Geberkonferenz in Genf:Mehr Hilfe für den Sudan - aber kein Weg, sie zu verteilen

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Menschen fliehen in einem Lastwagen vor den Kämpfen in Khartum, einem der Brennpunkte des Konflikts zwischen zwei rivalisierenden Generälen. (Foto: AP)

Mit nur 1,5 Milliarden Dollar wollen die UN-Geberländer die Not im Sudan lindern - doppelt so viel wäre nötig. Doch es gibt noch größere Probleme. Über die Fallstricke der humanitären Hilfe.

Von Arne Perras

Die Vereinten Nationen haben bei einer Konferenz in Genf Hilfszusagen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar für den Sudan erhalten. Das Land am Nil mit seinen 46 Millionen Einwohnern versinkt in Gewalt, seitdem zwei rivalisierende Generäle um die Macht im Staat kämpfen. Abdel Fattah al-Burhan kommandiert die regulären Streitkräfte, Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, führt die Miliz "Rapid Support Forces" (RSF). Armee und Miliz sind je mehr als 100 000 Mann stark. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Strategie der Weltgemeinschaft, Leben im Sudan zu retten.

Wer benötigt am dringendsten Hilfe?

Der Krieg hat die zivile Wirtschaft weitgehend lahmgelegt, das Bankensystem ist zusammengebrochen, die Not steigt rapide. Nach UN-Schätzungen ist jeder zweite Bewohner auf Unterstützung angewiesen. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Im Osten, der weitgehend unter Kontrolle der Armee steht und Zugang zum Roten Meer hat, ist es vergleichsweise ruhig. Hilfslieferungen sind dort möglich. Die schlimmsten Brennpunkte der Gewalt sind zum einen die Hauptstadt Khartum, um deren Kontrolle die Generäle kämpfen; zum anderen die Halbwüsten und Savannen von Darfur im Westen des Sudan. Dort haben Zivilisten keinerlei Schutz vor mordenden Milizen. Extrem ist die Lage für schwangere Frauen, die im Kerzenschein gebären, für Kleinkinder, die nicht mehr ausreichend ernährt werden können, und auch für Menschen, die an chronischen Krankheiten leiden und nicht mehr an die Medikamente kommen, die sie brauchen. Sexualisierte Gewalt, verübt durch bewaffnete Kämpfer, nimmt nach Einschätzung der UN vielerorts zu.

Reichen die Mittel aus, und wie können sie verteilt werden?

UN-Generalsekretär António Guterres beziffert den Bedarf an Hilfe für den Sudan auf etwa drei Milliarden Dollar, nur die Hälfte ist zusammengekommen. Ein Teil wird dazu dienen, Menschen zu versorgen, die in Nachbarländer geflohen sind, besonders prekär ist die Lage im Tschad. Aber eine riesige Hürde bleibt: "Wir brauchen Sicherheit, sonst können wir unsere Arbeit nicht machen", sagt der Chef der Welthungerhilfe im Sudan, Michael Gabriel, der SZ. Nur eine über längere Zeit haltende Waffenruhe und Garantien der Kriegsparteien könnten Korridore ermöglichen, um all jene zu versorgen, die es am dringlichsten brauchen. Die Vereinten Nationen haben jetzt zwar Zusagen für mehr Mittel - aber noch keine Wege, um sie zu verteilen.

Mit welchen Risiken muss die Weltgemeinschaft rechnen, wenn sie die Hilfe im Sudan ausweitet?

In den ersten Wochen des Krieges wurden Lagerhäuser für Getreide, Sprit, Medikamente schnell von bewaffneten Gruppen geplündert. Deshalb müssen die UN auf Sicherheitsgarantien durch die Kriegsparteien pochen, damit verhindert wird, dass Hilfe abgezweigt und in falsche Hände gelangt. Erfahrene Praktiker sagen, dass dies unter den gegenwärtigen Bedingungen in Darfur gar nicht möglich ist. Und auch in Khartum wird es zunehmend heikel. Dort haben sich überall Kämpfer der Miliz "Rapid Support Forces" (RSF) verschanzt, die gegen die regulären Streitkräfte kämpfen. Sie haben große Schwierigkeiten mit ihrem Nachschub und gelten derzeit als größtes Hindernis für den Erfolg humanitärer Einsätze. Und was eine Sicherheitsgarantie der RSF tatsächlich wert wäre, ist ungewiss.

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Wie stehen die Chancen für eine politische Lösung des Konflikts?

Eher schlecht, die Diplomatie kommt kaum voran. Gespräche in Dschidda, die von den USA und Saudi-Arabien initiiert wurden, haben bislang nicht einmal eine Waffenruhe erzielt, die längere Zeit gehalten hätte. Ständig wurden Vereinbarungen gebrochen. Bemühungen der afrikanischen Nachbarstaaten stocken ebenfalls, weil die sudanesische Armee den Staat Kenia nicht als möglichen Führer von Verhandlungen akzeptiert. Viele Staaten verfolgen im Sudan eigene Interessen, sodass es unwahrscheinlich bleibt, dass alle an einem Strang ziehen werden, um maximalen Druck auf die Kriegsparteien auszuüben. Beide Generäle scheinen weiterhin auf die eigene Kampfkraft zu setzen, um zu siegen, eine militärische Intervention von außen brauchen sie kaum zu fürchten.

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