Türkei:Erstes Treffen der Außenminister Russlands und der Ukraine

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"Niemand hat erwartet, dass alle Probleme gelöst werden": Das Ministertreffen in Antalya fand in eisiger Atmosphäre statt. (Foto: TURKISH FOREIGN MINISTRY/REUTERS)

Sergej Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba sprechen im türkischen Antalya miteinander. Die Stimmung dürfte eisig sein.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Die Außenminister der Kriegsparteien Russland und Ukraine sprechen erstmals miteinander. Bei einem alljährlichen Diplomaten-Treffen im türkischen Urlaubsort Antalya haben sich der Russe Sergej Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba am Rande eines internationalen Forums unter Vermittlung des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu getroffen.

Sie wollen über humanitäre Fragen und über mögliche Lösungen des Konflikts sprechen. Die Stimmung dürfte aber eisig sein: Kuleba sagte im Vorfeld, er wolle Lawrow als einen der "Mitorganisatoren des Angriffskriegs" gegen sein Land begrüßen und sehen, ob der Russe wirklich an Lösungen interessiert sei.

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Recep Tayyip Erdoğan pflegt Kontakte sowohl zu Kiew als auch Moskau und bringt sich für mögliche Verhandlungen ins Spiel. Doch auch sein Verhältnis zu Putin ist kompliziert und belastet.

Von Tomas Avenarius

Die Aussichten auf einen Durchbruch sind minimal. Dass hohe Regierungsvertreter der Kriegsparteien zum ersten Mal seit Beginn der russischen Invasion vor zwei Wochen überhaupt an einen Tisch kommen, muss allein schon als Erfolg betrachtet werden. Laut der türkischen Tageszeitung Milliyet sagte Çavuşoğlu, dies zeige, dass sowohl die Ukraine als auch Russland "bereit sind, über die wichtigen Fragen zu sprechen". Er hoffe, dass das Treffen zu einer Feuerpause und Frieden führen werde - er sei da optimistisch.

Da die Türkei gute Beziehungen sowohl zu Moskau als auch zu Kiew unterhält, hatte sich Ankara wiederholt als Vermittler angeboten. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat mehrfach sowohl mit Präsident Wladimir Putin als auch mit dessen ukrainischem Amtskollegen Wolodimir Selenskij telefoniert, Putin und Erdoğan sprachen zuletzt am vergangenen Sonntag. Erdoğan wollte am Donnerstag in Ankara auch mit Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew zusammenkommen, dem möglicherweise ebenfalls eine kleinere vermittelnde Funktion zufallen könnte.

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Die diplomatische Ausgangslage ist komplett festgefahren

Ankara hat sich immer klar gegen den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ausgesprochen und dann auch die für Russlands Militär wichtigen türkischen Wasserstraßen Bosporus und Dardanellen für Kriegsschiffe aller Nationen geschlossen. Erdoğan hat sich allerdings den umfassenden westlichen Sanktionen gegen Moskau nicht angeschlossen, seinen Luftraum offen gehalten und betont, man dürfe keine "Hexenjagd" gegen das russische Volk beginnen.

Die diplomatische Ausgangslage zwischen den Kriegsparteien ist komplett festgefahren. Als Bedingung für eine Einstellung der Gefechte fordert Moskau, dass sich die Ukraine in ihrer Verfassung für neutral erklärt und jeden Beitritt zu Nato oder EU ausschließt. Zudem müsse Kiew die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Staatsgebiet sowie die ostukrainischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängige "Volksrepubliken" anerkennen.

Die Ukraine lehnt das zwar in weiten Teilen ab, Präsident Selenskij hat sich aber dennoch gesprächsbereit gezeigt. Er zeigte sogar eine gewisse Kompromissbereitschaft in den Fragen der abtrünnigen "Volksrepubliken". Selbst in der Frage der von Moskau 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel Krim deutete der Staatschef Verhandlungsbereitschaft an. Vor allem die Krim-Frage ist eigentlich eine No-go-Area für jeden ukrainischen Staatschef.

Der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), Rafael Grossi, wollte laut dpa ebenfalls nach Antalya reisen. Eine Reihe von militärischen Zwischenfällen in verschiedenen ukrainischen Atomanlagen hat große Sorgen um die Sicherheit der insgesamt sechs Meiler im AKW Saporischschja und der Atomruine Tschernobyl ausgelöst. Deshalb will Grossi wohl Verhandlungen zwischen ukrainischen und russischen Vertretern über Sicherheitsgarantien für AKWs und andere Einrichtungen mit Atommaterial vorschlagen, um einen schweren Atomunfall zu vermeiden. Ob Grossi mit den Chefdiplomaten der Kriegsparteien spricht, war unklar.

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