Südostasien:Der strahlende Gewinner als größter Verlierer

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Ist vom strahlenden Gewinner zum Verlierer des Systems geworden: der progressive Wahlsieger Pita Limjaroenrat. (Foto: Athit Perawongmetha/Reuters)

In Thailand hat das Militär den populären Gewinner der Wahl so weit ausgebremst, dass er kein Premier mehr werden kann. Aber wer könnte die Spaltung der Gesellschaft überhaupt überbrücken?

Von Arne Perras

Ginge es nicht um Thailand, sondern um einen Staat, der demokratische Prinzipien wahrt, wäre es ganz einfach: Dann würde jener Kandidat, der bei Wahlen klar gewonnen hat und dazu noch die nötigen Koalitionäre um sich schart, vom Parlament mit der Regierung beauftragt. Er könnte sich als Premier feiern lassen und mit frischer Kraft regieren.

Anders in Bangkok: Dort zeigt sich, dass auch ein strahlender Gewinner zum größten Verlierer des Systems werden kann. Und das liegt vor allem am Militär, das sich vor fast einem Jahrzehnt an die Macht putschte, um König und Nation zu schützen; die Generäle haben seither das politische System im Sinne der Ultrakonservativen manipuliert: Sie wollen, dass ihr Land zwar aussieht wie eine Demokratie; aber wehe, sie funktioniert auch wie eine. Das würde dann ja die eigene Macht beschneiden.

Der Wahlsieger bleibt blockiert - für viele keine Überraschung

Und so kommt es, dass Thailands progressive Kräfte - trotz immenser Popularität - kaum eine Chance haben, nach dem Willen der Mehrheit zu regieren, wie der Fall von Pita Limjaroenrat zeigt, dem Spitzenkandidaten der reformorientierten Move Forward Party (MFP). Er hatte die Wahlen im Mai klar gewonnen. Zusammen mit einigen Koalitionären hatte er eine stabile Mehrheit in der Kammer der 500 gewählten Abgeordneten in Aussicht.

Das Militär aber, das eine ultrakonservative Ordnung der thailändischen Monarchie verteidigt - und damit auch eigene Privilegien - verfügt über einen starken Hebel. Den Premier wählen nicht nur die 500 Abgeordneten der Kammer, sondern auch 250 Senatoren, von denen fast alle vom Militär handverlesen sind. Das Militär hat dieses System durchgesetzt, das Pita um die Früchte seines Sieges bringt.

Dank der Senatorenstimmen stellte die Armee schon im Juli sicher, dass der Kandidat Pita in einem ersten Wahlgang durchfiel; für eine zweite Runde wurde er gar nicht mehr zugelassen, weil Senatoren dagegen Einspruch erhoben. Vier Wochen später nun hat Pitas Lager eine weitere schwere Schlappe erlitten: Der Versuch, beim Verfassungsgericht die Kandidatur von Pita noch durchzusetzen, ist am Mittwoch gescheitert. Das Gericht verwarf eine entsprechende Petition, es nannte dafür formale Gründe. Der Wahlsieger bleibt also blockiert, was keine Überraschung ist angesichts der Anstrengungen im Militär, eine Regierung unter seiner Führung zu verhindern.

Pita hatte das schon nach der Niederlage im Juli angeprangert: "Es ist jetzt klar, dass es im gegenwärtigen System nicht ausreicht, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen, um das Land zu regieren."

Doch wer wird dann neuer Regierungschef in Bangkok? Militärnahe Kräfte haben alleine nicht genügend Stimmen, um einen steuerbaren Kandidaten ins Amt zu befördern. Im Moment versucht es die Partei Pheu Thai, die zuvor mit der MFP koalieren wollte, nun aber doch lieber mit konservativen Kräften paktiert. Die MFP Pitas wiederum wird diesen Schwenk nicht unterstützen, sodass fraglich ist, ob so die nötige Mehrheit für einen Premier zustande kommt. MFP verfügt als Sieger der Wahl über 151 Sitze, Pheu Thai immerhin über 141 Sitze. Beide brauchen Bündnispartner, um die nötigen 376 Stimmen zusammenzubekommen.

Kann es gelingen, die Lähmung Thailands aufzubrechen?

Pheu Thai hat angekündigt, den Immobilienmagnaten Srettha Thavisin als Kandidaten ins Rennen zu schicken, die Abstimmung ist nun für den 22. August vorgesehen. Dass die Partei des früheren Premiers und Exilpolitikers Thaksin Shinawatra so weit geht, ein Bündnis mit ihren früheren Erzgegnern aus dem konservativen Establishment einzugehen, zeigt, wie fragil die Machtbasis einer künftigen Regierung sein dürfte, selbst wenn Pheu Thai nun den Premier stellen kann. Ob Thaksin, der die Thailänder in seiner Regierungszeit gespalten hat wie kaum ein anderer, jemals aus dem Exil in seine Heimat zurückkehren wird, bleibt offen, der Streit darum macht es noch komplizierter.

So bleibt vorerst ungewiss, ob es gelingen wird, die Lähmung Thailands aufzubrechen. Frust und Enttäuschung mischen sich mit unterschwelliger Wut jener Kräfte, die etwas voranbringen wollen in einem Land, das großes ökonomisches Potenzial hat, aber politisch ständig von Kräften der Beharrung ausgebremst wird. Der Machtkampf zwischen Konservativen und Progressiven schwelt schon lange. Hinter den kräfteraubenden Querelen steckt auch der Streit um die Zukunft der Monarchie. Die Bewegung um die MFP möchte das drakonische Gesetz zur Majestätsbeleidigung lockern, manche fordern, es ganz auszuhebeln, was von ultrakonservativen Kräften per se schon als eine Art Hochverrat betrachtet wird.

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Die Partei Pheu Thai rechnet sich nun eine Chance aus, weil sie signalisiert hat, das Lèse-Majesté-Gesetz nicht anzutasten. Doch selbst, wenn dieser Anlauf glücken sollte, einen neuen Premier zu installieren - das Manöver hilft kaum, die tiefe Spaltung der thailändischen Gesellschaft dauerhaft zu überbrücken.

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