Vereinigte Staaten:Bidens Billionen-Spritze

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US-Präsident Joe Biden tritt nach seiner Rückkehr von einem Wochenende in Camp David vor die Presse. (Foto: Andrew Harnik/dpa)

Mit ehrgeizigen Investitionen will der US-Präsident ein breites soziales Netz schaffen und das Land modernisieren. Die Mehrheiten hat er im Prinzip, doch ausgerechnet Flügelkämpfe der Demokraten machen ihm das Leben schwer.

Von Hubert Wetzel, Washington

Die Abkürzungen klingen etwas kindisch: BIF und BBB. Aber das, was sich dahinter verbirgt und auf dem Spiel steht, ist es ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Die sechs Buchstaben stehen für zwei Gesetzespakete, die in den kommenden Tagen vom US-Kongress verabschiedet werden sollen. Vom Gelingen dieses Vorhabens hängt wiederum nicht weniger ab als der Erfolg von Joe Bidens gesamter Präsidentschaft.

Zuerst der BIF: Das Kürzel steht für Bipartisan Infrastructure Deal. Gemeint ist damit ein von Biden vorangetriebenes Gesetz, das Ausgaben von 1,2 Billionen Dollar vorsieht - ja, 1200 Milliarden -, um die Infrastruktur der USA zu reparieren und auszubauen. Mit dem Geld sollen Straßen, Brücken und Gleise, Flughäfen, Häfen und Bahnhöfe modernisiert werden, ebenso Strom- und Wassernetze.

Etliche Milliarden Dollar sollen in den Bau von Ladestationen für Elektroautos und schnellen Internetleitungen fließen. Biden verspricht sich von diesem gigantischen Ausgabenschub nicht nur eine Grunderneuerung der zum Teil maroden öffentlichen Infrastruktur in den USA. Er wirbt auch damit, dass die Investitionen dem Klimaschutz dienen und zugleich gut bezahlte Industriearbeitsplätze geschaffen werden.

Steuern auf hohe Einkommen sollen steigen

Eigentlich wäre es für die Demokraten kein Problem, dieses Ausgabenpaket diese Woche durch den Kongress zu bringen. Der Senat hat den BIF bereits im August verabschiedet, mit 69 zu 30 Stimmen. Neben den Demokraten votierten auch 19 Republikaner für das Gesetz, daher der Name: bipartisan bedeutet überparteilich.

Jetzt wäre das Repräsentantenhaus dran, in dem die Demokraten eine knappe Mehrheit haben. Stimmten sie geschlossen für den BIF, könnte Biden das Gesetz am nächsten Tag unterschreiben. Zunächst war die Abstimmung über den BIF für diesen Dienstag geplant, dann wurde sie auf Donnerstag verschoben. Vermutlich wird sie stattfinden, doch wie sie ausgehen wird, ist offen.

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Das wiederum hat mit dem zweiten Gesetz zu tun, dem BBB. Diese Abkürzung steht für Build Back Better Agenda. Dahinter verbirgt sich ein ebenso teures wie ehrgeiziges Paket: Biden will in den kommenden zehn Jahren 3,5 Billionen Dollar in die Hand nehmen - ja, 3500 Milliarden -, um in den USA so etwas wie ein modernes soziales Netz nach europäischem Vorbild zu schaffen, das nicht nur die Ärmsten auffängt, sondern auch Millionen Familien in der Mittelschicht stützt.

Durch den BBB soll zum Beispiel ein Kindergeld eingerichtet werden, zudem soll der Staat Kindergartenplätze finanzieren. Junge Erwachsene sollen zwei Jahre kostenlos auf kommunale Colleges gehen können, für Senioren sind neue Krankenversicherungsleistungen geplant. Zur Finanzierung will Biden die Unternehmensteuern sowie die Steuern auf hohe Einkommen, auch aus Aktienbesitz, anheben.

Umfragewerte sinken wegen des Afghanistan-Debakels

Unterm Strich liefe der BBB auf eine Art Sozialdemokratisierung der USA hinaus. Und genau das will Biden. Für ihn sind diese beiden Gesetze essenziell wichtig. Amerika nach der Pandemie zu einem Land zu machen, das solche Schocks abfedern kann, die Gesellschaft so zu stärken, dass sie autoritären Trends widerstehen kann, den Bürgern zu zeigen, dass die Demokratie Jobs, Sicherheit und Würde liefert - das ist der Kern von Bidens Präsidentschaft.

Derzeit sinken Bidens Umfragewerte wegen des Afghanistan-Debakels und dem Wiederaufflammen der Covid-Pandemie. Sollten BIF und BBB scheitern, könnte das den Präsidenten irreparabel beschädigen und mit ihm die Demokraten, die 2022 ohnehin hart um ihre Kongressmehrheiten werden kämpfen müssen.

Dass die Republikaner bei Bidens Build-Back-Better-Plan nicht mitmachen wollen, ist keine Überraschung. Schließlich warnen sie die Wähler immer davor, dass die Demokraten höhere Steuern und mehr Sozialausgaben wollen. Aber theoretisch bräuchten die Demokraten die Republikaner nicht. Bidens Partei hat eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, im Senat halten die Demokraten 50 der 100 Sitze. Mit der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris hätten sie 51 und könnten den BBB jederzeit verabschieden. Die Demokraten haben sogar durch einen als Reconciliation bekannten Verfahrenstrick ausgeschlossen, dass die Republikaner den BBB mittels einer Dauerdebatte, einem sogenannten Filibuster, stoppen können.

Dass der BIF trotzdem im Repräsentantenhaus, der BBB im Senat festhängt, hat mehr mit den innerdemokratischen Flügelkämpfen zwischen Linken und Zentristen zu tun als mit republikanischen Blockademöglichkeiten. Kurz gesagt ist die Frontstellung so: Die Linksliberalen, ein nennenswerter Teil der demokratischen Fraktion im House, lieben den sozialreformerischen BBB. Sie wollen nur dann im Repräsentantenhaus für den eher technischen BIF stimmen, wenn gleichzeitig der BBB durch den Senat geht; oder wenn es dort zumindest eine verbindliche Einigung auf ein für sie akzeptables Paket gibt.

Im Senat aber sperren sich zwei konservative Demokraten: Senator Joe Manchin aus West Virginia und Senatorin Kyrsten Sinema aus Arizona. Ihnen ist das Preisschild von 3,5 Billionen Dollar zu groß, zudem wollen sie keine Steuern erhöhen.

Das Ergebnis ist ein Patt. Linke wie zentristische Demokraten sind stur, beide Seiten riskieren lieber, den eigenen Präsidenten und die Partei Schiffbruch erleiden zu lassen, als nachzugeben - eine frustrierende Lage für Biden. Und von den Republikanern wird niemand überlaufen, um Bidens Agenda zu retten, das muss er schon selbst machen. Wie sich diese festgefahrene Situation aufbrechen lässt, ist unklar. Klar ist nur, dass Biden eine interessante Woche und viel Arbeit vor sich hat.

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