Ukraine:"Taurus", ja oder nein?

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Wegen der hohen Reichweite könnte die Ukraine mit dem "Taurus" russisches Territorium attackieren. (Foto: picture alliance / abaca)

Seit Monaten wird diskutiert, ob die Bundesregierung der Ukraine den Marschflugkörper liefern soll. Die USA üben keinen Druck aus, betont der Kanzler. Die Opposition umso mehr.

Von Daniel Brössler, Berlin

Aus Telefonaten des Bundeskanzlers mit anderen Staatsführern berichtet Regierungssprecher Steffen Hebestreit normalerweise keine Einzelheiten. Eine will er am Mittwoch dann aber doch offenbaren: Die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine sei nicht Thema des Gesprächs mit US-Präsident Joe Biden am Dienstag gewesen.

Olaf Scholz steht wegen seiner Weigerung, der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland diese effektive Waffe zur Verfügung zu stellen, in der Kritik seitens der Opposition - aber offenbar nicht unter Druck vonseiten der USA. "Präsident Biden und ich sind uns einig", verkündete Scholz über den Kurznachrichtendienst X, "wir wollen die Ukraine weiter finanziell, humanitär und militärisch unterstützen."

Im Mittelpunkt des Gesprächs standen demnach Geldsorgen. Biden hat es immer noch mit der Blockade von Milliardenhilfen für die Ukraine und Israel im US-Kongress zu tun. Vor Scholz steht ein EU-Gipfel, auf dem die im Dezember aufgeschobene Entscheidung über ein 50-Milliarden-Euro-Paket für die Ukraine endlich getroffen werden soll. Anfang Februar soll nun die Blockade des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán überwunden werden. Scholz setzt darauf, dass Orbán seinen Widerstand aufgibt. Notfalls würde aber auch eine Finanzierung ohne Ungarn auf den Weg gebracht werden.

Biden vermeidet öffentliche Kritik an zögerlichen Waffenlieferungen

In ihrem Telefonat sollen sich Präsident und Kanzler jeweils optimistisch gezeigt haben, die Blockaden in Washington und Brüssel auflösen zu können. Präsident und Kanzler hätten ihre "standfeste" Unterstützung für die Ukraine abgestimmt, hieß es aus dem Weißen Haus.

Tatsächlich setzt Biden seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf das Zusammenspiel nicht zuletzt mit Deutschland und Scholz. Öffentliche Kritik etwa an zögerlichen Waffenlieferungen vermied er, stattdessen lobte er die finanzielle und militärische Unterstützung durch Deutschland. Scholz wiederum betont deutlich stärker als etwa der französische Präsident Emmanuel Macron den transatlantischen Zusammenhalt und stützt sich stark auf Biden.

So hatte er die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine davon abhängig gemacht, dass auch die USA der Ukraine Kampfpanzer vom Typ Abrams zur Verfügung stellen. Zur Überraschung in Washington hatte sich Biden auf diese Bedingung eingelassen. Auch im Nahost-Krieg betont Scholz den Schulterschluss mit den USA. So unterstützte die Bundesregierung ausdrücklich die militärischen Schläge der USA gegen Stellungen der Huthi-Miliz in Jemen.

Der Kanzler hält unverändert an seiner Ablehnung fest

Wichtig für Biden dürfte nun vor allem sein, ob der Kanzler Erfolg mit seiner Mahnung an die europäischen Partner hat. Scholz hatte kritisiert, dass etliche EU-Staaten zu wenig zur militärischen Stärkung der Ukraine beitragen. Dabei nannte er zwar keine einzelnen Staaten. In den Statistiken rangieren aber etwa Frankreich und Italien weit hinten.

Nach den Vorstellungen von Scholz sollen die EU-Staaten bis zum EU-Gipfel Anfang Februar ihre Pläne vorlegen. Deutschland werde 2024 die Ukraine mit mehr als sieben Milliarden Euro durch militärische Güter unterstützen, betonte Scholz. Sein Ziel ist es, durch mehr europäische Hilfe Kritik in Washington an einer ungerechten Lastenteilung abzufedern - und wohl auch für eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus vorzubauen.

Unverändert ist offenbar die Haltung von Scholz zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Wegen ihrer hohen Reichweite wäre die Ukraine zumindest theoretisch in der Lage, sie für Angriffe auf russisches Territorium zu nutzen. Obwohl auch Großbritannien und Frankreich der Ukraine Marschflugkörper zur Verfügung stellen, hält Scholz an seiner Ablehnung fest - und will auch dem Druck der Opposition nicht nachgeben.

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Auch Politiker von Grünen und FDP befürworten die Lieferung. Am Mittwoch wollte die Unionsfraktion die Abgeordneten der Koalition daher mit einer namentlichen Abstimmung zwingen, Farbe zu bekennen. Die ukrainische Armee kämpfe derzeit ohne Aussicht, die russischen Truppen wirklich zurückzudrängen, begründete das CDU-Chef Friedrich Merz. "Dazu könnten die Taurus-Marschflugkörper einen Beitrag leisten, insbesondere durch die Zerstörung der Landverbindung von der Krim auf das russische Festland", sagte er. Allerdings kam die Union nur auf 178 Stimmen. Die Ampelparteien stimmten gegen den Antrag - einige Abgeordnete, die eigentlich für eine Lieferung der Marschflugkörper sind, gaben entsprechende persönliche Erklärungen ab.

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