Thailand:Wahlsieger vom Verfassungsgericht aufgehalten

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Anhänger von Pita Limjaroenrat protestieren vor dem Parlament in Bangkok gegen die Entscheidung, den Wahlsieger als Abgeordneten zu suspendieren. (Foto: Wason Wanitchakorn/AP)

In Bangkok sollte es heute zur zweiten Abstimmung über einen neuen Premierminister kommen. Doch Militär und Establishment haben verhindert, dass Wahlsieger Pita Limjaroenrat an die Macht kommt.

Von David Pfeifer, Bangkok

Am Morgen des zweiten Wahlgangs war nicht einmal sicher, ob Pita Limjaroenrat, 42, der bislang einzige Kandidat für die Wahl des Premierministers, erneut kandidieren darf. Am Mittag war dann klar, dass die Demokratiebewegung in Thailand einen Rückschlag erleben würde. Demonstranten bewegten sich auf das Parlament zu, in dem ihr Hoffnungsträger seine Niederlage eingestand. Nicht, weil er keine Mehrheit zustande bekommen hatte, sondern "weil ich eine Aufforderung des Verfassungsgerichts erhalten habe, nicht anzutreten", wie Pita von einem Zettel ablas. "Ich akzeptiere die Entscheidung und werde mich daran halten, bis ein Urteil gefällt wurde."

Dabei hatte der Tag noch damit begonnen, dass Chonlanan Srikaew, Vorsitzender des größten Move-Forward-Partners, der, "Pheu Thai"-Partei, umlagert von Reportern erklärte, dass die Koalition aus acht Parteien, die er gemeinsam mit Pita geformt hat, diesen auch an diesem Mittwoch wieder nominieren wolle. Um 9:43 Uhr Ortszeit startete also die Sitzung des Repräsentantenhauses genau damit. Es folgte eine Debatte darüber, ob das überhaupt rechtmäßig ist.

Es gibt viele mächtige Menschen, die um ihre Macht oder Monopole fürchten

Bei der ersten Wahl hatte Pita nur 324 der erforderlichen 375 Stimmen bekommen. Das Hauptargument, nicht für Move Forward zu stimmen, war in teilweise stark überhitzten Wortbeiträgen der Artikel 112 des thailändischen Strafgesetzbuches gewesen, den die Move Forward überarbeiten will. Die sogenannte Lèse-majesté, die Beleidigungen der Monarchie verbietet. Das Anti-Establishment-Reformprogramm von Move Forward geht allerdings weit darüber hinaus und nimmt Geschäftsmonopole und Institutionen ins Visier, die in Thailand lange als unantastbar galten.

Zahlreiche Abgeordnete waren in der vergangenen Woche hart dafür angegangen worden, vor allem in den sozialen Netzwerken, dass sie die Regierungsbildung verhindert hatten. Sie hätten die 250 Senatorinnen und Senatoren überstimmen müssen, die von der klar abgewählten Militärregierung eingesetzt worden waren, um sich die Macht dauerhaft zu sichern. Pita hatte am Morgen auf Facebook noch eine Botschaft hinterlassen, in der er diese Senatoren bat, "den Willen des Volkes zu respektieren".

Der Senat setzt sich größtenteils aus Vertretern des alten Establishments, Königstreuen und Militärs zusammen. Eine prominente Senatorin ist Pornthip Rojanasunand, 68, eine Forensikerin, die in Thailand für ihre Ermittlungsarbeit ebenso berühmt ist wie für ihre Frisuren. An ihrem Beispiel lässt sich gut aufzeigen, was sich derzeit in der thailändischen Bevölkerung abspielt. Pornthips Tochter, die Move Forward unterstützt, hatte nach der verunglückten Wahl am vergangenen Mittwoch auf Instagram gepostet: "Sprecht mich bitte nicht auf die Politik an. Ich schäme mich dafür." Pornthip hatte daraufhin öffentlich gesagt, sie finde, dass Senatoren generell nicht das Recht haben sollten, für einen Premierminister zu stimmen. Die Senatorin wollte am Mittwoch also für niemanden stimmen. Das Problem: nicht wählen, ist auch eine Wahl. Nämlich gegen Pita. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen.

"Ich habe das Gefühl, dass es in der Gesellschaft Fortschritte gibt"

Move Forward hatte im Mai 151 von 500 Sitzen im Repräsentantenhaus errungen, Pheu Thai 141 Sitze. Mehr als 66 Prozent der Thailänder haben die beiden Parteien gewählt, bei einer Rekordwahlbeteiligung von über 80 Prozent. Die kam allerdings auch zustande, weil in Thailand quasi Wahlpflicht herrscht. Doch dadurch, dass das Ergebnis so eindeutig ausfiel, wurde die Wahl zu einem Kampf von Alt gegen Neu, von Vergangenheit gegen Zukunft. "Die Menschen verlangen etwas Neues, Frisches, im Gegensatz zu den Härten, die sie in den vergangenen zehn Jahren erdulden mussten" hatte Pita noch am Vorabend des zweiten Wahlgangs gesagt.

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Knapp zehn Jahre blieb die Militärregierung nach einem Coup im Jahr 2014 an der Macht. Das Militär putscht in Thailand häufig - in der Vergangenheit allein drei Mal gegen eine Pheu-Thai-Regierung. Und es ist königstreu. Das Militär schützt aber auch die Interessen der konservativen Unternehmer im Land. Es ging am Mittwoch also auch darum, ob sich etwas bewegen lässt, ob einzelne Senatoren und Abgeordnete sich umstimmen lassen, und sei es nur von den eigenen Kindern.

Doch dann griff das ebenfalls konservative Verfassungsgericht ein, das Pita noch während der laufenden Debatte als Abgeordneten suspendierte. Die Wahlkommission hatte wegen einer Firmenbeteiligung Pitas einen entsprechenden Antrag gestellt. Das Gericht will zudem ein separates Verfahren gegen die Move Forward aufnehmen, wegen der Absichten der Partei in Bezug auf Artikel 112. Die Partei könnte also auf Basis der Lèse-majesté, die sie reformieren will, nachträglich aus dem Rennen genommen werden. Im Augenblick sieht es für die Zukunft Thailands nicht gut aus.

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