Anklage gegen den Ex-Präsidenten:Trump stellt sich im Gefängnis von Atlanta den Behörden

Lesezeit: 4 min

Die Behörden in Georgia haben das Polizeifoto des früheren US-Präsidenten veröffentlicht. (Foto: Uncredited/dpa)

In Georgia geht es um den Vorwurf der Wahlmanipulation - die Angelegenheit könnte für Trump sehr gefährlich werden. Aber erstmal braucht es nur Personalien, Fingerabdrücke - und den berüchtigten "Mug shot". Den nutzt er gleich für seine Rückkehr zu Twitter-Nachfolger X.

Von Oliver Klasen

Es ist das vierte Mal, beinahe business as usual also. Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der sich anschickt, auch der 47. Präsident zu werden, kennt das Prozedere. Ankunft mit dem Privatflieger, im vom Secret Service bewachten Autokorso geht es zum Ort des Geschehens, rein ins Gebäude, Papierkram, dann vor den Untersuchungsrichter, möglicherweise eine Anklageverlesung über sich ergehen lassen, auf "nicht schuldig" plädieren, fertig.

Doch im US-Bundesstaat Georgia, wo sich Trump im Bezirksgefängnis der Hauptstadt Atlanta den Behörden stellen musste, war eine Kleinigkeit neu: Dass der 77-Jährige - anders als bei den drei vorherigen Anklagen - nicht vor Gericht, sondern in einem Gefängnis erscheint, hat zumindest visuell eine neue Qualität. Bei der Anklage in Georgia geht es um den Vorwurf der Wahlmanipulation. Trump habe Ende 2020/Anfang 2021 versucht, mit kriminellen Mitteln die Präsidentschaftswahl in dem Bundesstaat zu seinen Gunsten zu drehen.

Die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Gefängnis in Atlanta wurden verschärft, Trump-Anhänger versammelten sich vor dem Gebäude. Und Trump selbst schrieb auf der von ihm gegründeten Plattform Truth Social vorab, er werde sich "mit Stolz" festnehmen lassen. Ein Überblick zu den Ereignissen rund um Trumps Gerichtstermin:

Wie lief der Termin in Georgia ab?

Trump musste sich im Gefängnis diversen Formalitäten unterziehen, die für jeden Bürger prinzipiell gleich ablaufen. Seine Personalien wurden aufgenommen, Fingerabdrücke gemacht, und ein Polizeifoto, ein sogenannter Mug shot, war angekündigt.

Bei den drei bisherigen Gerichtsterminen von Trump in New York, Miami und Washington D.C. hatten die Behörden darauf verzichtet, Polizeifotos von ihm zu machen - möglicherweise auch mit der Vorahnung, dass Trump-Anhänger die Fotos in sozialen Netzwerken für ihre Zwecke nutzen könnten. Diesmal gibt es den Mug shot, das Büro des zuständigen Sheriffs machte die Aufnahme kurz darauf publik. Und Trump? Nutzte das Foto sogleich für seine Rückkehr zur Twitter-Nachfolgeplattform X - mehr als zweieinhalb Jahre nach seinem letzten Post. Sein Account war im Januar 2021, drei Tage nach dem Sturm aufs Kapitol, wegen des Risikos "weiterer Anstiftung zur Gewalt" gesperrt worden; bis ihn Twitter-Käufer Elon Musk im November 2022 wieder freischalten ließ.

Zurück ins Gefängnis: Dieser Aufenthalt währte nur kurz für Trump. Nach nur 20 Minuten hatte er den Termin hinter sich und durfte den Ort wieder verlassen - unter Auflagen allerdings. Erstmals bei einem der Prozesse gegen Trump wurde eine Kaution festgesetzt, sie beträgt 200 000 US-Dollar. Diese Summe hat er hinterlegt. Außerdem hat sich der Republikaner verpflichtet, nicht auf Social-Media-Plattformen gegen Zeugen oder seine Mitangeklagten Stellung zu beziehen. Die Konditionen wurden vorab von Trumps Anwälten ausgehandelt. Interessant: Einen dieser Anwälte will Trump ersetzen, wie mehrere US-Medien wenige Stunden vor dem Gefängnistermin berichteten.

SZ PlusStrafverfahren
:In Bedrängnis

2024 wird der Ex-Präsident viele Termine zu koordinieren haben. In Washington, New York, Miami und Atlanta sollen gleich vier Prozesse gegen ihn beginnen - ausgerechnet im Wahljahr. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht selbst daraus noch einen Vorteil für sich ziehen würde.

Von Peter Burghardt

Was wird Trump in Georgia vorgeworfen?

