Italien:Meloni willkommen im Weißen Haus

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Termin im Oval Office: Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni im Gespräch mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus. (Foto: Evan Vucci/AP)

Die italienische Ministerpräsidentin wird in Washington überaus freundlich empfangen. US-Präsident Joe Biden honoriert ihre eindeutige Positionierung zugunsten der Ukraine und gegen China.

Von Marc Beise, Rom

Zum ersten Mal seit ihrem Amtsantritt vor fast einem Jahr ist die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen worden - eine Ehre, die anderen ultrarechten Regierungschefs aus Europa verweigert wird. Das Gespräch der beiden im Oval Office war allem Anschein nach sogar von Herzlichkeit geprägt - was ebenfalls nicht selbstverständlich ist, denn der Demokrat Biden hatte Melonis Wahlsieg 2022 sehr kritisch kommentiert. Vor dem Besuch wurde in Politik und Medien an die postfaschistische Tradition der Meloni-Partei Fratelli d'Italia und deren strikt konservative Positionen in der Familien- und Rechtspolitik erinnert.

Meloni, die auch von den Spitzen des US-Kongresses empfangen wurde, machte in Washington keinen Hehl daraus, dass sie politisch mit den Republikanern sympathisiert. Das hindere sie aber nicht daran, eng und vertrauensvoll mit Biden zusammenzuarbeiten. Der sieht das wohl ähnlich und sagte: "Wir sind Freunde geworden." Die US-Regierung schätzt vor allem, dass Meloni in der EU und der Nato fest an der Seite der Ukraine steht. Eine Position, die ihre Regierungspartner nur eingeschränkt teilen; sie lässt sich darin aber seit Amtsantritt nicht beirren.

Die Kritik an Chinas Expansionspolitik verbindet

Auch dass Meloni in der Migrationspolitik von früheren radikalen Forderungen abgerückt ist und sich in Europa um konstruktive Lösungen bemüht, hilft ihr auf internationalem Parkett. In Washington warb sie für ihre Initiative, das Problem der derzeit massiven illegalen Zuwanderung nach Europa durch Verträge mit vor allem afrikanischen Staaten über wirtschaftliche Hilfe zu entschärfen.

Meloni und Biden sind sich auch einig in ihrer Kritik an der chinesischen Expansionspolitik. Entgegen Vermutungen verkündete Meloni in den USA zwar nicht den offiziellen Ausstieg aus Chinas Infrastrukturprojekt "Neue Seidenstraße" ( Belt and Road), sie ließ aber keinen Zweifel daran, dass es dazu bald kommen wird. Italien hat seit 2019 - seit der Links-rechts-Regierung von Giuseppe Conte, der heute die Oppositionspartei Fünf Sterne führt - eine besondere Beziehung zu China, und die USA drängen darauf, dass Rom das beendet. Chinas Projekt zielt mit massiven chinesischen Investitionen auf sehr enge wirtschaftliche Beziehungen zu den beteiligten Ländern. Kein anderes EU-Land hat eine solche formalisierte Beziehung - auch nicht Deutschland, das vor Italien Chinas größter europäischer Handelspartner ist.

Das Abkommen hat eine fünfjährige Probezeit, die dieses Jahr ausläuft, es muss aber aktiv gekündigt werden, sonst verfestigt es sich. Meloni will offensichtlich aussteigen, sucht aber den richtigen Zeitpunkt. Dies auf amerikanischem Boden zu verkünden, wäre nach italienischer Einschätzung eine unnötige Provokation gegenüber Peking gewesen. Biden und Meloni sollen über dieses Thema ausführlich gesprochen haben. Meloni kündigte später an, bald nach China reisen zu wollen. Wie schon zuvor in Brüssel hat sie in Washington sondiert, ob und wie die westlichen Länder mögliche wirtschaftliche Nachteile für Italien kompensieren werden.

Meloni steht in Italien vor vielen ungelösten Problemen

Die Außenpolitik bleibt für Italien ein vorrangiges Thema: Anfang 2024 übernimmt es die G-7-Präsidentschaft der wichtigsten westlichen Industriestaaten. Innenpolitisch kämpft Meloni derweil an vielen Fronten. Für die Umsetzung teurer Wahlversprechen etwa in der Sozialpolitik und für Unternehmen fehlt das Geld, die geplante Steuerreform wird heftig diskutiert, die Verbesserung der Verwaltung kommt nicht voran, und die EU hält immer noch Mittel aus dem Corona-Aufbaufonds "Next Generation" zurück, weil sie von einer sinnvollen Verwendung ihrer Gelder nicht überzeugt ist.

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Ausgerechnet zu Melonis Besuch in Washington veröffentlichte der dort ansässige Internationale Währungsfonds (IWF) eine sehr kritische Analyse der wirtschaftlichen Situation Italiens. Obwohl das Land derzeit bessere Wachstumszahlen hat als die meisten anderen europäischen Länder, sieht der IWF viele ungelöste Probleme von der Sozial- bis zur Steuerreform, er vermisst vor allem Maßnahmen gegen die dramatische Überalterung Italiens.

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