Debatte um Entlastungen:Ampelkoalition streitet über Hilfen für inflationsgeplagte Bürger

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Der Tankrabatt, so sagen Kritiker, kommt nur zum Teil bei den Bürgerinnen und Bürgern an. (Foto: Florian Peljak)

Drei Bundesländer schlagen eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne vor. Angesichts des als ineffektiv kritisierten Tankrabatts wird Finanzminister Lindner die Debatte kaum unterdrücken können.

Von Oliver Klasen

Das Wort klingt so, als könnte es wirtschaftsliberale FDP-Anhängerinnen und -Anhänger erschaudern lassen und so manche Grüne und SPD-Leute in Verzückung versetzen: Übergewinnsteuer. Mit einer solchen Steuer sollen exorbitante Einnahmen abgeschöpft werden, die nur dadurch zustande kommen, dass die Situation am Markt für die Unternehmen extrem vorteilhaft ist. Keine Produktinnovation, kein verbesserter Service, einfach nur: unverschämtes Glück. In der englischsprachigen Ökonomie heißen solche Gewinne windfall profits. Etwa, so das Beispiel, das derzeit stets in die Debatte eingebracht wird, der von der Ampelregierung eingeführte sogenannte Tankrabatt, der, so die Kritiker, eher den Mineralölkonzernen als Autofahrerinnen und Autofahrern helfe. Die 35 Cent Steuererleichterung pro Liter Superbenzin gäben die Konzerne nur zu einem Teil an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter, mit dem Rest besserten sie ihre Bilanzen auf.

In den neoliberal geprägten 1990er-und frühen 2000er-Jahren, als der politische Diskurs vor allem um Kürzungen des Sozialstaates kreiste, wäre eine Übergewinnsteuer noch als sozialistisches Teufelszeug verdammt worden. Doch die Welt ist angesichts des Krieges in der Ukraine und einer damit einhergehenden Rekordinflation heute eine andere. Jetzt fordern gleich drei Länder-Regierungschefs die Bundesregierung auf, eine Übergewinnsteuer zu erheben. "Allein im ersten Quartal dieses Jahres konnten die vier Ölriesen Shell, BP, Exxon und Total ihren Nettogewinn gegenüber dem Vorjahr von etwa 15 Milliarden auf rund 34 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln", sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) am Freitag bei der Einbringung seiner Initiative im Bundesrat. Für das gesamte Jahr 2022 dürften die Konzerne sogar 200 Milliarden US-Dollar zusätzlich einnehmen.

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Die Allgemeinheit zahlt, während einige Konzerne Kasse machen, auf diesen, vielleicht etwas populistischen, Satz bricht Bovenschulte das Argument herunter, warum er eine Übergewinnsteuer für dringend geboten hält. Der SPD-Politiker, so sagt er, wolle die Steuer aber nicht erheben, um die Konzerne zu piesacken. Sondern um daraus Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren, die unter den hohen Energiepreisen leiden. Sein Eintrag, dem sich Thüringen und Berlin angeschlossen und den andere Länder zumindest wohlwollend kommentiert haben, wird nun erst einmal in die Fachausschüsse überwiesen. Aber: Die Debatte ist eröffnet.

Erwartungsgemäß gibt es Widerstände gegen die Übergewinnsteuer. Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Julia Klöckner, sagt, die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Gewinnen sei "fragwürdig und problembehaftet", verfassungsrechtlich schwierig, systemfremd für das deutsche Steuerrecht und reine Symbolpolitik. Finanzminister Christian Lindner schließt eine solche Steuer kategorisch aus. Dies würde das Steuerrecht willkürlich, undurchschaubarer und noch bürokratischer machen, so Lindner.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nennt die Debatte über eine Übergewinnsteuer zwar legitim, glaubt wegen der rechtlichen Hürden bei der Definition dessen, was als Übergewinn gilt, aber nicht an eine schnelle Umsetzung. Der SPD-Politiker favorisiert andere Lösungen, um hohe Gewinne beispielsweise der Mineralölkonzerne abzuschöpfen. "Auf den Energiemärkten haben wir es mit Oligopolen zu tun. Da muss das Kartellamt jetzt sehr genau hinschauen" sagt Heil. Grundsätzlich stehe er einer Übergewinnsteuer nicht ablehnend gegenüber: "Die Tories in Großbritannien haben etwas Ähnliches auf den Weg gebracht - und die sind unverdächtig, sozialistische Umverteiler zu sein", sagte der Minister der Welt am Sonntag.

Italien hat eine ähnliche Steuer bereits im März eingeführt

Ein Land, das in Sachen Übergewinnsteuer als Vorbild genannt wird, ist Italien. Dort wurde die sogenannte "außerordentliche Solidaritätsabgabe" für Energiekonzerne bereits im März eingeführt. Die jeweils betroffenen Unternehmen müssen einen Aufschlag auf die Mehrwertsteuer ihrer Produkte zahlen, wenn ihre aktuellen Umsätze die Vorkriegsumsätze um mehr als zehn Prozent übertreffen. Der italienische Staat rechnet mit mehr als zehn Milliarden Euro Zusatzeinnahmen. Zum Vergleich: Der sogenannte Tankrabatt kostet den deutschen Fiskus etwa drei Milliarden Euro.

Unabhängig von der Übergewinnsteuer fordern mehrere Politiker aus der Ampelkoalition weitere Entlastungen für die von der Inflation betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Bisher beschlossen wurden - neben dem als ineffektiv kritisierten Tankrabatt - das Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr, eine Energiepauschale von 300 Euro für einkommenspflichtige Erwerbstätige und die Abschaffung der EEG-Umlage. Arbeitsminister Heil kann sich zusätzlich ein sogenanntes soziales Klimageld vorstellen, mit dem Empfänger von mittleren und unteren Einkommen entlastet werden sollen.

Finanzminister Lindner (FDP) spricht sich allerdings dagegen aus, noch vor der Sommerpause weitere Entlastungen zu beschließen. Er rate, die bisherigen Maßnahmen "wirken zu lassen". Eine vierköpfige Familie sei gerade teilweise um mehr als 1000 Euro entlastet worden. Für weitere Schritte gebe es zumindest im Bundeshaushalt 2022 "finanziell und rechtlich wenig Spielraum, wenn wir nicht woanders sparen", so Lindner. Das gelte zum Beispiel für Überlegungen bei Bund und Ländern, Rentnern doch noch die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro auszuzahlen. Lindner sagte, Rentner profitierten bereits von anderen Maßnahmen, etwa von der Abschaffung der EEG-Umlage auf der Stromrechnung. Zudem komme die Rentenerhöhung - zum 1. Juli steigen sie im Westen um mehr als fünf und im Osten um mehr als sechs Prozent - "jetzt gottlob zur richtigen Zeit".

"Für das kommende Jahr dann empfehle ich neue Maßnahmen", sagte der FDP-Politiker. Gut möglich allerdings, dass er die Debatte so schnell nicht wird beenden können.

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