Republik Moldau:Putins Plan für Transnistrien

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Bei einer Zeremonie in Tiraspol im September 2023 hissen Soldaten die Flaggen Russlands und der selbsternannten Pridnestrowischen Moldauischen Republik. (Foto: Artem Kulekin/Imago)

In der Republik Moldau haben Separatisten Russland um Schutz gebeten - und Moskau verspricht, sich zu kümmern. Welche Strategie verfolgt der Kreml? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Nicolas Freund und Kassian Stroh

Es kommt einem bekannt vor: Prorussische Separatisten in einem westlich orientierten Land rufen Moskau um Hilfe. So geschehen am Mittwochabend in Transnistrien, einem Teil der Republik Moldau. Dort hat ein Kongress der "Vertreter aller Ebenen" eine Resolution verabschiedet, Russland möge Transnistrien schützen - vor dem "sozialen und wirtschaftlichen Druck", den die moldauische Regierung ausübe. Das Außenministerium in Moskau ließ prompt wissen, man prüfe den Antrag. "Der Schutz der Bewohner Transnistriens, unserer Landsleute" sei prioritär.

Diese Argumentation war auch bei der Annexion der Krim und der Besetzung von Teilen der Ostukraine zu hören. Was steht hinter diesem Konflikt um Transnistrien? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer regiert in der Republik Moldau?

Seit Dezember 2020 regiert die liberale Partei PAS. Präsidentin ist die westlich orientierte Maia Sandu, die für Moldau eine Mitgliedschaft in der EU anstrebt. Auch mit der Nato gibt es Kooperationen, eine Mitgliedschaft steht aktuell aber nicht im Raum. Moldau gehörte ab 1940 zur Sowjetunion, ist seit 1991 ein eigenständiger Staat und seit 2022 EU-Beitrittskandidat.

Was ist eigentlich Transnistrien?

Transnistrien ist ein schmaler, etwa 200 Kilometer langer Streifen im Osten der Republik Moldau, zwischen dem Fluss Dnjestr und der Grenze zur Ukraine. Das Gebiet ist praktisch seit 30 Jahren von Moldau unabhängig, als eigenständiger Staat aber international nicht anerkannt. Die Angaben, wie viele Menschen dort leben, variieren zwischen 300 000 und 400 000. Jeweils ungefähr ein Drittel von ihnen sieht sich als Russen, Moldauer und Ukrainer, wie eine Zählung im Jahr 2015 ergeben hat. Die selbsternannte Pridnestrowische Moldauische Republik hat eine eigene Regierung und Verwaltung mit Sitz in Tiraspol, eine eigene Währung und eigene bewaffnete Truppen. Damit ist das Gebiet faktisch von der Regierung der Republik Moldau in Chișinău unabhängig. Es steht stark unter russischem Einfluss.

(Foto: SZ-Karte: Mainka/Mapcreator.io/OSM)

Wie kam es zu dem Konflikt?

Als 1990 der Zerfall der Sowjetunion begann, erklärte sich Transnistrien zur eigenen Sowjetrepublik, unabhängig von Moldau. Es akzeptierte deshalb auch nicht, dass sich die Republik Moldau 1991 für unabhängig von Moskau erklärte. 1992 eskalierte der Konflikt, es kam zu einer kurzen militärischen Auseinandersetzung, die die Separatisten mit Truppenunterstützung aus Moskau für sich entschieden. Die Regierung der Republik Moldau verlor ihren Zugriff auf das Gebiet, der Konflikt ist seitdem eingefroren. Kaum jemand in Transnistrien fordert eine Wiedervereinigung mit Moldau, im Gegenteil: In mehreren Referenden wurde ein Beitritt zur Russischen Föderation bejaht, vollzogen wurde dieser Schritt bis heute nicht.

Was hat Transnistrien mit Russland zu tun?

Die von Moskau unterstützten Separatisten in Transnistrien versuchen seit Längerem, Moldau zu destabilisieren und das Land von seinem prowestlichen Kurs abzubringen. Der Konflikt folgt dabei einem vom Kreml teilweise orchestrierten Muster, das sich in der Ukraine, dem Baltikum und anderen Ländern mit einer russischstämmigen oder russischsprachigen Minderheit wiederholt. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte schon mehrmals angekündigt, die "Russki Mir", die "Russische Welt" schützen zu wollen. Darunter versteht er eher vage alle Menschen, die auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion leben und die sich irgendwie der russischen Kultur verbunden fühlen. Transnistrien, in dem laut russischen Angaben mehr als 200 000 Menschen mit russischem Pass leben, ist eine der Regionen, die immer wieder als Beispiel dieser "Russischen Welt" angeführt werden, für die sich Moskau verantwortlich fühlt. Erst vor zwei Wochen hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow den russischen Staatsbürgern in Transnistrien erneut Unterstützung zugesagt.

Wie geht Russland in Moldau vor?

Es wird davon ausgegangen, dass es der ursprüngliche Plan Putins war, nach einem schnellen Sieg in der Ukraine auch Transnistrien und vielleicht sogar ganz Moldau zu besetzen oder zumindest, ähnlich wie in Belarus, eine prorussische Regierung in Chișinău einzusetzen. Weil der ursprüngliche Kriegsplan in der Ukraine gescheitert ist, versucht Moskau seitdem mit Propaganda und bezahlten Demonstrationen gegen die prowestliche Regierung Stimmung zu machen. Anfang 2023 wurden Pläne bekannt, dass durch inszenierte Proteste die aktuelle Regierung gestürzt werden sollte. Das scheiterte zwar ebenso wie andere Destabilisierungsversuche, doch prorussische Strömungen sind nicht nur in Transnistrien, sondern auch in ganz Moldau stark: Oligarchen und Oppositionspolitiker wie Igor Dodon und Ilan Shor werden vom Kreml unterstützt. In Gagausien, einer autonomen Region im Süden der Republik Moldau, gewann zuletzt eine prorussische Kandidatin. Es wird von Wahlmanipulation und Stimmenkauf ausgegangen. Moldaus Präsidentin Sandu sagte 2023 im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: "Russland führt einen hybriden Krieg gegen uns."

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Welche russischen Truppen sind in Transnistrien stationiert?

Seit 1992 sind laut dem Institute for the Study of War in der Hauptstadt Tiraspol zwei oder drei Bataillone der russischen Armee stationiert. Sie umfassen wahrscheinlich 1500 bis 2000 Soldaten, die genaue Zahl ist unklar. In Transnistrien befinden sich außerdem noch sehr große Waffen- und Munitionsdepots aus der Sowjetzeit, schätzungsweise 20 000 Tonnen Material könnten dort gelagert sein. Für einen Angriff auf Moldau, etwa auf die Hauptstadt Chișinău, die nah an Transnistrien liegt, würden diese Kräfte allerdings nicht ausreichen. Es gibt derzeit auch keine Anzeichen für eine militärische Eskalation. Sorgen bereiten der prowestlichen Regierung eher die russischen Desinformationskampagnen und die Abspaltungspropaganda.

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