Indien:Auftragskiller gesucht

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Der Sikh Gurpatwant Singh Pannun hätte angeblich im Auftrag eines indischen Regierungsbeamten ermordet werden sollen. (Foto: Ted Shaffrey/AP)

Versucht die indische Regierung, in den USA und Kanada Sikh-Separatisten umzubringen? Diesen Verdacht hat die US-Staatsanwaltschaft in New York.

Von David Pfeifer, Bangkok

Das Ganze liest sich wie ein Plot aus einem Spionage-Thriller: US-Ermittler haben wohl einen Anschlag des indischen Geheimdienstes auf einen Sikh-Separatisten in Amerika vereitelt. Mit vorgetäuschter Geldübergabe und versteckter Kamera wurde der Auftraggeber überführt. Ein "offizieller indischer Regierungsbeamter" hätte den Anschlag eigentlich in Auftrag gegeben, gab das US-Justizministerium am Mittwoch bekannt. Das potenzielle Opfer, der Anwalt Gurpatwant Singh Pannun, ist nicht nur ein aus Indien eingewanderter Sikh, sondern auch US-Bürger. Und das macht die Angelegenheit diplomatisch überaus heikel.

Die Staatsanwaltschaft in New York hat in dem Fall nun Anklage gegen den Inder Nikhil Gupta, 52, erhoben. Dieser habe mit dem nicht näher benannten offiziellen indischen Regierungsbeamten, der für den Sicherheits- und Nachrichtendienst arbeite, an einem Komplott zur Ermordung Pannuns gearbeitet. Gupta hatte dem indischen Beamten erzählt, er habe Kontakte in die Drogen- und Waffenhandelsszene, so die Staatsanwaltschaft. Dann hatte er sich auf die Suche nach einem Killer gemacht - traf aber auf einen verdeckten US-Ermittler.

Gupta, der laut der Nachrichtenagentur Reuters bereits im Juni in Tschechien verhaftet wurde und auf seine Auslieferung wartet, ist nun beschuldigt, den Anschlag geplant zu haben. "Genau hier in New York. Auf einen amerikanischen Bürger indischer Abstammung, der sich öffentlich für einen unabhängigen Sikh-Staat eingesetzt hat", sagte der oberste Staatsanwalt Damien Williams zu dem Fall.

1984 schlug die indische Regierung die Khalistan-Bewegung mit Härte nieder

Sikhs sind eine religiöse Gruppe mit weltweit etwa 25 Millionen Anhängern, die meisten leben in Indien. Pannun, der in New York lebt, ist einer der vielen Sikh-Exilanten, der sich in der Diaspora für die Gründung eines eigenen Staates namens Khalistan engagiert, im indischen Agrarstaat Punjab. 1984 schlug die indische Regierung die Khalistan-Bewegung mit Härte nieder. Das Militär stürmte den Goldenen Tempel in Amritsar, die heiligste Stätte des Sikhismus. Die indische Premierministerin Indira Gandhi wurde daraufhin von ihren zwei Sikh-Leibwächtern ermordet, was zu weiteren Unruhen führte, bei denen Tausende Sikhs getötet wurden. International gilt die Khalistan-Bewegung als zerschlagen. Aber in Indien wird Gurpatwant Singh Pannun als Terrorist gesucht.

Bereits vergangene Woche wurde angedeutet, dass die US-Behörden eine Warnung an Delhi ausgesprochen hätten. US-Präsident Joe Biden wies CIA-Direktor Bill Burns an, sich mit seinem indischen Amtskollegen in Verbindung zu setzen und nach Indien zu reisen, um die Botschaft zu überbringen, dass "wir solche Aktivitäten nicht tolerieren und dass wir erwarten, dass die Verantwortlichen in vollem Umfang zur Rechenschaft gezogen werden", so ein hoher US-Beamter am Mittwoch gegenüber Reuters.

Die USA und Indien versuchen seit Längerem, ihre Beziehungen zu verbessern

Biden hatte das Thema bereits im September auf dem G-20-Gipfel angesprochen, als er mit Indiens Premierminister Narendra Modi zusammentraf. Der US-Präsident habe "die Ernsthaftigkeit des Problems und die möglichen Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen" betont. Nach dem Gipfel war dann ein diplomatischer Streit zwischen Indien und Kanada ausgebrochen - wegen der Ermordung des Sikh-Separatisten Hardeep Singh Nijjar am 18. Juni vor einem Kulturzentrum in Surrey, British Columbia. Am Tag nach der Ermordung von Nijjar hatte Gupta dem verdeckten US-Ermittler wohl geschrieben, dass Nijjar "auch das Ziel war", so die US-Staatsanwaltschaft.

Das erklärt wiederum, wieso die USA dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau im September beisprangen. Trudeau hatte den Mordverdacht wenige Tage nach dem G-20-Gipfel öffentlich gemacht. Das indische Außenministerium wies seine Vorwürfe als "absurd" zurück, es wurden Diplomaten in beiden Ländern einbestellt und viele auch ausgewiesen. Umso auffälliger ist es nun, wie zurückhaltend dieses Mal die Reaktionen aus Indien ausfallen.

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Das indische Außenministerium erklärte am Mittwoch: "Indien nimmt solche Eingaben ernst, da sie auch unsere nationalen Sicherheitsinteressen berühren." Es wurde zugesichert, "notwendige Folgemaßnahmen" einzuleiten. Indien und die USA versuchen seit einiger Zeit, bessere Beziehungen aufzubauen, um dem gemeinsamen Rivalen China geschlossener begegnen zu können. Kanada ist hingegen nur ein kleiner Handelspartner für Indien.

Adrienne Watson, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus, sagte am Mittwoch, nachdem der Angeklagte "glaubhaft angedeutet" habe, dass er von einem indischen Regierungsbeamten angewiesen worden sei, müsse eine Untersuchung erfolgen. "Die indische Regierung hat uns deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Angelegenheit ernst nimmt."

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