USA:Ilhan Omar, Feindbild Nummer eins

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Steht immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit: Ilhan Omar. (Foto: REUTERS)
  • Die muslimische Kongressabgeordnete Ilhan Omar setzt mit einer unglücklichen Äußerung die Wut-Maschinerie der politischen Rechten in den USA in Gang.
  • Ein Tweet von Präsident Trump lässt die Zahl der Morddrohungen gegen sie steigen. Es wird geprüft, ob sie Polizeischutz braucht.
  • Omar hat als muslimisches Einwandererkind in den USA Diskriminierung erlebt. Nun kämpft sie als Politikerin gegen die Unterdrückung von Muslimen.

Von Thorsten Denkler, New York

Das Leben der demokratischen Kongressabgeordneten Ilhan Omar war schon vor dem vergangenen Freitag nicht gerade leicht. Sie gehört mit 37 Jahren zu den jüngeren Kongressabgeordneten, sie ist zudem mit einer anderen Abgeordneten die erste Muslimin im Repräsentantenhaus, dazu noch Frau, Flüchtling, Feministin und Schwarz. Sie hat mal gesagt, sie vereine in sich alles, was Republikaner nicht schätzen.

Die haben Omar tatsächlich seit einiger Zeit zur politischen Zielscheibe auserkoren. Für US-Präsident Donald Trump, bekannt für seine anti-islamischen und rassistischen Ausfälle (" Der Islam hasst uns"), scheint sie gar das ultimative Feindbild zu sein.

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Am Freitag twitterte Trump ein Video, versehen mit dem Satz: "Wir werden niemals vergessen!" Der Film beginnt mit einem kurzen Ausschnitt aus einer etwa 20-minütigen Rede, die Omar auf einer Veranstaltung der muslimischen Organisation CAIR gehalten hat, eine Woche nach dem Anschlag von Christchurch in Neuseeland. Eine Rechtsradikaler hatte dort in zwei Moscheen 50 Menschen erschossen.

"Einige Leute haben etwas angestellt?"

Omar sagt in dem Video zunächst, CAIR sei nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gegründet worden, womit sie nicht ganz faktensicher ist. CAIR gibt es seit 1994. Aber der Fehler tut nichts zur Sache. Der entscheidende Satz kommt für viele Trump-Anhänger danach: CAIR sei gegründet worden, "weil sie verstanden haben, dass da einige Leute etwas angestellt haben" ("some people did something"). Omar bezieht sich auf die Terroranschläge auf New York und Washington, die fast 3000 Menschen das Leben gekostet haben.

Im Laufe des 43-Sekunden-Videos, das Trump getwittert hat, wird dieser Satz dreimal wiederholt. Dazwischen sind dramatische Szenen der einstürzenden Zwillingstürme in New York zu sehen, Explosionen in den Gebäuden, Menschen, die aus den Staubwolken fliehen. Und mitten im Video wird die Frage eingeblendet: "Einige Leute haben etwas angestellt?" Das Video - es lässt sich anders kaum sagen - stellt Omar indirekt so dar, als verharmlose sie die Taten der Terroristen oder sei vielleicht sogar eine Sympathisantin.

Ihre Wortwahl war sicher nicht angemessen, der Satz aber ist aus dem Zusammenhang gerissen. Es ging ihr in der Rede darum, dass es nur "einige Leute" waren, die etwas getan haben, und dafür nicht alle Muslime verantwortlich gemacht werden können. Vor allem ging es ihr aber um die Frage, wie die Bürgerrechte von Muslimen in den USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 systematisch eingeschränkt worden seien. Alle Muslime hätten danach den Zugang zu ihren bürgerlichen Rechten verloren, sagt Omar.

Obwohl die Rede von verschiedenen Sendern übertragen wurde, brachte erst ein Twitter-Kommentar des republikanischen Kongressabgeordneten Dan Crenshaw aus Texas am 9. April eine Medien-Lawine gegen sie ins Rollen. Auf Trumps Lieblingssender Fox News erklärte Moderator Brian Kilmeade wenig später, er frage sich, ob Omar eigentlich in erster Linie Amerikanerin sei. Fox-News-Einheizer und Trump-Freund Sean Hannity widmete sich dann ausführlich dem Fall. Die Trump-freundliche New York Post brachte eine Titelseite heraus, darauf die brennenden Zwillingstürme mit der Überschrift. "Hier ist dein etwas".

Zahl der Morddrohungen hat zugenommen

Die Wut-Maschinerie der politischen Rechten kam auf Touren. Aus einer Rede über die verlorenen Bürgerrechte für US-Muslime nach den Terroranschlägen wurde die Geschichte gesponnen, Omar habe die Terroranschläge herunterspielt. Donald Trump hat die Lage dann noch deutlich verschärft. Mit dem Video hat er versucht, seine knapp 60 Millionen Twitter-Follower auf Omar zu hetzten. Was nicht ohne Wirkung blieb.

