Trump-Kim-Gipfel:"Das ist einen Friedensnobelpreis wert"

Wieso Donald Trumps Nordkorea-Politik mehr bewirkt als die seiner Vorgänger, erklärt Ostasien-Experte Rüdiger Frank.

Interview von Dominik Fürst

An diesem Mittwoch treffen sich US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un im vietnamesischen Hanoi zu ihrem zweiten Gipfel. Vor acht Monaten hatten die beiden in Singapur das Ziel vereinbart, auf die vollständige Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel hinzuarbeiten. Weil das nicht einmal ansatzweise verwirklicht wurde, steht Trump in der Kritik. Er verleihe Diktator Kim Legitimität und Akzeptanz auf globaler Ebene, während er die US-Politik der Härte effektiv untergrabe, beklagen die US-Demokraten. Vor dem zweiten Gipfel mit Kim versucht Trump deshalb, die Erwartungen zu dämpfen.

Rüdiger Frank, 50, ist Ostasienwissenschaftler an der Universität Wien und einer der renommiertesten Nordkorea-Kenner. Im Interview erklärt er, wie die diplomatische Leistung Trumps zu bewerten und was vom Treffen in Hanoi zu erwarten ist.

Interview am Morgen

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SZ: Vor acht Monaten trafen sich Trump und Kim in Singapur zum ersten Mal. Hat der Gipfel etwas gebracht?

Rüdiger Frank: Aber sicher. Die Spirale der Eskalation ist zum Stehen gekommen. Es gab seitdem keine Atom- oder Interkontinentalraketentests auf nordkoreanischer Seite und keine militärischen Drohungen auf amerikanischer Seite. Die Situation auf der koreanischen Halbinsel hat sich entspannt. Das kann man durchaus als Erfolg verbuchen, gerade wenn man die Situation mit 2017 vergleicht. Natürlich hat das Treffen nicht die komplette Denuklearisierung gebracht, aber damit war auch nicht zu rechnen.

Sind in Hanoi konkrete Ergebnisse zu erwarten?

Auf jeden Fall. Trump und Kim stehen beide unter Druck in ihren Ländern. Kim muss Fortschritte vorweisen, was den Abbau von Sanktionen betrifft. Trump wiederum wird vorgeworfen, sich von Kim manipulieren zu lassen und außer schönen Worten nichts nach Hause zu bringen. Dagegen wehrt er sich. Es ist sicherlich im Vorfeld vereinbart worden, dass es zu Ergebnissen kommen muss, die der amerikanischen Öffentlichkeit präsentiert werden können. Das können Verhandlungsschritte in Sachen Denuklearisierung sein, zum Beispiel Inspektionen oder ein Zeitplan. Und dann gibt es noch symbolische, aber wichtige Handlungen, wie die formelle Erklärung des Kriegsendes.

rüdiger frank

Rüdiger Frank, geboren 1969 in Leipzig, ist Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Universität Wien und Leiter des dortigen Instituts für Ostasienwissenschaften.

(Foto: privat)

Der Koreakrieg, der seit dem Waffenstillstand von 1953 strenggenommen nur ruht, kann von Amerikanern und Nordkoreanern nur symbolisch beendet werden. Einen echten Friedensvertrag könnte es nur mit Beteiligung aller Kriegsparteien geben, also nicht ohne China.

Politik ist nun einmal auch ein Spiel der Symbole. Gerade wenn Führungskräfte zuhause ihre außenpolitischen Entscheidungen verkaufen müssen, sind solche Signale nicht zu unterschätzen. Auch dürfen wir ein Ende des Koreakrieges nicht unterbewerten in seiner realen Bedeutung. Denn der nächste Schritt könnte dann die nordkoreanische Forderung nach dem Abzug der amerikanischen Truppen aus Südkorea sein. Deren Daseinsberechtigung leitet sich ja aus dem fortbestehenden Krieg ab.

Können die USA es sich überhaupt leisten, knapp 30 000 Soldaten aus Südkorea abzuziehen, wenn man Chinas wachsenden Einfluss in der Region berücksichtigt?

Die USA haben Japan als Fall-Back-Option. Dort haben sie ein relativ starkes Truppenkontingent. Entsprechende Unruhe herrscht daher übrigens in Tokio. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass man in den USA darüber nachdenkt, die Truppenpräsenz in Südkorea aufzugeben. Das bedeutet ja nicht, dass man seine Präsenz in der Region aufgibt. Man begradigt sozusagen die Front. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Nordkoreaner unbedingt ein Interesse daran haben, dass die Amerikaner komplett verschwinden. Einerseits betrachten sie die Truppen als fremde Besatzung. Andererseits ist China eine erhebliche mögliche Bedrohung der Unabhängigkeit Koreas. Kim könnte durchaus versuchen, vom Konflikt der zwei Großmächte zu profitieren. Dazu könnte er auch bereit sein, amerikanische Truppen noch eine Weile zu akzeptieren. Ich bin selbst gespannt, wie sich Nordkorea in dieser Frage entscheiden wird.

Nordkorea droht eine Hungersnot, es braucht Wirtschaftswachstum, um stabil zu bleiben. Wie sehr steht Kim im Inneren unter Druck?

