere die Segnung, dass das, was gesegnet wird, auch wirklich dem Willen Gottes entspreche.

Allerdings sei es dem Papst wichtig, "die pastorale Fürsorge nicht zu vernachlässigen und zu vermeiden, "Richter zu sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen". In diesem Sinne habe man jetzt ein umfassenderes Verständnis der Segnungen entwickelt, sozusagen außerhalb des strengen liturgischen Rahmens, "in einem Bereich größerer Spontaneität und Freiheit". Schließlich gebe es verschiedene Anlässe, bei denen Menschen spontan um einen Segen bitten, sei es auf Wallfahrten, an Wallfahrtsorten oder sogar auf der Straße, wenn sie einem Priester begegnen.

Noch 2021 hatte man mitgeteilt, Segnungen homosexueller Paare seien nicht möglich

Mit diesem weiterentwickelten Verständnis des Segens sei es nun möglich, "Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare segnen zu können, ohne deren Status offiziell zu konvalidieren oder die beständige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner Weise zu verändern". Über diese Auslegung hinaus sollten jetzt aber keine weiteren Antworten über mögliche Art und Weisen zur Normierung von Details oder praktischen Aspekten in Bezug auf Segnungen dieser Art erwartet werden, stellt die Erklärung klar.

Noch im Februar 2021 hatte dieselbe vatikanische Glaubensbehörde mitgeteilt, Segnungen homosexueller Paare seien in der katholischen Kirche nicht möglich. Laut geltender katholischer Lehre ist es zwar keine Sünde, homosexuell zu empfinden. Gleichgeschlechtliche intime Handlungen seien aber "in sich nicht in Ordnung". Das Ausleben der Sexualität sei der Ehe vorbehalten, die nur von einem Mann und einer Frau geschlossen werden könne.

Ein Pfarrer aus Mettmann bei Düsseldorf wurde wegen Segensfeiern erst kürzlich abgemahnt

Speziell in Deutschland war diese Erklärung vielfach auf Unverständnis gestoßen. Die Zulassung von Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare war denn auch eine Hauptforderung für den deutschen Reformprozess Synodaler Weg und wurde dann im März 2023 von der Synodalversammlung auch so beschlossen. Darüber wiederum hatten sich Vertreter des Vatikans erstaunt gezeigt, allerdings wollte der Vatikan das Thema erkennbar nicht mehr eskalieren lassen. Insider sprachen von einem "Graubereich", in dem deutsche Priester ihren Weg finden müssten.

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Namentlich der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx war bemüht, den Priestern dabei zu helfen. Mehrfach äußerte Marx sein Unverständnis über die strikte Interpretation aus Rom. Es komme doch immer auf die konkrete Situation an. Er selbst könne sich nicht vorstellen, homosexuellen Paaren, die von ihm den Segen erbitten würden, diesen zu verweigern.

Noch im Herbst hatte der Fall eines Pfarrers aus Mettmann bei Düsseldorf Aufsehen erregt. Der Pfarrer hatte wiederholt Segensfeiern für Liebende - darunter auch homosexuelle Paare - abgehalten und wurde dafür vom Erzbistum Köln unter Kardinal Woelki abgemahnt. Woelki hatte argumentiert, solange es keine klare Sprachregelung aus Rom gebe, dürften Priester den Segen nicht erteilen. Diese Sprachregelung liegt nun vor. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, begrüßte das in einer ersten Reaktion: "Die Praxis der Kirche kennt eine Vielzahl von Segensformen. Es ist gut, dass nun dieser Schatz für die Vielfalt von Lebensmodellen gehoben wird." Der vom Vatikan gesetzte Rahmen sei nun klar genug, um den geweihten Amtsträgern die nötige Handlungssicherheit zu geben.

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