Nach dem Nato-Gipfel:Joe Biden macht Wahlkampf im Ausland

Lesezeit: 3 min

US-Präsident Joe Biden posiert für ein Foto am Flughafen von Helsinki. (Foto: ANDREW CABALLERO-REYNOLDS/AFP)

Der US-Präsident ist aus Vilnius nach Helsinki gereist. Sein Vorgänger und Konkurrent Donald Trump sagte am selben Ort noch vor fünf Jahren, er vertraue Wladimir Putin mehr als den US-Geheimdiensten.

Von Matthias Kolb und Alex Rühle, München/Stockholm

Joe Biden ist bestens gelaunt, als er von Sauli Niinistö im Präsidentenpalast in Helsinki begrüßt wird. Beide kennen sich seit Jahren und haben sich gerade erst in Vilnius wiedergesehen - beim ersten Nato-Gipfel, an dem Finnland nach jahrzehntelanger Neutralität als Mitglied teilgenommen hat. Als der finnische Präsident die Idee des Bündnisbeitritts im März 2022 und damit nur wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Weißen Haus vorsichtig erwähnt habe, habe er "nur drei Sekunden gebraucht, um Ja zu sagen", sagt Biden vor laufenden Kameras.

Der US-Präsident lässt keine Zweifel aufkommen: Dass Finnland in weniger als einem Jahr in die Nato aufgenommen wurde, ist vor allem Bidens Verdienst. Sein Besuch in Helsinki ist nicht nur eine Freundschaftsgeste für das 31. Mitglied der transatlantischen Allianz, sondern dient, ähnlich wie die Visite in Großbritannien bei König Charles, der Imagepflege beim heimischen Publikum. Denn für sein Ziel, im November 2024 wiedergewählt zu werden, spielen außenpolitische Erfolge eine zentrale Rolle.

US-Präsident Joe Biden (links) mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö. (Foto: Susan Walsh/AP)

Vor fünf Jahren sagte Trump hier, er vertraue Putin mehr als den eigenen Geheimdiensten

Nach dem Nato-Gipfel hatte der 80-Jährige auf eine Pressekonferenz verzichtet, doch am Flughafen von Vilnius beantwortete er am Mittwochabend einige Fragen. "Wir haben jedes Ziel erreicht, das wir erreichen wollten", sagte Biden und erinnerte daran, dass der Ukrainer Wolodimir Selenskij das Treffen und die zugesagten Hilfen als "wichtigen Erfolg" bezeichnet hatte. Nur wenige hätten geglaubt, dass die Türkei ihr Veto gegen die Aufnahme Schwedens in die Nato aufgeben werde, doch auch dies sei geschehen. Auf die Frage, welche Botschaft das Treffen an Russlands Präsident Wladimir Putin sende, sagte Biden in Vilnius über die Nato-Partner und die Ukraine: "Wir stehen zusammen."

Dass Biden ausgerechnet in Helsinki sagte, er glaube nicht, "dass die Nato jemals stärker gewesen ist", hat womöglich ebenfalls mit dem Wahlkampf zu tun. Denn beim letzten Besuch eines US-Präsidenten in Finnland, der fast auf den Tag genau fünf Jahre zurückliegt, befand sich das Verteidigungsbündnis in einer seiner größten Krisen. Donald Trump hatte zuvor beim Gipfel in Brüssel damit gedroht, dass die USA die Nato verlassen würden, wenn die europäischen Verbündeten und allen voran Deutschland ihre Verteidigungsausgaben nicht deutlich erhöhen würden.

Nach Helsinki reiste Trump damals, um Wladimir Putin zu treffen. Gastgeber des Gipfels war Sauli Niinistö, und nicht nur er wird sich genau erinnern, dass Trump damals vor der Weltpresse erklärte, dem russischen Präsidenten mehr zu vertrauen als den eigenen Geheimdiensten. Schulter an Schulter präsentierten sich die beiden - und Trump unterließ es, den Kremlchef dafür zu kritisieren, dass russische Agenten die US-Wahl 2016 manipuliert hatten.

Auch die Europäer wissen, dass Trump 2025 ins Weiße Haus zurückkehren könnte

Die natürlich mit Absicht gewählte Route für Bidens Europareise soll den Wählerinnen und Wählern in den USA wieder in Erinnerung rufen, wie es damals war, als Trump ihr Land auf der Weltbühne vertrat. Dass der 76-Jährige weiter als aussichtsreichster Kandidat der Republikaner für den Präsidentschaftswahlkampf gilt und 2025 ins Weiße Haus zurückkehren könnte, wissen die Diplomaten und Politiker in Europa ganz genau - und diese Aussicht gefällt den allermeisten nicht. Womöglich erklärt auch dies die dezidiert gute Stimmung, die beim abendlichen Treffen Bidens mit den Regierungschefs aus Finnland, Schweden, Dänemark, Island und Norwegen an den Tag gelegt wurde.

In Wahrheit muss es sich noch weisen, ob Biden mit seiner überaus positiven Bilanz des Nato-Gipfels recht behalten wird. Auch wenn der US-Präsident in Vilnius erklärte, er sei "zuversichtlich", dass die USA die von der Türkei geforderten F-16-Kampfflugzeuge verkaufen werden, so kann er dies nicht ohne den US-Kongress entscheiden.

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In Schweden macht sich derweil Katerstimmung breit. Nachdem der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan auf dem Gipfel in Vilnius so überraschend wie aufmerksamkeitsstrategisch geschickt angekündigt hatte, nun doch "so schnell wie möglich" dem Stockholmer Nato-Antrag zuzustimmen, ließ er am Mittwoch plötzlich wissen, das mit der Ratifizierung könne frühestens im Oktober über die Bühne gehen, schließlich sei das Parlament jetzt erst mal in zweimonatiger Sommerpause.

Viele Kommentatoren weisen darauf hin, dass Erdoğan für solch eine wichtige Abstimmung das Parlament sofort zusammenrufen könnte, wenn er denn wollte. Die Tageszeitung Svenska Dagbladet schreibt, man müsse sich auf Erdoğans Taktik der "chinesischen Wasserfolter" einstellen, also damit rechnen, dass er diesen wichtigen außenpolitischen Trumpf so lange in der Hand behalten werde, bis die USA ihm endlich die erwähnten F-16-Kampfjets liefern. Schweden hat sich in einem sieben Punkte umfassenden Abkommen dazu verpflichtet, den Terrorismus noch entschlossener zu bekämpfen als bisher und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei weiter auszubauen.

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