Sein Vater hat, gezwungen durch eine massive Wirtschaftskrise Mitte der 1990er, eine Entwicklung begonnen, die schwer aufzuhalten ist: Er hat den Menschen die Gelegenheit gegeben, über individuelle wirtschaftliche Aktivitäten zu Wohlstand zu kommen. Dadurch hat sich eine Dynamik entwickelt in den vergangenen 20 Jahren, die schwer zu stoppen ist. Kim Jong-un hat diese Dynamik geerbt und ihr auch noch einigen Schwung verliehen. Jetzt gibt es eine wirkliche Mittelschicht in Nordkorea, die wirtschaftlich gut dasteht und ihren Wohlstand weiter ausbauen will. Andere wollen in die Mittelschicht aufsteigen. Kim hat bei seinem Machtantritt ausdrücklich versprochen, die Lebensumstände seiner Bevölkerung zu verbessern. Aber er stößt jetzt an Grenzen, die ihm die Sanktionen auferlegen. Für seinen innenpolitischen Status ist wichtig, dass die Sanktionen verschwinden.

Kann eine Reform der totalitären Diktatur Verhandlungsgegenstand sein, etwa als Bedingung für die Lockerung von Sanktionen?

Nein. Es wäre das Ende jeder Verhandlung, wenn Trump die Demokratisierung Nordkoreas verlangen würde. Niemand, der an einem Fortgang der Gespräche interessiert ist, würde das zu einer ausdrücklichen Forderung machen.

Die Fähigkeit zur Atombombe war immer die Überlebensgarantie Nordkoreas. Machen Verhandlungen darüber überhaupt Sinn?

Wir müssen uns von der Idee lösen, dass Nordkorea ausschließlich an seinem eigenen Überleben interessiert ist. Das Regime will überleben, natürlich, aber es will auch prosperieren, Einfluss ausbauen und Macht ausüben. Offenbar ist die Atombombe im Augenblick und auf absehbare Zeit der einzige Grund, warum Donald Trump sich überhaupt die Zeit nimmt, mit Kim Jong-un zu sprechen. Und solange Kim nicht daran glaubt, seine Ziele mit anderen Mitteln erreichen zu können, wird er an ihr festhalten.

Der vollständige Abbau der nordkoreanischen Atomwaffen ist ein prinzipielles Ziel, auf das sich alle einigen können, so wie auf den Abbau aller Atomwaffen weltweit. Da werden alle freundlich nicken, aber alle Beteiligten wissen, dass die Realität ein wenig komplizierter ist. Die nächsten Schritte müssen in Richtung Sicherheit und Nichtverbreitung gehen. Es darf kein Unfall passieren, das entsprechende Material darf nicht in die Hände von Terroristen geraten, und das Arsenal sollte möglichst nicht weiter wachsen. Zwischenschritte auf dem Weg zum Abbau: Dazu wäre Nordkorea, glaube ich, bereit. Ich kenne aber niemanden, der einen vollständigen Abbau innerhalb der nächsten fünf oder zehn Jahre für wahrscheinlich hält.

Trägt Trumps Strategie dazu bei, die Bedrohung zu verringern, die von Nordkorea ausgeht?

Selbstverständlich. Trump hat durchaus recht, wenn er argumentiert, dass alle seine Vorgänger wenig erreicht haben. Seit 2006 gab es einen Atom- oder Raketentest nach dem anderen. All die Strategien, die die USA versucht haben, waren nachweislich nicht effektiv. Trump hat es immerhin geschafft, sich mit Kim hinzusetzen und einen Dialog in die Wege zu leiten. Man muss eingestehen, dass es noch kaum greifbare Resultate gibt. Aber wenn man die Gespräche als Prozess in Richtung solcher Ergebnisse betrachtet, sind sie durchaus erfolgversprechend.

Wieso tritt Trump, der sonst gerne für Härte plädiert, ausgerechnet gegenüber Nordkorea so dialogbereit auf?

Das ist sehr schwer zu beantworten, ich vermute fast, dass es mit Trumps Persönlichkeit zusammenhängt und damit, dass die Nordkoreaner diese sehr gut verstanden haben. Seine Äußerungen zur Person von Kim Jong-un waren sehr überraschend, er hat von einem sehr guten Verhältnis gesprochen und sogar gesagt: "We fell in love." Es ist nicht undenkbar, dass es eine persönliche Chemie gibt, die über die Briefwechsel und das Treffen in Singapur entstanden ist.

Wenn Sie mich nach sachlichen Gründen fragen, lautet die Antwort: Vielleicht haben sich Nordkoreaner und Amerikaner darauf geeinigt, dass sie den gleichen Gegner haben, nämlich China. Beide sind beunruhigt, was die wachsende Macht der Chinesen anbetrifft, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. Ein gemeinsamer Feind eint.

Haben Trump und Kim den Friedensnobelpreis verdient?

Ich denke schon. Sie haben ihn alle drei verdient, ich würde Südkoreas Staatschef Moon Jae-in mit ins Team nehmen, denn ihm ist es zu verdanken, dass der Prozess ins Laufen kam. Man sollte noch abwarten, bis zu einem offiziellen Ende des Koreakrieges etwa, damit man ein reales Dokument vorliegen hat, das den Preis rechtfertigt. Aber wenn man sich, wie ich in den vergangenen 30 Jahren, mit dem Thema beschäftigt und gesehen hat, dass es im Verhältnis zwischen den USA und Nordkorea immer nur nach unten ging, dann stellt man fest, dass es seit 2018 erstmals wieder bergauf geht. Ja, ich glaube schon: Das ist einen Friedensnobelpreis wert, vor allem dann, wenn dieser dazu beiträgt, dass der Entspannungsprozess weitergeht.

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