USA:Bidens Freund im Senat

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Mächtiger Mann in Washington: Mitch McConnell ist Mehrheitsführer der Republikaner im Senat. (Foto: AP)

Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, hat sich viel Zeit gelassen, um den Wahlsieg Joe Bidens anzuerkennen. Die Demokraten sind erleichtert, denn vom Verhältnis der beiden 78-Jährigen wird vieles abhängen.

Von Alan Cassidy, Washington

Mitch McConnell hatte sich Zeit gelassen, viel Zeit - 38 lange Tage. Erst, nachdem das Electoral College Joe Biden als Sieger der Präsidentschaftswahl bestätigte, erst, nachdem sogar Wladimir Putin Glückwünsche an Biden gerichtet hatte, rang sich McConnell am Dienstag dazu durch, Biden öffentlich als neuen US-Präsidenten anzuerkennen und ihm zu gratulieren.

Der republikanische Mehrheitsführer des Senats tat dies mit einigen knappen Sätzen im Senat, und obwohl er nur aussprach, was ohnehin längst feststand, löste er mit seiner Stellungnahme einiges aus - sowohl im republikanischen Lager wie auch im demokratischen.

"Es ist zu früh, um aufzugeben", findet der Noch-Präsident

Bei den Republikanern zeichnete sich ab, dass sich das Verhältnis zwischen McConnell und Donald Trump eintrüben würde. Der scheidende Präsident verbreitete auf Twitter einen Artikel, in dem einige seiner Verbündeten McConnell in harschen Worten kritisierten. "Es ist zu früh, um aufzugeben", fügte Trump an die Adresse McConnells hinzu.

Der Mehrheitsführer hatte Trumps haltlose Behauptungen über einen massiven Wahlbetrug zwar nie wiederholt, doch er hatte auch nichts dafür getan, um sie abzuklemmen - bis jetzt. Nach Medienberichten hat McConnell seine Fraktion aufgefordert, keine Hand zu bieten für einen letzten und aussichtslosen Versuch Trumps, das Wahlergebnis am 6. Januar noch vor dem Kongress zu bestreiten.

Trumps Unmut über McConnell wird das noch verstärken. Es ist ein Vorgeschmack darauf, was den Republikanern in den kommenden Monaten und Jahren blüht: Ein Machtkampf, bei dem sich zeigen wird, wie weit der Einfluss Trumps auf die Partei reicht, wenn er das Weiße Haus verlassen hat. Was Biden und die Demokraten angeht, so nahmen sie McConnells Gratulation mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis. Sie wünschte sich, McConnell hätte dies früher getan, sagte die designierte Vizepräsidentin Kamala Harris in einem Interview. Nun sei aber Zeit, nach vorne zu blicken.

Ein erstes Telefonat

Biden selbst telefonierte am Dienstag mit McConnell, offenbar das erste Mal seit seiner Wahl. "Es gibt Dinge, bei denen wir zusammenarbeiten können", sagte der designierte Präsident im Anschluss. Er freue sich auf diese Zusammenarbeit. Von der Beziehung der beiden 78-Jährigen wird abhängen, ob es Biden in den kommenden vier Jahren gelingt, größere Vorhaben durch den Kongress zu bringen.

McConnell wird Mehrheitsführer im Senat bleiben, wenn es den Demokraten bei der bevorstehenden Nachwahl in Georgia nicht gelingt, gleich zwei Sitze der Republikaner zu erobern. Die Männer verbindet nach eigenen Angaben eine Freundschaft. McConnell nannte Biden einmal "einen echten Freund und Partner, dem ich vertraue". Er war auch der einzige republikanische Senator, der 2015 an der Trauerfeier für Bidens verstorbenen Sohn Beau teilnahm.

Biden sprach im Wahlkampf oft über seine Hoffnung, dass die Republikaner zu Kompromissen bereit sein würden, wenn Trump erst einmal von der Bühne abgetreten sei. "The fever will break", nannte Biden das jeweils - das Fieber, das die Republikaner erfasst habe, werde sich wieder legen. Ähnlich klang der Demokrat auch in den vergangenen Tagen wieder. Er habe mit einer Handvoll Senatoren der Gegenseite telefoniert, die ihm ihre Kooperation in Aussicht gestellt hätten, sagte er diese Woche zu Unterstützern.

Bidens Kritiker finden: Sein Bild vom Senat ist überholt

Biden denkt dabei an Themen wie einen Ausbau der Infrastruktur, die politisch nicht ganz so umstritten sind. Viele Demokraten halten diese Hoffnung für naiv. Biden habe ein überholtes Bild des Senats, sagen seine Kritiker. Die Kammer entspreche nicht mehr dem, was er seinerzeit während seinen mehr als 30 Jahren als Senator erlebt habe.

Biden habe verdrängt, dass McConnell während der Amtszeit Barack Obamas alles blockiert habe, was in den Senat gelangt sei - von Richtern, deren Bestätigung er verhinderte, bis zu Gesetzen, die er blockierte. Bidens Leute kontern, dass dieser es als Obamas Vizepräsident durchaus geschafft habe, mit McConnell einige Deals auszuhandeln.

Er werde seine Worte vielleicht noch bereuen, sagte Biden diese Woche. "Doch wenn Trumps Schatten verblasst, werden wir einen echten Wandel sehen."

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