Ukraine-Krieg:AfD setzt auf Friedenstauben - Kritik im Bundestag

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Der AfD-Politiker Alexander Gauland (Archivbild). (Foto: Hannes P. Albert/dpa)

Die AfD versucht mit Forderungen nach „Frieden“ beim Thema Ukraine in eine politische Lücke zu stoßen. Ein durchsichtiges Mannöver und Russland-Propaganda, finden die anderen Parteien.

Von Jörg Ratzsch, dpa

Berlin (dpa) - Auf dem Facebook-Titelbild von AfD-Co-Chef Tino Chrupalla flattert seit kurzem eine zarte, weiße Friedenstaube mit grünem Zweig im Schnabel. „Die Friedenspartei“ steht darunter. Im Bundestag lud die AfD-Fraktion am Mittwochabend zum „Friedenskonzert“ mit Stücken von Tschaikowski und Rachmaninow und am Donnerstag debattierte der Bundestag über einen AfD-Antrag für eine „Friedensinitiative“ in der Ukraine. Einige AfDler sprachen gar von einer „Friedenswoche“.

Im Vergleich dazu kommt das bekannte Lied „Ein bisschen Frieden“ von Sängerin Nicole fast bescheiden daher. Im Bundestag wurde die AfD am Donnerstag entsprechend scharf kritisiert: Aus Sicht der anderen Parteien handelt es sich um ein durchsichtiges innenpolitisches Manöver kombiniert mit der Verbreitung russischer Propaganda.

Aber auch in der AfD sind nicht alle einverstanden mit dem Kurs. Unter der Oberfläche brodelt weiter die Frage, wie man sich zu Russland positionieren soll. Der am Donnerstag im Bundestag debattierte AfD-Antrag für eine „Friedensinitiative mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine und Russland“ zeigt das exemplarisch: Wochenlang wurde über den Text des Antrags unter Federführung des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland gestritten. Vielen war das Papier zu russlandfreundlich.

Die Widersprüchlichkeiten in der AfD sind groß

Ursprünglich stand zum Beispiel drin, dass die Krim als Teil Russlands anerkannt werden sollte. Das wurde wieder gestrichen. In einer früheren Version war auch lediglich von „einem Krieg“ in der östlichen Nachbarschaft die Rede, was schließlich auch auf Druck eher westlich gesinnter Parteimitglieder in „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ geändert wurde.

Eine einheitliche Russland-Linie ist für die AfD nur schwer zu finden, weil sich verschiedene Positionen deutlich gegenüberstehen:

  • Bei einigen, wie dem Thüringer Partei-Rechtsaußen Björn Höcke, ist die Position klar: Putin hat nach seiner Ansicht „hart und konsequent auf die Offensive einer raumfremden Macht“ reagiert, damit meint er die USA. Russland nennt er einen „natürlichen Partner“ Deutschlands und warnt vor einem westlichen „Regenbogen-Imperium“. Die Friedenstaube, die jetzt auf Chrupallas Facebook-Seite prangt, nutzt Höcke schon seit vergangenem Frühjahr, genauso wie den einstigen Slogan der Friedensbewegung „Frieden schaffen ohne Waffen“.
  • Manche lassen sich direkt in russische Fernsehshows zuschalten, wie der AfD-Abgeordnete Steffen Kotré in der vergangenen Woche. In der Propaganda-Sendung von Wladimir Solowjow, der darin mehrfach die deutsche Regierung beschimpft hat und auch mal über Angriffe auf Deutschland schwadroniert, erklärte Kotré, dass die Mehrheit der Deutschen gegen die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine sei. Ein anderes Beispiel: Der stellvertretende AfD-Landeschef von Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider. Er schwenkte nach eigener Aussage am 8. Oktober bei der großen AfD-Demonstration in Berlin eine Russland-Fahne, als „Zeichen der Selbstbehauptung und als klare Ansage an die Transatlantiker“.
  • Es gibt solche „Transatlantiker“ auch in der AfD. Sie kommen vor allem aus dem Westen: Zum Teil ehemalige CDU-Wähler, denen die CDU zu links geworden ist und die die AfD immer noch gerne auf eine „gemäßigte“ anschlussfähige Linie bringen würden. Sie empfinden solche Aktionen als anbiedernd an Russland gegenüber und schädlich im Werben um konservative Wähler.
  • Andere vertreten wiederum eine traditionell rechte Linie und schütteln den Kopf, wenn sich Parteichef Chrupalla, wie vergangene Woche, Seite an Seite mit Russlands Botschafter Sergej Netschajew beim Kranzniederlegen an einer Gedenkstätte für gefallene Sowjetsoldaten fotografieren lässt. Zuvor hatte er alleine an einer Gedenkstätte für deutsche Soldaten einen Kranz niedergelegt.
  • Ost oder West spielt bei der Russland-Frage in der AfD meistens eine Rolle. Der Leipziger AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Moosdorf warf im Bundestag am Donnerstag Vertretern der USA und Osteuropas lautstark Kriegstreiberei vor. Am Vorabend hatte er für die Fraktion zu besagtem „Friedenskonzert“ eingeladen und Cello gespielt. Das Motto des Konzerts: „Dem Frieden die Freiheit!“. Unter genau diesem Titel wurden auch sogenannte Solidaritätskonzerte in der DDR im Kalten Krieg im Radio übertragen. „Wenn man ein Konzert heute so nennt, zeugt das von einer Gesinnung, die für eines ganz sicher nicht steht: für die Freiheit“, schrieb Joana Cotar am Donnerstag bei Twitter. Die in Westdeutschland aufgewachsene Abgeordnete war im November aus der AfD ausgetreten.

Chrupalla sprach am Mittwochabend bei dem „Friedenskonzert“ von einem Signal, „dass endlich Diplomaten geschickt werden, anstatt Granaten“. Die SPD-Abgeordnete Derya Türk-Nachbaur machte am Donnerstag im Bundestag einen Vorschlag Richtung AfD: „Sie wollen verhandeln? Gut, dann nutzen Sie bitte ihre guten Kontakte in den Kreml und richten aus, dass der Aggressor seine Truppen schnellstmöglich abzieht. Wenn Putins Waffen schweigen, endet der Krieg.“

© dpa-infocom, dpa:230209-99-537909/2

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