Am 15. April erschüttert schwerer Gefechtsdonner Khartum, die Hauptstadt des Sudan. Es ist der erste Tag im Krieg zweier machthungriger Generäle um die Herrschaft über das Land am Nil. Sechs Monate später bekämpfen sich die beiden Rivalen noch immer. Die nationalen Streitkräfte (SAF) folgen dem Kommando des Putsch-Generals Abdel Fattah al-Burhan, die Kämpfer der Rapid Support Forces (RSF) befehligt Milizenführer Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti. Mehr als fünf Millionen Sudanesen sind seither vor der Gewalt geflohen, Tausende gestorben. Prinzipiell seien sie bereit für Verhandlungen, versicherten die Generäle kürzlich. Aber was sind die Bekenntnisse wert? Vier Gründe, warum ein Friede im Sudan in weite Ferne gerückt ist.
Das Ego der beiden Kriegsherren
An einer Konstante hat sich seit Ausbruch der Kämpfe nichts geändert: Beide Kriegsherren glauben daran, dass sie irgendwann die Oberhand erringen. Sie kämpfen dafür, den ganzen Staat zu beherrschen. Analysten halten das für unwahrscheinlich. Ahmed Soliman vom Forschungsinstitut Chatham House in London sagt im Telefonat: "Es gibt ein Patt in diesem Krieg. Keine der beiden Seiten wird in der Lage sein, die jeweils andere zu besiegen. Beide Männer müssten das erst einmal anerkennen."
Auch fehlt ihnen jegliche Bereitschaft, einen Weg für eine zivil geführte Regierung zu ebnen. "Ich glaube nicht, dass die Angebote für Verhandlungen, die Burhan und Hemeti gemacht haben, ernst gemeint sind. Es ist eine sehr entmutigende Situation", sagt Soliman. "Und die Zerstörung ist immens."
Burhan und Hemeti befehligen Truppen, die nach Erkenntnissen von Menschenrechtsorganisationen schwere Verbrechen begangen haben. Sie müssen deshalb fürchten, sich irgendwann vor der Justiz verantworten zu müssen, sobald demokratische Verhältnisse eine Chance bekommen. Es sei denn, eine Amnestie würde vereinbart - oder die Generäle gingen ins Exil. Von einem solchen Szenario ist der Sudan weit entfernt.
Die Spaltung des Vielvölkerstaates
Die Truppen Hemetis haben nahezu ganz Khartum unter ihrer Kontrolle, außerdem kämpfen mit ihm verbündete Milizen in Darfur. Die Armee wiederum bombardiert städtische Ziele, oft ohne Rücksicht auf zivile Opfer, sie rechtfertigt die Angriffe damit, dass sie RSF-Einheiten bekämpfe, die sich in Stadtteilen Khartums - oft in Schulen oder Krankenhäusern - verschanzen. Sich unter die Zivilbevölkerung zu mischen, gehört zur militärischen Taktik der RSF, um es dem Gegner schwer zu machen. Burhans Streitkräfte kontrollieren große Gebiete rund um die Hauptstadt, im Osten und im Süden. Kleine Regionen nahe der Grenze zum Südsudan werden wiederum von einzelnen Rebellenführern beherrscht.
Es droht eine dauerhafte Spaltung des Staatsgebiets mit seinen mehr als 46 Millionen Einwohnern, zumal sich Burhan aus Khartum zurückziehen musste. Seinen Kampf organisiert er seither von Port Sudan aus, am Roten Meer. Dort entsteht auch ein neues Außenministerium. Der Putsch-General möchte als Staatenlenker gelten, obgleich ihm dafür die Legitimität fehlt. Sein Rivale Hemeti hat inzwischen signalisiert, dass er in den von ihm kontrollierten Gebieten staatliche Parallelstrukturen aufbaue, wenn Burhan die Regierung von Port Sudan aus für sich reklamiert.
Die Ausweitung ethnisierter Gewalt
Hemetis wichtigste Rückzugsräume liegen in seiner Heimat, der Region Darfur. Seit Beginn des Krieges verdichten sich Indizien, dass mutmaßlich von Hemeti gesteuerte arabischstämmige Milizen einen Vertreibungsfeldzug gegen nicht-arabische Ethnien gestartet haben - ähnliche Verbrechen geschahen schon im ersten Darfur-Krieg, der 2003 ausgebrochen war. Der damalige Diktator, Omar al-Bashir, wurde deshalb des Völkermords angeklagt, aber nie an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert. Hemeti und Burhan sind seine Ziehsöhne.
Berichte über Verfolgungen, Vergewaltigungen und Massaker am Volk der Masalit in El-Geneina stützen den Befund ethnisierter Gewalt. Die Täter gehen straflos aus, die Exzesse reißen erneut tiefe Wunden in einer Zeit, da alte Verletzungen noch nicht verheilt sind. Vieles spricht dafür, dass Darfur auf absehbare Zeit nicht zur Ruhe kommt und Schauplatz massiver Gewalt gegen Zivilisten bleibt.
Könnte eine Friedenstruppe die Gewalt stoppen? Das versuchten die Vereinten Nationen schon im vorigen Darfur-Konflikt, mit geringem Erfolg. Was immer damals erreicht wurde, ist durch das erneute Aufflammen des Konflikts wieder zerstört. "Die Neigung der Staatengemeinschaft, erneut eine Friedenstruppe in den Sudan zu schicken, ist äußerst gering", sagt der Experte Soliman. "Am schlimmsten wäre es, wenn eine ausländische Truppe aus Afrika selbst zur Kriegspartei im Sudan werden würde."
Die Kakophonie der Vermittler
Und wer könnte einen Ausweg aus der Gewalt ebnen? Auch das bleibt nebulös, weil die internationale Diplomatie nicht an einem Strang zieht; eine Vielzahl von Vermittlungsinitiativen ist entstanden, in Afrika und der arabischen Welt, doch keine hat bislang Erfolge erbracht. Erschwerend kommt hinzu: "Die USA und auch Europa haben keine klare Strategie für den Sudan", sagt Soliman.
Es gibt Berichte, wonach Hemeti und Burhan kürzlich nach Saudi-Arabien gereist sein sollen, bestätigt sind sie nicht. In Dschidda versuchen die USA und Saudi-Arabien, die Krisendiplomatie für den Sudan als Führungsmächte zu lenken, aber Anläufe im Frühjahr reichten nicht einmal aus, um eine Waffenruhe zu vereinbaren. Die wäre dringend nötig, um die leidende Bevölkerung mit dem Wichtigsten zu versorgen. Leni Kinzli vom Welternährungsprogramm (WFP) sagt, dass viele Gebiete für Helfer noch immer nicht erreichbar sind, auch Flugzeuge seien zur Versorgung wegen der Kämpfe vielerorts nicht einsetzbar. Selbst in die Hauptstadt Khartum ließen sich nur ab und zu kleinere Mengen liefern, sagt die Nothelferin. "Das reicht alles nicht aus, und wir sehen nicht, dass die Kriegsparteien die Bevölkerung versorgen." Zwanzig Millionen Sudanesen steuern laut WFP in eine schwere Hungerkrise, mehr als sechs Millionen sind bereits akut bedroht, weil sie zu wenig zu essen haben.