1354 Tage sind es bis zur nächsten Präsidentschaftswahl, doch Donald Trump hat am Samstag nahe Orlando bereits den Wahlkampf eröffnet: Vor 9000 Anhängern hielt der US-Präsident auf einem Flughafen-Hangar seine erste Kundgebung seit seinem Amtsantritt vor 29 Tagen ab.
"Das Leben ist eine Kampagne. Amerika großartig machen ist eine Kampagne", erklärte Trump Reportern auf die Frage, ob es nicht etwas zu früh dafür sei.
In der Regel erklären amtierende Präsidenten erst im Jahr vor den Wahlen, ob sie nochmal antreten wollen. Der 70-Jährige hatte jedoch bereits am Tag seiner Vereidigung die Kandidatur für 2020 eingereicht. Dies erlaubt seinem Wahlkampf-Team, Spenden zu sammeln und ihm selbst anlasslose Auftritte vor einem ihm wohlgesinnten Publikum - in diesem Fall praktischerweise nur einen kurzen Flug von Trumps Winter-Residenz Mar-A-Lago entfernt, wo der US-Präsident gerade das dritte Wochenende in Folge verbringt.
Die Ansetzung von Kundgebungen kommt nicht überraschend: Trump hatte seinen Beratern bereits kurz nach dem Wahlsieg signalisiert, auf Jubel und Nähe seiner Anhänger auch nach dem Einzug ins Weißen Haus nicht verzichten zu wollen. Schon im Dezember hatte er eine "Siegestour" absolviert.
"Ihre Agenda ist nicht eure Agenda"
Für Trump geht es allerdings nach vier Wochen im Amt um mehr: Der 45. Präsident hatte einen ruppigen Einstand, Fragen über die emotionale Eignung für das Amt kursieren. Kontroversen wie der gekippte Einreisestopp oder der Rücktritt von Sicherheitsberater Michael Flynn werfen Schatten auf Trumps Erzählung vom "Gewinnen, gewinnen, gewinnen"; dazu lassen Indiskretionen das Weiße Haus wie eine Hochburg byzantinischer Palastintrigen erscheinen.
Wie bereits in seiner Pressekonferenz am Donnerstag will der 70-Jährige deshalb wieder selbst zum Botschafter seiner Politik werden. Genauer gesagt: Er beansprucht die Deutungshoheit über die Realität.
"Ich will zu euch ohne die Filter der 'Fake News' sprechen", kündigt der US-Präsident in seiner Rede an, bekannt kämpferisch-ärgerlich im Ton. "Sie sind ein Teil des Problems. Viele der größten Präsidenten kämpften mit den Medien. (...) Ihre Agenda ist nicht eure Agenda." Am Freitag hatte er verschiedene Fernsehsender und Zeitungen via Twitter als "Feinde des amerikanischen Volkes" bezeichnet, nun folgt eine wenig verhohlene Kriegserklärung: "Wenn die Medien die Menschen belügen, werde ich sie nicht davonkommen lassen. Ich werde tun was ich kann, damit sie nicht davonkommen."
Lügen, das haben die ersten vier Wochen klar gemacht, sind für Trump unliebsame Fakten, Kritik und schlechte Presse. Die Regierungsgeschäfte liefen "soooo reibungslos", behauptet er (selbst mancher Anhänger hinter ihm muss grinsen): illegal eingewanderte Drogendealer würden außer Landes gebracht, neue Arbeitsplätze geschaffen und überhaupt darauf geachtet, dass alles auf amerikanische Art erledigt werde.
Es sind aktualisierte Versatzstücke aus den Wahlkampf-Reden in einem permanenten Wahlkampf, den der US-Präsident nun offensichtlich ausgerufen hat: Das Feindbild Hillary Clinton hat er durch das Feindbild "die Medien" ersetzt, vom Trump-Lager längst als "Opposition" bezeichnet.
Kleinere Neuigkeiten aus der 45-minütigen Ansprache: First Lady Melania hat ihren ersten Rede-Auftritt und spricht das Vaterunser; zum Verdruss der Personenschützer darf ein Anhänger zum Präsidenten auf die Bühne, der Trump zuvor im TV-Interview gelobt hatte. Der US-Präsident spricht im Zusammenhang mit Terrorismus von einem Vorfall in Schweden am Freitag ("Schweden! Wer hätte das gedacht!"), der allerdings niemals stattfand - offenbar hatte Trump am Freitagabend einen Fox-News-Beitrag über schwedische Flüchtlinge gesehen und falsch verstanden. Die Nato bezeichnet er nicht mehr als "obsolet", sondern sich selbst als "Nato-Fan" - um dann einzuschränken: "aber viele Länder, die wir schützen, bezahlen ihre Rechnungen nicht. Sie müssen uns helfen."
Es geht um die Basis, sonst nichts
Der Jubel seiner Anhänger, mehr aber noch Umfragewerte von um die 80 Prozent unter Republikanern deuten darauf hin, dass Trump weiterhin patriotische Immunität genießt: In Washington mag er wie einst der skandalträchtige Richard Nixon im Endstadium wirken, bei der Basis in Florida ist er weiterhin Volkstribun und Groß-Aufräumer.
Diese Zustimmung hilft dem Präsidenten auch dabei, den Druck auf die Republikaner im Kongress aufrechtzuerhalten, trotz aller Kontroversen weiterhin loyal oder zumindest ruhig zu bleiben. Unter registrierten Wählern liegt seine Zustimmungsrate zwischen 42 und 49 Prozent: das ist äußerst wenig für eine so frühe Phase der Amtszeit, aber trotz aller Warnsignale über Trump'sche Neigungen zum Autoritarismus bei ausreichender Basis-Mobilisierung kein politischer Pflegefall.
Dass es ihm um diese Basis seiner Anhängerschaft geht und sonst niemanden, daraus macht der Republikaner keinen Hehl. Wie bereits zuvor verzichtete er auf eine Botschaft von Versöhnung, Mäßigung oder zumindest Kompromissbereitschaft.
"Ich will in einem Raum mit hart arbeitenden amerikanischen Patrioten sein, die ihr Land lieben, ihrer Flagge salutieren und für eine bessere Zukunft beten", verkündete Trump unter großem Jubel. Währenddessen protestierten am Rand des Geländes Hunderte Gegner gegen Trump und seine Politik. Der US-Präsident wird die kommenden 1354 Tage versuchen, sie nicht in die von ihm entworfene Realität eindringen zu lassen.