US-Wahl 2020:Mit den TV-Debatten beginnt die gnadenlose Selektion

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Anhänger in Las Vegas bejubeln Bernie Sanders, der Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden will. (Foto: John Locher/AP)
  • Mit derzeit 24 Bewerben wollen so viele Demokraten US-Präsident werden, wie wohl nie zuvor.
  • Mit den TV-Debatten beginnt jetzt die Phase gnadenloser Selektion.
  • Viele befürchten einen Krieg der Ideologien zwischen moderatem Partei-Establishment und progressiven Kandidaten.

Von Thorsten Denkler, New York

Ginge es nach Joe Biden, es könnte jetzt einfach so weitergehen. Er führt in Umfragen zweistellig vor den anderen 23 Bewerbern um die demokratische Präsidentschaftskandidatur. Er hat genug Geld auf dem Kampagnen-Konto und genießt die Unterstützung des Parteiestablishments. Am vergangenen Memorial-Day-Wochenende konnte Biden, der unter Barack Obama Vize-Präsident war, gar entspannt die Füße hochlegen, statt - wie fast alle anderen Kandidaten - auf Marktplätzen oder in Wohnzimmern um Wählerstimmen zu werben.

Eine Gesundheitsreform, niedrigere Kosten für Schule und Studium, ein gerechtes Steuersystem, das sind die Versprechen, mit denen progressive Kandidaten wie Bernie Sanders oder Elizabeth Warren werben. Biden beschränkt sich darauf, der Kandidat zu sein, von dem im Moment eine Mehrheit der Demokraten glaubt, er könne Trump besiegen. Er wirkt tiefenentspannt. Fast so, als ginge es in den Anfang 2020 beginnenden Vorwahlen nicht darum, ob er der Kandidat der Demokraten wird, sondern nur darum, mit welchem Vorsprung.

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Biden wäre nicht der erste, der sich da gewaltig verschätzt. " Meine Partei mag keine Frontrunner", sagt Paul Begala, ein früherer Berater von Präsident Bill Clinton, der New York Times. Und tatsächlich haben es in jüngster Vergangenheit noch alle frühen demokratischen Favoriten geschafft, ihre Nominierung zu verpassen oder sie im besten Fall mit tiefen Narben zu gewinnen. Es gilt daher als unwahrscheinlich, dass Biden einfach so durchmarschieren kann. "Es wird in jedem Fall noch eng werden", sagt Begala.

Das Bewerberfeld ist so groß und divers wie wohl noch nie in der Geschichte demokratischer Vorwahlen. Da kämpfen Moderate gegen Progressive, Frauen gegen Männer, junge Kandidaten gegen alte, farbige gegen weiße.

Alles ist etwas durcheinander. Biden etwa erfährt große Unterstützung in der schwarzen Bevölkerung. Vor allem deshalb, weil er der Vize-Präsident von Barack Obama war, dem ersten schwarzen Präsidenten in der US-Geschichte. Um dieselbe Wählerschaft werben Kamala Harris und Cory Booker. Booker setzt sich zudem intensiv für Frauenrechte ein. So wie Kirsten Gillibrand und fünf weitere Frauen im Rennen.

So schnell sich das Bewerberfeld aufgebaut hat, so schnell könnte es in den kommenden Wochen schon wieder in sich zusammenfallen. Ende Juni, Ende Juli und Mitte September wird es jeweils zwei große Fernsehdebatten geben, an denen je zehn Bewerber teilnehmen können.

Mit den TV-Debatten beginnt eine neue Phase im demokratischen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. Die Phase der Selektion. Wer es nicht auf die Debatten-Bühne schafft, der dürfte für das weitere Rennen verbrannt sein. Die 20 Plätze für die ersten beiden Debatten am 26. und 27. Juni sind inzwischen vergeben. Vier Bewerber haben es nicht geschafft.

Die Hürde, um überhaupt eine Chance zu haben, in den ersten beiden Debatten einen Platz auf dem Podium zu bekommen, war noch halbwegs zu bewältigen. Mindestens ein Prozent in den Umfragen, mindestens 65 000 einzelne Spender. So sehen es die Regeln der Demokratischen Partei vor.

Für die beiden Debattenrunden im September sind die Regeln aber diese Woche verschärft worden. Dann gilt: Mindestens zwei Prozent in den Umfragen und 130 000 individuelle Spender. Es könnte sein, dass dann bereits mehr als die Hälfte der Bewerber durchs Sieb fallen.

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Die neuen Regeln nähren die Befürchtung, dass unter der Oberfläche eine Schlacht der Ideologien tobt. Dass etwa das moderate Partei-Establishment alles tun wird, Kandidaten der Parteilinken zu verhindern und Graswurzel-Kandidaten frühzeitig auszuschalten.

Die Partei hat die Marschroute ausgegeben, dass Demokraten keinerlei Unterstützung der Partei bekommen sollen, wenn sie amtierende Senatoren oder Abgeordnete des Repräsentantenhauses herausfordern. Vor allem auf der progressiven Seite wird das als Versuch verstanden, einen wachsenden politischen Flügel klein zu halten.

Der Sieg von Alexandria Ocasio-Cortez im 14. Wahlbezirk von New York hatte das Establishment wachgerüttelt. Sie hatte im Herbst 2018 den seit fast 20 Jahren amtierenden Kongressabgeordneten Joseph Crowley in den Vorwahlen deutlich geschlagen. Crowley war zu diesem Zeitpunkt der viertmächtigste Demokrat im Repräsentantenhaus. Er galt als einer der Favoriten für eine mögliche Nachfolge von Nancy Pelosi als Sprecherin der Demokraten im House. Mehr Establishment als Crowley geht eigentlich kaum noch.

Auch in anderen Wahlbezirken haben progressive Kandidaten die etablierten Amtsinhaber systematisch herausgefordert. Meist haben sie verloren. Oft aber gefährlich knapp. Den demokratischen Wählern scheint dieser Kampf allerdings eher egal zu sein. In der jüngsten Umfrage der Meinungsforscher von Morning Consult sehen 38 Prozent der Befragten Biden als ihren Favoriten. Gefolgt von Sanders mit 20 Prozent. Dahinter kommt lange nichts. Warren ist mit neun Prozent auf Platz drei. Das entspricht den Daten vieler anderer Umfragen.

Interessant aber ist die Antwort auf die Frage, welcher Kandidat die zweite Wahl wäre. Von denen, die Biden als ihren Favoriten sehen, geben 29 Prozent an, dass sie Bernie Sanders als Kandidaten sehen wollen, falls es Biden nicht schafft. Und von den Sanders-Unterstützern würden im umgekehrten Fall 33 Prozent Biden den Vorzug geben, sollte Sanders ausfallen. Nach einem Krieg der Ideologien sieht das nicht aus. Was nämlich die demokratische Basis umtreibt ist vor allem eines: Welcher Kandidat kann Trump besiegen? Noch ist das Biden. Wie lange das so bleibt, ist völlig offen.

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