Am Sonntagabend erklärte Omar, wie es ihr danach ergangen sei: "Seit dem Tweet des Präsidenten am Freitagabend haben die Morddrohungen gegen mich zugenommen - viele davon haben sich direkt auf das Video des Präsidenten bezogen." Gewaltrhetorik und alle Arten von Hassreden hätten keinen Platz in unserer Gesellschaft, schreibt sie. Erst recht nicht von unserem obersten Befehlshaber. "Das gefährdet Leben. Es muss ein Ende haben."

Die Führerin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, nimmt die Drohungen offenbar sehr ernst. Sie hat Polizeischutz beantragt. Nicht nur für Omar, sondern auch für deren Familie und Mitarbeiter.

Omar sind Morddrohungen nicht fremd. Vergangen Monat ist ein Trump-Fan im Bundestaat New York festgenommen worden, weil er gedroht hatte, Omar zu erschießen. Sie war kürzlich auch das Ziel einer Bombendrohung, als sie auf einer Veranstaltung in Los Angeles reden sollte.

Manchen Ärger hat sie allerdings selbst verschuldet. Zweimal musste sie sich von Parteifreunden den Vorwurf gefallen lassen, sich antisemitisch geäußert zu haben. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses sah sich gar genötigt, eine Resolution verabschieden zu lassen, in der Antisemitismus klar verurteilt wird. Omar entschuldigte sich in aller Form für ihre Äußerunge n.

Trumps Angriffe auf sie mögen seine eigene Basis aufstacheln. Sie machen aber eine neue Abgeordnete auch zu einer Person von nationalem Interesse - und festigen zugleich Omars Anhängerschaft. Im ersten Quartal 2019 konnte sie über 800 000 Dollar an Spenden einsammeln. Das ist die Währung, mit der die politischen Parteien in den USA Einfluss messen. Omar gehört mit der Summe zu den Top-Spendensammlern unter den Demokraten im Repräsentantenhaus. Sie hat - bisher zumindest - keinen Grund zur Bescheidenheit.

Geboren wurde Ilhan Omar am 4. Oktober 1981 in Mogadischu, Somalia, als jüngstes Kind von sieben Geschwistern. Ihr Vater war Lehrer, ihre Mutters starb, als sie zwei war. Als in Somalia der Bürgerkrieg ausbrach, floh ihre Familie bald ins benachbarte Kenia. Vier Jahre verbrachte sie dort in einem Flüchtlingscamp. 1995 erreichte die Familie die USA und beantragte Asyl. Ihr Vater baute der Familie als Taxifahrer und später als Post-Mitarbeiter in Minnesota eine bescheidene Existenz auf. Für Omar war es der Beginn einer schweren Reise. Erstmals in ihrem Leben sei sie damit konfrontiert worden, als schwarze Muslima "anders" zu sein, sagt sie.

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Im Jahr 2000, im Alter von 17 Jahren, wurde Omar US-Staatsbürgerin. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 entschloss sie sich, weiter ihr Kopftuch, den Hijab, zu tragen. Als Zeichen ihrer Identität. Eine Identität, die sie bis dahin immer wieder in Frage gestellt sah.

Sie war vielen Demütigungen ausgesetzt nach ihrer Ankunft in den USA. Sie ist eine Treppe hinuntergeworfen worden, wurde gemobbt wegen ihres Kopftuchs, ihre wurde Kaugummi in die Kleidung geklebt. Ihr Vater hat ihr damals gesagt: "Sie tun dir das an, weil sie sich auf irgendeine Weise von deiner bloßen Existenz bedroht fühlen."

Omar will nicht unsichtbar sein

Omar hat das nur weiter motiviert. Sie hat um ihre Rechte gekämpft, darum, als Gleiche und unter Gleichen angesehen zu werden. Und sie hat es damit weit gebracht. Sie ging zum College, studierte, ging in die Politik, hebelte einen Amtsinhaber aus dem Sitz im Parlament von Minnesota und zog 2018 schließlich in den Kongress ein.

"Sie ist eigentlich ein Paradebeispiel für den sogenannten amerikanischen Traum", sagt die Politologin Larycia Hawkins aus Virginia. "Aber für viele weiße Christen in den USA ist sie ein amerikanischer Albtraum".

Das gilt auch für viele Juden in den USA. Regelmäßig greift Omar die israelische Regierung für ihre Politik gegenüber Palästina an. Im Wahlkampf 2018 hielt sie sich noch zurück. Als die Wahl vorüber war, machte sie schnell klar, dass sie die Boykott-Bewegung gegen israelische Produkte (BDS) unterstützt. In der jüdischen Gemeinschaft der USA sind viele deshalb nicht gut auf sie zu sprechen. Und es gibt selbst unter den Demokraten Bestrebungen, ihr in ihrem Wahlkreis einen besonders starken Vorwahlgegner gegenüberzustellen.

Der Satiriker Stephen Colbert hat sie in seiner "Late Show" mal gefragt, ob es gerade in der ersten Legislaturperiode nicht besser sei, den Ball flach zu halten. Omars Antwort: "Frauen wurde immer gesagt, sie sollten sich ruhig verhalten, unsichtbar sein, unhörbar." Aber sie sei nicht da, um leise zu sein. Sie sei nicht da, um unsichtbar zu sein. Sie sei da, um "für gute Unruhe" zu sorgen.

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