Stuttgart 21:Bahnchef Grube lehnt Baustopp ab

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Nein, nicht mit ihm: Bahnchef Grube lehnt sowohl Baustopp als auch Vergabestopp ab. Er will den Bürgern sagen bei Stuttgart 21, "was geht und was nicht".

Dagmar Deckstein und Thorsten Denkler, Stuttgart

Begleitet von lautstarken Protesten vor der Liederhalle in Stuttgart hat Bahnchef Rüdiger Grube bei einer Podiumsdiskussion der Industrie- und Handelskammer jeglichen Vorbedingungen an eine Schlichtung eine Absage erteilt. Grube sagt vor etwa 750 Wirtschaftsvertretern: "Es kann und darf keinen Baustopp und keinen Vergabestopp geben." Er wolle den Bürgern und auch den Gegnern des Projektes Stuttgart 21 damit "ganz klar sagen, was geht und was nicht geht".

Kein Baustopp, kein Vergabestopp: Bahnchef Rüdiger Grube bleibt hart. (Foto: dapd)

Grube begründete seine Haltung mit den Kosten eines Bau- und Vergabestopps und den vertraglichen Verpflichtungen. Über den Daumen gepeilt koste jede Woche Baustopp 2,5 Millionen Euro, sagte der Manager. "Wir als Deutsche Bahn haben einen Vertrag der uns sagt, diesen Vertrag müssen wir abarbeiten."

Er fügte hinzu, dass er über solche Fragen auch als Vorstandsvorsitzender der Bahn "gar nicht alleine entscheiden kann". Dafür benötige er ein Votum des Aufsichtsrates und das Einverständnis aller Projektträger. "Ein Vertrag ist ein Vertrag und ein Vertrag ist dafür da, dass er erfüllt wird", sagte Grube.

Zuvor hatte der Vermittler Heiner Geißler bei den Gegnern des Projekts die Hoffnung geweckt, dass die Bahn doch zu einem Aussetzen der Arbeiten bereit sein könnte. Der frühere CDU-Generalsekretär und Schlichter zwischen den Fronten um das milliardenschwere Projekt erklärte, er habe am Sonntag drei Stunden lang mit Bahn-Chef Grube gesprochen und ihn immerhin dazu bewegen können, über einen Baustopp während der Schlichtungsgespräche nachzudenken.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) weicht inzwischen etwas von seiner kompromisslosen Linie ab und hält zumindest kleine Veränderungen an der Architektur des Bahnhofs durch die Schlichtung für denkbar. "Ich stehe weiter zu dem Projekt, aber wenn Veränderungen gewünscht sind, dann ist das für mich kein K.o.-Kriterium", meldete sich Mappus am Montag in der saudischen Hafenstadt Dschidda von seiner knapp sechstägigen Delegationsreise durch Saudi-Arabien und Katar.

Wenn Veränderungen an der Architektur gewünscht seien, müsse man sich dem stellen. "Dann darf mir aber nicht der Vorwurf gemacht werden, dass ich das Projekt teurer mache", sagte Mappus. Auch sollen während der Gespräche keine neuen Aufträge vergeben werden. Unterhalb eines kompletten Baustopps könne während des Schlichtungsgesprächs über alles geredet werden. Die Schlichtung soll laut Mappus voraussichtlich am Donnerstag beginnen. Angesichts der Weigerung der Bahn, die Arbeiten zu stoppen, ist es allerdings fraglich, ob die Projektgegner zu Gesprächen bereit sind.

Vorbehalte gegen das Projekt gibt es auch in der Wirtschaft Baden-Württembergs. So steht offenbar der Mittelstand des Landes nicht einhellig hinter Stuttgart 21. Nur jeder zweite Unternehmer im Südwesten unterstützt das Milliardenprojekt, wie das Karlsruher Marktforschungsinstitut Cobus am Montag mitteilte. Dies habe eine repräsentative Befragung von 750 mittelständischen Firmen im Land ergeben. Gegen das Projekt sprechen demnach die fehlende Perspektive, zu hohe Kosten und die zu lange Bauzeit. Viele Mittelständler bemängelten zudem eine "Politik nach Gutsherrenart" und eine "Augen-zu-und-durch-Mentalität".

Unterdessen warnte SPD-Chef Sigmar Gabriel davor, die Landtagswahl in Baden-Württemberg im nächsten März zur Volksabstimmung über Stuttgart 21 hochzustilisieren, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einigen Wochen getan hatte. Das Vorhaben sei ein wichtiges regionales Verkehrsprojekt - "nicht mehr und nicht weniger " - und auch kein Beispiel für Unregierbarkeit, sondern "für falsches Regieren", so Gabriel. Nach einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von Bundes- und Landes-SPD dringen auch die Sozialdemokraten auf einen kompletten Baustopp während der Gespräche.

Zwar stehe die SPD weiterhin hinter dem Bahnprojekt, da die Sozialdemokraten eine "Infrastrukturpartei par excellence" seien, sagte Gabriel. Zugleich böte Stuttgart 21 die große Chance, die derzeit herrschende politische Kultur des Misstrauens in eine der Teilhabe zu wandeln. Die SPD setze sich weiter auf Bundes- und Landesebene für mehr plebiszitäre Elemente ein.

Gabriel und SPD-Landeschef Nils Schmid machten eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 zur Bedingung einer möglichen Koalition nach der Landtagswahl. Die Grünen, so Gabriel, müssten endlich sagen, ob sie die Forderung der SPD nach einer Volksabstimmung unterstützten. Ihre Zurückhaltung sei ein Indiz, dass sie heimlich mit Mappus eine schwarz-grüne Regierungskoalition planten.

© SZ vom 12.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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