Trump ist nicht allein angeklagt, sondern mit 18 weiteren Beschuldigten, darunter sein ehemaliger Anwalt Rudy Giuliani. Der Vorwurf: Die Gruppe habe versucht, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 in Georgia zu beeinflussen. Trump hatte den Bundesstaat knapp verloren. Besonders heikel in der Anklage ist ein Straftatbestand aus dem sogenannten Rico-Gesetz, das ursprünglich erlassen wurde, um gegen Schutzgelderpressungen der Mafia vorzugehen.

Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass Trump Teil einer kriminellen Vereinigung war. Sollte er in diesem Punkt verurteilt werden, droht ihm eine lange Haftstrafe. Außerdem wird ihm vorgeworfen, öffentliche Amtsträger dazu gedrängt zu haben, ihren Amtseid zu verletzen. So soll Trump Brad Raffensperger, den Innenminister von Georgia, aufgefordert haben, die nötigen Stimmen für ihn "zu finden".

SZ PlusMeinungUSA
:In einer Demokratie steht niemand über dem Gesetz

Die Anklage gegen Trump zeigt, dass das Land seine Werte schützt. Das Treiben des Ex-Präsidenten und führender Republikaner ist niederträchtig. Den Vereinigten Staaten steht vermutlich der hässlichste Wahlkampf bevor, den sie je erlebt haben.

Kommentar von Christian Zaschke

Welche anderen juristischen Probleme hat er sonst noch?

Bei der Fülle an Verfahren, die gegen Trump anhängig sind, ist es schwer, den Überblick zu behalten. Allein drei Anklagen gibt es im Bundesstaat New York. Dabei geht es um Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar, um Unregelmäßigkeiten in Trumps Firmenimperium sowie um den Vorwurf, Trump habe eine Frau sexuell genötigt. Es sind gewissermaßen die minderschweren Fälle - nicht, was das mögliche Strafmaß angeht, aber gemessen am Gefahrenpotenzial für Trumps Karriere.

Neben der Anklage in Georgia sind zwei Komplexe auf Bundesebene für Trump besonders gefährlich. Zum einen ist Trump wegen der Ereignisse des 6. Januar 2021 angeklagt. Damals stürmte ein gewalttätiger, von Trump angestachelter Mob das Kapitol in Washington. Der schwerste Vorwurf in der 45-seitigen Anklageschrift: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Zum anderen wird Trump vorgeworfen, hochbrisante Geheimdokumente nach seiner Amtszeit nicht wie vorgeschrieben an das Nationalarchiv übergeben, sondern in seiner Residenz in Florida gehortet zu haben.

In beiden Fällen ermittelt Sonderermittler Jack Smith, der fest entschlossen ist, die Anklagen ohne Rücksicht auf Trumps politische Ambitionen voranzutreiben. Der Beginn von gleich mehreren Prozessen könne in das Jahr 2024 fallen, mitten in den Präsidentschaftswahlkampf also.

SZ PlusUSA
:Alle Verfahren gegen Donald Trump im Überblick

Verschwörung, Geheimdokumente, Wahlmanipulation, Schweigegeld: Kein amerikanischer Ex-Präsident hatte jemals so weitreichende juristische Probleme. Eine Übersicht.

Von Fabian Fellmann

Wie steht es um seine Bewerbung als Präsidentschaftskandidat?

Trump will wieder Präsident werden, koste es, was es wolle. Eine erneute Amtszeit im Oval Office hätte für ihn den angenehmen Nebeneffekt, dass er sich in jenen Prozessen, die auf Bundesebene laufen, selbst begnadigen könnte. Nicht jedoch in den Verfahren auf Ebene der Bundesstaaten.

In allen Umfragen führt Trump unter den insgesamt neun Präsidentschaftsbewerbern der Republikaner mit weitem Abstand. Bei der ersten parteiinternen TV-Debatte traute sich keiner seiner Konkurrenten, ernsthaft Kritik an Trump zu üben. Er selbst hatte die Teilnahme kurz zuvor abgesagt. Der Ex-Präsident fühlt sich sehr sicher, dass ihm eine Kandidatur kaum noch zu nehmen ist.

Selbst wenn, was unwahrscheinlich ist, Trump vor der Wahl in einem Gerichtsverfahren verurteilt wird, verhindert das weder seine Kandidatur noch seine mögliche Wahl. Die US-Verfassung kennt keine Möglichkeiten, einen kriminellen Kandidaten von vornherein von einem politischen Amt fernzuhalten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDonald Trump
:"Die Wahrheit ist, dass ihn letztlich fast niemand wirklich kennt"

Das schreibt Maggie Haberman über Donald Trump. Die Starautorin der "New York Times" verfolgt die Karriere des ehemaligen US-Präsidenten seit Jahrzehnten. Nun hat sie ein Buch über ihn veröffentlicht, das Pflichtlektüre ist - auch mit Blick auf 2024.

Von Matthias Kolb

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: