Krieg in der Ukraine:Ukraine bekommt Munition aus Deutschland

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Zu Besuch im Deutschen Panzermuseum. Ausgestellt sind zahlreiche Panzer aus Geschichte und Gegenwart. Abgebildet: Ein Flugabwehrpanzer Gepard. (Foto: Friedrich Bungert/SZ)

Laut Verteidigungsministerium fertigt Rheinmetall 300 000 Geschosse, geliefert werden sie erst von Juli an. Auf Kampfjets und schwere Kampfpanzer aus anderen europäischen Ländern muss Kiew weiter warten.

Von Georg Ismar, Mike Szymanski und Hubert Wetzel, Berlin/Brüssel

Mehr als eine Viertelmillion Schuss Munition hat Boris Pistorius mitgebracht - bildlich gesprochen. Noch bevor sich am Dienstag in Brüssel die Vertreter jener Staaten trafen, welche die Ukraine mit Waffen und anderem Militärmaterial unterstützen, gab der deutsche Verteidigungsminister bekannt, dass zumindest der Munitionsnachschub für den Flugabwehrpanzer Gepard geregelt sei. Mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall sei nach wochenlangen Verhandlungen nun vertraglich vereinbart worden, neue 35-Millimeter-Geschosse für den Flakpanzer zu fertigen. "Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Verträge unterschrieben sind", sagte Pistorius.

Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, soll es um 300 000 Schuss gehen, die in Deutschland hergestellt und von Juli an in die Ukraine geliefert werden sollen. Pistorius nahm in Brüssel zuerst an einer Zusammenkunft der Ukraine-Unterstützerländer teil - der sogenannten Ramstein-Gruppe -, danach an einem regulären Treffen der Nato-Verteidigungsminister.

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Ein Jahr nach der berühmten Rede des Kanzlers bemängelt die Opposition eine Kluft zwischen Ankündigungen und Ergebnissen. In der Panzerdebatte widerspricht die Bundesregierung einer US-Darstellung.

Die Ukraine braucht die Gepard-Munition dringend. Denn die Bundesregierung hat dem Land zwar 37 Flakpanzer (Flugabwehrkanonenpanzer) zugesagt, die letzten Exemplare werden in diesen Tagen ausgeliefert. Doch bei der Versorgung mit Geschossen gab es Probleme: Die Munition wurde bisher größtenteils in der Schweiz produziert. Diese jedoch verweigerte wegen ihrer Neutralität, dass dort hergestellte Munition an die Ukraine weitergegeben werden darf. Die ukrainische Armee musste daher mit lediglich 60 000 Schuss aus anderen Beständen auskommen. Nach SZ-Informationen waren davon bis Januar bereits gut 30 000 verbraucht.

Durch den von Pistorius angekündigten Nachschub entspannt sich die Lage etwas. Allerdings ist ungewiss, ob der Vorrat bis zu den geplanten Lieferungen aus der neuen Rheinmetall-Produktion reichen wird. Der Flakpanzer Gepard leistet nach Angaben des Ministers "herausragende Dienste" beim Abschuss von Drohnen, mit denen die russische Armee Städte und die Infrastruktur in der Ukraine angreift.

Bei den Ministertreffen in Brüssel ging es auch um die Unterstützung der Ukraine mit anderen Waffen - und da sieht es weniger gut aus für Kiew. So kommt die angekündigte Lieferung schwerer Kampfpanzer des Typs Leopard 2A6 durch europäische Staaten offenbar kaum voran. Es sehe "nicht ganz so berauschend aus - um es vorsichtig zu formulieren", sagte Pistorius. Bisher haben nur Deutschland und Portugal fest zugesagt, der Ukraine 14 respektive drei dieser Panzer zu übergeben. Hinzu sollen 14 Leopard-2-Panzer des älteren Typs A4 aus Polen kommen. Norwegen will acht Leos beisteuern. Ursprüngliches Ziel war es, der Ukraine etwa 60 Leopard-2-Panzer zu liefern.

Ebenso wenig zeichnet sich derzeit ab, dass Nato-Staaten bereit sind, der Ukraine in naher Zukunft Kampfjets zu liefern. Das hatte der ukrainische Präsident Wolodomir Selenskij vorige Woche bei einem Besuch in Brüssel gefordert. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagte am Dienstag in Helsinki, das sei "keine Debatte, die wir führen". Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg widersprach ihr zwar. "Jetzt wird auch über Flugzeuge diskutiert", sagte er. Doch von der unverbindlichen Diskussion über bis zur tatsächlichen Belieferung mit bestimmten Waffensystemen ist es zuweilen ein weiter Weg, wie Kiew schon mehrmals erfahren musste. In Berlin wird hier vor dem Überschreiten roter Linien gewarnt.

Pistorius sieht im Moment ohnehin andere Prioritäten als Kampfjets. Die Ukraine jetzt mit ausreichend Munition zu versorgen, sei wichtiger, als über Flugzeuge zu reden, bei denen die Ausbildung der Piloten Monate dauere, sagte Pistorius - zumal die russische Armee in der Ukraine ihre Angriffe derzeit wieder verstärke.

"Wir haben ein Problem", räumt Stoltenberg ein

Nach Angaben von Militärfachleuten mangelt es der Ukraine derzeit vor allem an Artilleriemunition, etwa vom Standardkaliber 155 Millimeter. Die Rüstungsfabriken in Europa sind demnach nicht in der Lage, so schnell so viele Geschosse herzustellen, dass es möglich ist, sowohl die Ukraine zu versorgen als auch die weitgehend geleerten Munitionslager der Nato-Länder wieder zu füllen. Im Gegensatz dazu arbeiten die russischen Munitionswerke im Dauerbetrieb. In der Praxis bedeutet das, dass die russischen Truppen in der Ukraine pro Tag etwa 20 000 Artilleriegranaten verschießen können, die ukrainische Armee aber nur 5000 bis 6000. "Wir haben ein Problem", räumte Stoltenberg am Montag ein.

Pistorius sagte, er könne "die Rüstungsindustrie nur sehr herzlich bitten, schnellstmöglich alle Kapazitäten maximal hochzufahren". Ein Jahr nach Kriegsbeginn ist das eine eher hilflos klingende Mahnung. Zumal bei der Nato schon seit Monaten darüber geredet wird, dass im Westen zu wenig Munition hergestellt wird.

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