Südostasien:Thaksin Shinawatra kehrt aus dem Exil nach Thailand zurück

Lesezeit: 3 min

Thaksin Shinawatra (r.) winkt am Internationalen Flughafen Don Mueang in Bangkok seinen Anhängern zu. (Foto: ATHIT PERAWONGMETHA/REUTERS)

Vor dem Militär war er einst geflüchtet, nun ist er wieder da - obwohl ihn in seiner Heimat das Gefängnis erwartet: Über einen Ex-Premier, der eine verblüffende Landung hingelegt hat.

Von Arne Perras

Fünfzehn Jahre lang hatte er auf diesen Moment gewartet. Endlich wieder thailändischen Boden unter den Füßen. Am Dienstagmorgen war es soweit: Thaksin Shinawatra, Thailands geflohener Ex-Premierminister, stieg am Flughafen Don Mueang aus dem Flugzeug. Familienmitglieder waren da, um ihn in Empfang zu nehmen, er bedankte sich mit gefalteten Händen und lächelte, wie man auf den Aufnahmen thailändischer Medien sah.

Auch verneigte er sich an diesem Morgen vor einem Bild des thailändischen Königs, um dem Monarchen die Ehre zu erweisen. Aber anstatt sich zu seinen Kindern und Enkelkinder zu gesellen, um den denkwürdigen Moment einer lang ersehnten Rückkehr zu feiern, musste er erst einmal der Realität ins Auge blicken: Thaksin wurde vom Flughafen auf direktem Wege zum Obersten Gericht des Landes gebracht, um seine Haft zu bestätigen, später sollte er in ein Gefängnis gebracht werden. Der 74-Jährige hat noch acht Jahre Haft aus früheren Prozessen abzusitzen.

Kurz nach seiner Ankunft bekundete Thaksin vor einem Foto des Königs und der Königin seinen Respekt dem Herrscherpaar gegenüber. (Foto: Athit Perawongmetha/Reuters)

Die Botschaft an die aufgewühlte Nation: die Verurteilung wegen Korruption gegen Thaksin, sie steht immer noch. Fragt sich nur wie lange, denn es ist damit zu rechnen, dass der König womöglich schon sehr bald Gnade walten lässt. Man durfte ohnehin vermuten, dass es im Vorfeld dieser Rückkehr bereits viele verdeckte Gespräche gegeben hat; Signale über Mittelsmänner und Mittelsfrauen, um auszuloten, wie der Staat denn reagieren werde, wenn er zurückkehren würde.

Thaksins Rückkehr ist ein starkes politisches Signal

Thaksin hatte sich einst aus dem Land abgesetzt, um eben dieser Gefängnisstrafe zu entgehen, die ihn nun doch noch ereilt. 2001 war er zum Ministerpräsidenten gewählt worden. 2006 stürzte ihn das Militär durch einen Putsch. Allen in Thailand ist klar, dass die Verfolgung des populären Thaksin durch die Justiz eine politische Dimension hatte, ganz unabhängig davon, wie gut die Korruptionsvorwürfe gegen ihn im Einzelnen nun zu belegen sind oder nicht.

Die meiste Zeit im Exil hat Thaksin dann in Dubai verbracht, er hatte immer wieder deutlich gemacht, wie sehr er seine Familie vermisst und auch sein Land. Mehrmals hatte er seine Rückkehr angekündigt und wieder verzögert. Nun also ist er zurück, und sein Familien-Clan hat immer noch politische Ambitio0nen, zweifellos.

Natürlich aber geht es hier nicht allein um Emotionen eines älteren Herrn, der sich einsam fühlt; es geht um viel mehr, Thaksins Rückkehr, sie ist ein starkes politisches Signal -allerdings auch eines, das für viele nicht so eindeutig zu lesen ist. Niemand wird an einen Zufall glauben, dass der Mann ausgerechnet an jenem Tag in Thailand landet, an dem das Parlament - am Nachmittag - einen neuen Premier bestimmen soll. Und der Kandidat gehört auch noch zu jener Partei, die Thaksin einst groß gemacht hat: die Pheu Thai.

Mit dem Aufstieg des ehemaligen Polizisten Thaksin zum populistischen Anführer vertiefte sich einst die politische Spaltung des Landes. Das Militär, das sich als Schutzmacht der Monarchie und des royalen ultra-konservativen Establishments betrachtet, misstraute Thaksin; es ist ein Konflikt zwischen demokratischen Kräften und konservativen Zirkeln, den Thailand seither nicht mehr losgeworden ist, obgleich der Mann, der so viel Fahrt in die Sache brachte, so viele Jahre gar nicht mehr anwesend war.

Wird der Kandidat der Pheu Thai Premier, werden das viele als Verrat betrachten

Thailand hat viele ungelöste Probleme, wirtschaftlicher und sozialer Art. Besonders heikel aber ist die Frage, welche Rolle die Monarchie noch spielen soll. Progressive Kräfte um den demokratischen Star Pita Limjaroenrat, dessen Move Forward Party im Mai die Wahlen gewonnen hat, wurden ausgebremst durch das Militär; das war möglich, weil die Armee vorgesorgt hatte: Nach ihrem Putsch 2014 ließ sie die Verfassung so ändern, dass kein Premier ernannt werden kann ohne breite Rückendeckung im Senat. Und dessen Mitglieder sind fast alle handverlesen vom Militär, genauer gesagt, sie stehen unter dem Einfluss eines alternden, aber sehr machtbewussten Generals: Prawit Wongsuwan.

Er dürfte maßgeblich darüber entscheiden, ob der Kandidat fürs Amt des Premiers Srettha Thavisin eine Chance bekommt. Der vermögende Immobilienunternehmer sollte am Nachmittag für die Partei Pheu Thai ins Rennen gehen, um neuer Premier zu werden.

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Wenn es so kommt, dann bedeutet das, dass die große Oppositionspartei, die einmal für demokratische Werte und Fortschritt stand, einen Deal eingegangen ist, den viele Thailänder als Verrat ablehnen. Um an die Macht zu gelangen, muss sich Pheu Thai mit dem Militär arrangieren und sich von konservativen Kräften mitttragen lassen. Der Preis dafür ist hoch: Pheu Thai ist abgerückt von seinem früheren Vorhaben, das Gesetz zur Majestätsbeleidigung und den entsprechenden Strafrechtsparagrafen zu ändern, der bis zu 15 Jahre Haft vorsieht für jeden, der die Monarchie verunglimpft.

Thaksins Rückkehr, sie symbolisiert genau dieses: Das Establishment der Monarchie sucht Verbündete aus dem Lager der gewählten Parteien, die bereit sind zu einem politischen Geschäft: Sie dürfen regieren, solange sie das monarchische System Thailand nicht antasten. Wird Thaksin begnadigt, so wäre auch dies ein Zeichen dafür, wer das letzte Wort hat in Thailand: Jener gekrönte Mann, vor dessen Bild sich der Rückkehrer Thaksin am Flughafen verneigt hat.

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