Wiederaufbau:Wer Habeck in die Ukraine begleitete

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Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij und der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck besichtigen eine Brücke über den Fluss Desna, die während des russischen Angriffs auf die Region Tschernihiw zerstört wurde. (Foto: UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SER/via REUTERS)

Der Bundeswirtschaftsminister traf Präsident Selenskij. Mitgereist sind wichtige Vertreter der deutschen Wirtschaft. Sie versichern, bald neue Projekte starten zu wollen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist am Montag überraschend in die Ukraine gereist. Am frühen Morgen kam er mit dem Zug in Kiew an, wo er auch Regierungsvertreter treffen wollte. Mit dabei: eine siebenköpfige Wirtschaftsdelegation. Die Anwesenheit der Wirtschaftsvertreter will Habeck als zentrale Botschaft seiner Reise verstanden wissen: Er habe erst kommen wollen, sagte er im Deutschlandfunk, "wenn es aus meinem Amtsbereich heraus etwas gibt, was ich mitbringen kann". Jetzt sei der Moment gekommen, dass die deutsche Wirtschaft sage: "Wir kommen wieder."

In Jahidne traf sich Habeck mit Präsident Wolodimir Selenskij. In dem nordukrainischen Dorf hatten russische Truppen im vergangenen März 350 Einwohner in einen Keller gepfercht. Elf überlebten die unmenschlichen Bedingungen laut Selenskij nicht. "All unsere Partner müssen diese Keller sehen, um zu verstehen, dass sie der Ukraine helfen müssen", sagte er.

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Es ist das erste Mal seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, dass eine deutsche Wirtschaftsdelegation in das vom Krieg gebeutelte Land gereist ist. Zu den Vertretern gehörten unter anderem der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Martin Wansleben, und der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Michael Harms.

Ankunft in Kiew: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hält sich für politische Gespräche in der Ukraine auf. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Nach seiner Ankunft betonte Habeck, die Reise sei ein Zeichen an die Ukraine, "dass wir daran glauben, dass sie siegreich sein wird, dass sie wiederaufgebaut wird, dass es ein Interesse von Europa gibt, nicht nur in der Not zu unterstützen, sondern dass die Ukraine auch ein wirtschaftlich starker Partner in der Zukunft sein wird".

Der Ukraine gelinge es immer wieder, zerstörte Infrastruktur in kurzer Zeit wieder aufzubauen und besser gegen russische Angriffe zu schützen, sagte Habeck mit Blick auf die zahlreichen russischen Raketenangriffe auf die Strom- und Wärmeversorgung in dem Land. Der Wunsch und die strategischen Pläne der Ukraine aber seien es, "das Energiesystem breiter und dezentraler aufzustellen". Das sei auch eine "Einladung zur Dekarbonisierung", also der Abkehr von fossilen Energien. "Insofern passen da zwei Sachen ganz gut zusammen: das Sicherheitsbedürfnis und ein zukunftsfähiges Energiesystem." Die Ukraine könne zum Energieexporteur Richtung Europa werden.

Nach der Besichtigung eines Umspannwerks des Energiekonzerns Ukrenergo kündigte Habeck an, dass Deutschland seine seit 2020 existierende Energiepartnerschaft mit der Ukraine neu auflegen wolle. Seit Kriegsbeginn steht dabei vor allem die Nothilfe im Zentrum, etwa um zerstörte Strom- oder Gasleitungen möglichst schnell wieder aufzubauen. Zunehmend soll es nun auch wieder mehr um den mittel- und langfristigen Wiederaufbau des ukrainischen Energiesystems gehen.

Der mitgereiste DIHK-Chef Wansleben sagte der Süddeutschen Zeitung, dass viele deutsche Unternehmen weiterhin in der Ukraine aktiv seien. Sie hätten sich mit Beginn des russischen Angriffskrieges nicht zurückgezogen. "Das kann eine gute Basis darstellen, wenn es darum geht, den bereits begonnenen Wiederaufbau der Ukraine zu unterstützen." Prioritär zu nennen seien Bau, Transport, kommunale Infrastruktur und Energie. "Die Reise mit Bundeswirtschaftsminister Habeck ist ein Signal und ein Angebot der deutschen Wirtschaft, den Wiederaufbau der Ukraine gemeinsam mit den Ukrainern mitzugestalten", so Wansleben. Sie diene auch dazu, mögliche Hindernisse auszumachen. "Diese müssen wir dann versuchen, zeitnah in Gesprächen mit der Bundesregierung, Versicherern, aber auch den europäischen Partnerländern zu lösen."

Ähnlich sieht man es offenbar auch in der Industrie. In einem noch unveröffentlichten Beitrag zum Wiederaufbau in der Ukraine schreibt Harms vom Ost-Ausschuss: "Dass der Wiederaufbau der Ukraine kommen wird, ist sicher." Ein echtes Startdatum aber werde es kaum geben; die Aussichten auf einen Friedensschluss seien zu ungewiss, "eher wird der Schwebezustand noch Monate und Jahre anhalten".

Entscheidend sei es daher, bereits heute "alle Akteure zusammenführen, die ein Interesse daran haben, den Prozess des Wiederaufbaus in der Ukraine zu unterstützen und mit ersten Projekten zu beginnen". Deutsche Unternehmen seien der Ukraine treu geblieben und setzten ihre Aktivitäten im Land fort, schreibt Harms in dem Papier. Man sehe jetzt im Frühjahr sogar einige neue Investitionen, etwa im Bereich der Produktion.

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