US-Wahl:Trumps lässiger Umgang mit Atomwaffen

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Im April hielt Donald Trump in Washington eine Grundsatzrede zur Außenpolitik. Nur ein Drittel der Amerikaner glauben, dass die US-Nuklearwaffen bei ihm in guten Händen wären. (Foto: REUTERS)

Die Sprüche des republikanischen Kandidaten lassen Sicherheitsexperten schaudern. Als US-Präsident könnte Trump Nuklearwaffen einsetzen - mit nur einem Befehl.

Von Hubert Wetzel, Washington

Theoretisch, rein theoretisch, ist dieses Szenario denkbar: Der Präsident der Vereinigten Staaten fühlt sich nicht gut. Vielleicht hat er Zahnschmerzen. Er schläft schlecht. Am frühen Morgen ruft er grantig den Offizier zu sich, der in einem Koffer - genannt "der Football" - die Unterlagen für den Abschuss der amerikanischen Atomwaffen bei sich trägt und der sich rund um die Uhr in der Nähe des Staatschefs aufhält. Der Präsident liest dem zuständigen General im Pentagon von einer Karte - genannt "der Keks" - einen Identifizierungscode vor und befiehlt einen Nuklearschlag irgendwo auf der Welt. Sofern das Militär nicht meutert, kann ihn niemand daran hindern.

Er spricht über Atomwaffen, als seien es Immobiliengeschäfte

Es gehört zu den Besonderheiten dieses Wahlkampfs, dass derartige Szenarien, so absurd sie erscheinen mögen, in den Medien ausgebreitet werden. Das hat mit zwei Dingen zu tun. Erstens: Der US-Präsident hat tatsächlich uneingeschränkte Macht, den Einsatz von Atomwaffen zu befehlen. Zweitens: Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump zeigt nicht nur ein merkurisches Temperament, sondern redet auch mit einer Lässigkeit über Nuklearwaffen, die mache Sicherheitsexperten erschaudern lässt.

Die Demokratin Hillary Clinton machte dies in ihrer Parteitagsrede ausdrücklich zum Wahlkampfthema. "Einem Mann, der sich von einem Tweet aus der Fassung bringen lässt, kann man keine Atomwaffen anvertrauen", sagte sie. Umfragen zeigen, dass nur ein Drittel der Amerikaner glauben, das US-Nukleararsenal sei bei Trump in guten Händen.

Trump betont zwar, dass er Nuklearwaffen für furchtbar halte und als Präsident alles tun wolle, um einen Einsatz zu verhindern. Er ist, gemessen an allem, was er zu Atomwaffen gesagt hat, sicher kein Dr. Strangelove, der die Bombe liebt.

Weniger klar ist, unter welchen Umständen Trump sich im Ernstfall doch einen Nukleareinsatz vorstellen könnte. Das ist nicht grundsätzlich verwerflich - "strategische Uneindeutigkeit", sprich: den Gegner im Unklaren lassen, ist Teil jeder Nukleardoktrin. Die derzeitige Regierung hat aber zumindest erklärt, dass Amerika keine Atomwaffen gegen Länder einsetzen wird, die selbst keine solchen Waffen besitzen, die den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet haben und sich daran halten. Das schließt einen Atomschlag etwa gegen Deutschland praktisch aus, nicht aber gegen Nordkorea. Präsident Barack Obama erwägt zudem Berichten zufolge, eine sogenannte No-first-use-Doktrin zu formulieren. Damit würden die USA sich verpflichten, in einem Konflikt nicht als erste Partei Atomwaffen einzusetzen.

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Der Außenminister sagt, er schaue mit Sorge auf das "Ungeheuer des Nationalismus". Er ist der zweite westliche Politiker, der binnen weniger Tage in den US-Wahlkampf eingreift.

"Europa ist ziemlich groß. Ich werde keine Option vom Tisch nehmen"

Trump könnte es dabei belassen, diese Positionen zu wiederholen - oder staatsmännisch zu schweigen. Doch der Kandidat redet viel über das Thema. Zugleich hinterlässt er nicht den Eindruck, er kenne sich mit atomaren Dingen gut aus oder habe das, was er sagt, gründlich durchdacht. Diese Schwammigkeit begründet er damit, dass man "nie Optionen vom Tisch nehmen" dürfe - ein Trump-Credo, das er sich durch seine vielen Verhandlungen bei Immobiliengeschäften erworben hat. "Nuklearwaffen sollten vom Tisch sein. Aber gibt es einen Zeitpunkt, an dem man sie einsetzen könnte? Schon möglich", lautet eine typische Trump-Sentenz zum Thema.

Beruhigend ist das alles nicht. So soll Trump jüngst am Rande einer Fernsehsendung einen Außenpolitik-Berater mehrmals gefragt haben, warum Amerika seine Atombomben denn nicht einsetzen könne, wenn es diese schon habe. Im Studio soll daraufhin ungläubiges Schweigen geherrscht haben. "Trump würde sechs Jahrzehnte bewährter Abschreckungstheorie umwerfen", twitterte der konservative Sicherheitsexperte John Noonan, als die Episode bekannt wurde. "Der Zweck von Atomwaffen ist, dass sie nie eingesetzt werden. Sieht Trump das anders?"

Das umstrittene Zitat ist nicht belegt, ein Sprecher Trumps widersprach der Darstellung. Doch es gibt andere Aussagen des Kandidaten: Als Trump im März in einem Fernsehinterview gefragt wurde, ob er sich den Einsatz von US-Atomwaffen im Nahen Osten oder in Europa gegen Terroristen des Islamischen Staats vorstellen könne, schloss er diesen nicht aus. "Der IS schlägt zu, und Sie würden sich nicht mit Atombomben wehren?", fragte Trump den Moderator. "Warum bauen wir sie dann?" Einen Tag später antwortete er auf eine ähnliche Frage über einen Atomwaffeneinsatz in Europa: "Europa ist ziemlich groß. Ich werde keine Option vom Tisch nehmen."

Am Ende zählt in einer Krise allerdings wohl nur eins: Nerven. Ein Präsident kann so viel über Atomwaffen wissen und nachgedacht haben, wie er will - im Ernstfall muss er unter brutaler Anspannung und binnen weniger Minuten die denkbar folgenreichste Entscheidung treffen. Trump ist sich sicher, dass er für diese Situation genau der richtige Mann ist: "Unter Druck wäre ich bewundernswert ruhig."

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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