Ukraine-Treffen in Ramstein:"Die kommenden Monate werden hart, sehr hart"

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Der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin (l.) mit seinem neuen ukrainischen Amtskollegen Rustem Umjerow auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein. (Foto: Ritzau Scanpix/Reuters)

Die westlichen Partner wollen die Ukraine weiter unterstützen. Aus Deutschland kommt ein Winterpaket im Wert von 400 Millionen Euro - aber keine "Taurus"-Marschflugkörper.

Von Matthias Kolb

Es ist bereits das fünfte Mal, dass US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zu einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf den amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz einlädt, aber eine Sache ist anders. Denn neben Austin saß dieses Mal nicht der Ukrainer Oleksij Resnikow, sondern Rustem Umjerow, der neue Verteidigungsminister des kriegsgeplagten Landes. Dass Austin in seiner Eröffnungsrede Resnikow für dessen "harte Arbeit und persönlichen Einsatz" für die Freiheit der Ukraine dankte, zeigt erneut, dass der geschasste Minister im Ausland mehr Ansehen und Vertrauen genoss als beim ukrainischen Präsident Wolodimir Selenskij.

Schon am Morgen hatten sich Umjerow und Austin persönlich getroffen und vor den Verteidigungsministern und hochrangigen Militärs aus etwa 50 Ländern machte der Pentagon-Chef klar, dass die USA auch mit dem neuen Mann in Kiew eng kooperieren werden. Austin kündigt an, dass die im Winter zugesagten 31 Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams schon "bald" in die Ukraine geliefert werden sollen. Zudem sind die USA bereit, auf ihren Stützpunkten ukrainische Piloten an Kampffliegern vom Typ F-16 auszubilden.

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Das Getreide könne über spezielle Korridore dorthin gebracht werden, wo es wirklich benötigt werde. Einem General zufolge sind die ukrainischen Truppen beim Dorf Werbowe im Bezirk Saporischschja hinter eine wichtige russische Verteidigungslinie gekommen.

Laut Austin macht die ukrainische Gegenoffensive konstante Fortschritte

Austin forderte die versammelten Staaten erneut auf, die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen. Das Land müsse nicht nur in die Lage versetzt werden, um den laufenden Krieg zu gewinnen, sondern Russland auch von künftigen Angriffen abschrecken zu können. Besonders dringend seien aktuell Investitionen in die Luftverteidigung. Austin forderte die Verbündeten und Partner auf, der Ukraine so viel Munition für die Luftverteidigung wie möglich zu spenden - und auch ihre Bestände an 155-Millimeter-Granaten sowie Abfangjägern zu überprüfen, "um sicherzustellen, dass wir alle alles in unserer Macht Stehende tun, um die Ukraine auf den bevorstehenden Winter vorzubereiten".

Scharf kritisierte er Russlands Präsidenten Wladimir Putin, den er einen Diktator nannte. Putin sei dafür verantwortlich, dass in den vergangenen Monaten "mindestens 280 000 Tonnen Getreide" zerstört worden seien - von dieser Menge könnten sich 10,5 Millionen Menschen ein Jahr lang ernähren. Laut Austin macht die ukrainische Gegenoffensive konstante Fortschritte. Während man hier in Rheinland-Pfalz zusammensitze, durchbrechen "die tapferen ukrainischen Soldaten die schwer gesicherten Linien von Russlands Aggressionsarmee".

Wie üblich bei den alle paar Wochen stattfindenden Treffen im "Ramstein-Format" nannten viele Länder Details für die weitere Unterstützung. So wird Dänemark 30 Panzer vom Typ Leopard 1 und 15 modernisierte T-72 -Panzer liefern, während Estland und Luxemburg der Ukraine bei der Abwehr von Cyberangriffen helfen wollen. Bereits am Montag hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius über die Bild -Zeitung mitgeteilt, dass Deutschland ein Hilfspaket im Gesamtvolumen von 400 Millionen Euro bereitstellt. "Wir liefern zusätzliche Munition: Sprengmunition, Mörsermunition, Minenraketen", sagte der SPD-Politiker, der wegen einer Coronavirus-Infektion nicht nach Ramstein reisen konnte.

Dort vertrat ihn die Parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller, die anschließend mitteilte, dass die von der Ukraine geforderten Taurus-Marschflugkörper aus Deutschland kein Thema in der Sitzung gewesen seien. Pistorius hat schon im Bild-Interview erklärt: "Ob die Bundesregierung Taurus-Marschflugkörper schickt, hat sie noch nicht entschieden." Möller betonte, dass Deutschland weiter fest an der Seite der Ukraine stehe, solange dies nötig sei. Auch sie sagte mit Blick auf das Kriegsgeschehen: "Die kommenden Monate werden hart, sehr hart." Angesichts des nahenden Winters schickt Deutschland laut Pistorius neben entsprechender Kleidung auch "Strom- und Wärmeerzeuger".

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Die Ramstein-Treffen gelten als besonders hilfreich, weil die Ukrainer hinter verschlossenen Türen berichten können, was sie benötigen und wo es Nachschubprobleme gibt. Die Partner versuchen dann, die Lieferungen bestmöglich zu koordinieren. Wie kompliziert die westliche Militärhilfe ist, verdeutlicht ein aktueller Bericht des Spiegels. Demnach gibt es bei der Lieferung von deutschen Panzern des Typs Leopard 1A5 an die Ukraine erhebliche Probleme. Dem Magazin zufolge verweigerte Kiew jüngst die Überführung von zehn dieser Panzer, weil es sowohl an Ersatzteilen als auch an geschulten Technikern mangele - und deshalb ergebe eine Verlegung keinen Sinn. Das Verteidigungsministerium teilte dem Spiegel mit, "zum konkret nachgefragten Einzelfall" nichts mitteilen zu können.

Die Premiere des Ukrainers Umjerow, der zahlreiche Kennenlerngespräche führte, war nicht die einzige besondere Personalie bei dieser 15. Sitzung des Ramstein-Formats. Weil er Ende September als Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte der USA abtritt, nahm der Vier-Sterne-General Mark Milley zum letzten Mal an der Konferenz teil. Seit dem Beginn von Russlands Invasion im Februar 2022 hatte Milley den Kontakt zu den Oberbefehlshabern in Kiew gehalten und sowohl vor Kameras als auch hinter den Kulissen für umfassende Militärhilfe für die Ukraine geworben. Er ist überzeugt, dass die Ukraine letztlich siegen werde: "Das Licht triumphiert immer über die Dunkelheit."

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