Krieg in der Ukraine:USA werfen Russland Einsatz chemischer Waffen vor

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Bereits seit Monaten berichten ukrainische Soldaten über Angriffe mit Tränengas und anderen Kampfstoffen. Der Einsatz solcher Waffen verstößt gegen die Genfer Konvention.

Von Nicolas Freund

Um ukrainische Soldaten aus den Schützengräben zu vertreiben, benutzt Russlands Armee offenbar verbotene C-Waffen: Ukrainische Stellung im Donzek-Gebiet. (Foto: Alex Babenko/AP)

Die Vereinigten Staaten haben Russland vorgeworfen, im Krieg in der Ukraine chemische Waffen einzusetzen. Konkret geht es um den Kampfstoff Chlorpikrin sowie verschiedene Reiz- und Tränengase. Die Vorwürfe decken sich mit Aussagen ukrainischer Soldaten, die seit einigen Monaten von einem zunehmenden Einsatz chemischer Waffen durch die russische Armee berichten. Laut den Schilderungen der ukrainischen Armee würde vor allem Tränengas inzwischen "systematisch" eingesetzt, um bei Angriffen die Verteidiger aus Schützengräben zu vertreiben. Das Gas soll dabei mit Granaten, die von Drohnen abgeworfen werden, in den Stellungen verteilt werden. Obwohl der Einsatz chemischer Waffen oft nur schwierig nachzuweisen ist, sind laut ukrainischen Medien bereits Hunderte Fälle dokumentiert.

Bislang waren diese Berichte nicht von unabhängiger Seite bestätigt worden. Laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War haben aber bereits Ende 2023 russische Marineinfanteristen den Einsatz chemischer Waffen im Kampf um das östliche Ufer des Dnjepr bei Cherson angekündigt. Auch die prorussischen Separatisten im Donbass hatten in der Vergangenheit den Einsatz chemischer Waffen gefordert. Und bei der Belagerung der Hafenstadt Mariupol vor zwei Jahren soll die russische Armee unbestätigten Berichten zufolge chemische Waffen eingesetzt haben.

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Es geht auch um Chlorpikrin, das schon im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde

Die Vorwürfe der USA erhärten diese Berichte nun. Sie sind besonders schwerwiegend, da Russland mit dem Einsatz dieser Waffen gegen die Genfer Konvention sowie die Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen verstößt und offiziell seit 2017 über gar keine chemischen Waffen mehr verfügt. Dabei ist gut dokumentiert, dass in Syrien das von Russland unterstützte Regime immer wieder chemische Waffen eingesetzt hat, darunter das tödliche Nervengift Sarin. Auch Anschläge auf russische Oppositionelle wie Alexej Nawalny oder den ehemaligen Agenten Sergeij Skripal sind mit dem Kampfstoff Nowitschok ausgeführt worden.

In den meisten Berichten aus der Ukraine war die Rede bislang vor allem von Tränen- und Reizgas, wie es auch Sicherheitskräfte manchmal benutzen. Chlorpikrin ist dagegen ein Kampfstoff, der schon im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Der Kontakt führt zu starken Reizungen der Haut und Augen; wird er eingeatmet oder gelangt in den Verdauungstrakt, verursacht der Kampfstoff Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen, Kopfschmerzen, Durchfall und andere schwere Beschwerden. Die Symptome können wochenlang anhalten, und hohe Dosen Chlorpikrin können zum Tod führen.

Die USA erlassen neue Sanktionen

US-Präsident Joe Biden hatte bereits 2022 angekündigt, sollte es zu einem Chemiewaffeneinsatz Russlands in der Ukraine kommen, würden die USA darauf reagieren. Im Zug der Vorwürfe erlassen die USA nun neue Sanktionen gegen russische Unternehmen und Regierungsorganisationen, die mit chemischer Kriegsführung in Verbindung gebracht werden können. Ob weitere Maßnahmen geplant sind, ist derzeit nicht bekannt.

Die russische Armee wird sich von den Vorwürfen und Sanktionen in ihrem Einsatz chemischer Waffen wahrscheinlich nicht beeindrucken lassen. Bei Awdijiwka sind russische Truppen seit einigen Tagen mehrere Kilometer hinter die ukrainischen Verteidigungslinien vorgerückt, und weiter nördlich, bei dem strategisch wichtigen Ort Tschassiw Jar, soll die russische Armee eine große Zahl an Soldaten zusammengezogen haben und ebenfalls weiter vorstoßen. Wie es scheint, sind Moskau auch für diese kleinen Erfolge an der Front im Donbass alle Mittel recht.

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