Transitstreit:Wie Berlin und Tirol den Transitverkehr in den Griff kriegen wollen

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Lastwagen stauen sich auf der A8 bei Rosenheim. (Foto: Josef Reisner/dpa)
  • Deutschland und Österreich haben sich auf einen Maßnahmen-Plan für eine Entlastung des ständig wachsenden Transitverkehrs geeinigt.
  • Ziel sei es, die Lage an der Grenze zu verbessern und den "Gesprächsstau" aufzulösen, sagt Bundesverkehrsminister Scheuer nach einem Krisentreffen mit seinen Amtskollegen aus Bayern und Österreich.
  • Zu dem Plan gehören eine stärkere Verlagerung des Autobahn-Verkehrs Richtung Brenner auf die Schiene, eine intelligentere Abfertigung, ein mobiles LKW-Leitsystem sowie bessere Terminals.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wenige Minuten, bevor die Minister und der Landeshauptmann vor die Mikros treten, bereiten Leute des Verkehrsministeriums noch schnell die passende Kulisse. Eilig drapieren sie drei Fahnen: die deutsche, die europäische und, in der Mitte, die österreichische. Österreich, eingeklemmt zwischen Deutschland und dem Rest Europas - das passt zum Problemfall Brenner. Aber in dieser Minute ist dem Ministerium eine andere Botschaft wichtiger: Eintracht.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ist nach Berlin gekommen. Er hat genug vom wachsenden Alpentransit über den Brenner und lässt Lastwagen an der Grenze blockweise abfertigen. Mit dabei sind der österreichische Verkehrsminister Andreas Reichhardt und sein bayerischer Amtskollege Hans Reichhart von der CSU. Kurz vor Beginn der Sommerferien in Bayern sollen sie, wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagt, "den Gesprächsstau" auflösen, die "Hitze aus der Diskussion" nehmen. Zumindest das erscheint gelungen. Viel mehr aber nicht.

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Am Ende steht da, symbolträchtig wie die Fahnen, ein Zehn-Punkte-Plan für den Brenner. Der kombinierte Verkehr etwa soll gestärkt werden, mit dem Güter in Terminals auf Güterzüge verladen werden und anschließend wieder auf Lastwagen. Konkret sollen zwei Terminals in Regensburg und München erweitert werden. Es gebe noch reichlich freie Kapazitäten bei der Bahn, sagt Scheuer. "Langlaufende Verkehre über den Brenner wollen wir mehr und mehr auf die Schiene verlagern." Auch die "Rollende Landstraße", mit der ganze Lastzüge die Bahn nehmen, soll den Verkehr weg von der Brennerautobahn verlagern. Die Mittel dafür allerdings waren Scheuer gerade erst von den Haushältern gestrichen worden. Die müsse er nun erst einmal vom Gegenteil überzeugen, räumt Scheuer ein. Vieles ist eben doch nicht so einfach. "Was 20 Jahre diskutiert wird", sagt Scheuer, "kann man nicht in 24 Stunden lösen."

Wohl wahr, denn der Landeshauptmann Platter will von seinem Kurs nicht abweichen. Keinen Millimeter, wie er sagt. "Die Fahrverbote, das bleibt unverrückbar." Ausweichstrecken zur Brennerautobahn sollen für den Transit gesperrt bleiben, auch an der Blockabfertigung von Lastwagen will der Tiroler Landeschef festhalten. "Für mich gibt es heute keine Euphorie", sagt Platter. "Wir haben schon mit vielen Versprechungen zu tun gehabt." Deren einzige Folge sei aber, dass mittlerweile mehr Lastwagen über den Brenner rollten als an allen sechs Alpenübergängen "in der Schweiz und in Frankreich zusammen". Noch einmal, das macht Platter in Berlin klar, will er sich nicht mit Versprechungen abspeisen lassen. Auch nicht mit zehn Punkten.

Für die bayerischen Sommerferien verheißt das nichts Gutes. Zwar kann sich auch Platter vorstellen, auf die Blockabfertigung zu verzichten. Aber erst, wenn ein "intelligentes System" den Lastwagen-Transit kanalisiert. So lasse sich Stau verhindern. "Bis das Instrument funktioniert, bleibt die Blockabfertigung", sagt Platter. Bis Januar, so heißt es im Zehn-Punkte-Plan, soll das System eingeführt sein.

Ein Partner freilich fehlte in der Runde: Italien. Für eine "Korridormaut", mit der die Verbindung München - Brenner - Verona insgesamt teurer würde, müsste Rom mitspielen. Auch bräuchte es auf italienischer Seite größere Bahn-Terminals, um die Brenner-Ausweichzüge zu be- oder entladen. Gemeinsam wollen Deutschland und Österreich nun an die italienische Regierung herantreten. Platter sagt: "Wir werden gerade in Italien noch viel Arbeit haben." Dabei wären auch Südtirol und das Trentino froh, flösse weniger Verkehr durch Eisacktal und Unterland.

Parallel wollen Wien und Berlin gemeinsam die EU-Kommission bearbeiten, damit sich die Mautsätze für Lastwagen künftig noch stärker an der Belastung bestimmter Strecken orientieren können; dort müssten Aufschläge möglich werden. Dafür müsste die sogenannte Wegekostenrichtlinie geändert werden. Und ganz nebenbei soll der kleine Grenzverkehr zwischen Bayern und Tirol - der von Pkw - künftig mautfrei werden. Darin seien sich zumindest die beiden Bundesländer einig. Auch das ist einer der zehn Punkte.

Doch selbst Scheuer räumt ein, dass die Einigung nur möglich war, weil man "ein paar Themen beiseitegelegt" habe: den deutschen Ärger über die "rechtlich kritikwürdige" Blockabfertigung ebenso wie den Tiroler Ärger über die deutschen Grenzkontrollen. Die verursachen auch kilometerlange Staus. "Und das täglich", schimpft Platter. Die Kontrollen nennt er "Blödsinn". Trotzdem spricht Scheuer am Ende des gemeinsamen Auftritts von "allumfassender Zufriedenheit". Sicher wolle Platter nun rasch nach Tirol zurück, "mit guten Nachrichten aus Berlin", sagt Scheuer. Platter verzieht keine Miene.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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