CSU: Gespräch mit Herrmann:"Mehr Schaden als Nutzen"

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Front gegen de Maizières "Superpolizei": Bei einer Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei "käme zusammen, was nicht zusammen gehört", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Gespräch mit der SZ.

Heribert Prantl

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) plant die Fusion von Bundeskriminalamt und Bundespolizei zu einer Art "Superpolizei". Dieses Vorhaben geht zurück auf einen Vorschlag einer Expertenkommission unter Leitung von Eckart Werthebach, dem früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Bei den betroffenen Polizeibehörden stoßen die Pläne auf massive Ablehnung. Rainer Hofmeyer, früherer BKA-Abteilungspräsident, rügt deren Praxisferne: Die Kommission sei von "pensionierten Behördenleitern" gebildet worden, "die in ihrem Leben weder ein Polizeirevier noch eine Kriminalwache von innen gesehen haben". Der Grundsatz-Kritik schließt sich nun der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an.

Spricht sich gegen eine Zusammenlegung von Bundespolizei und Bundeskriminalamt aus: Bayerns Innenminister Joackim Herrmann (CSU). (Foto: dapd)

SZ: Was ist wichtiger - dass die Polizei Ländersache ist und bleibt, oder dass sie gut funktioniert?

Herrmann: Polizei funktioniert gut, nicht zuletzt weil sie Ländersache ist. Das hat auch die Werthebach-Kommission festgestellt.

SZ: Diese Kommission hat vorgeschlagen, die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt zu fusionieren. Der Bundesinnenminister hat sich der Forderung angeschlossen. Das macht die Polizeiarbeit effektiver, meint er. Was passt Ihnen daran nicht?

Herrmann: Ich fürchte, dass eine solche Zusammenlegung mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Die Koalition hat zwar vor einem Jahr im Koalitionsvertrag den Auftrag erteilt, die Sicherheitsstrukturen in Deutschland zu überprüfen - dabei aber vor allem daran gedacht, das Nebeneinander von Zoll und Bundespolizei an den Grenzen zu überdenken. Von einer Zusammenlegung von BKA und Bundespolizei war überhaupt nicht die Rede.

SZ: Man kann ja auch Dinge vorschlagen, von denen noch nicht die Rede war, wenn sie denn sinnvoll sind.

Herrmann: Sind sie aber nicht. Bundespolizei und BKA haben völlig verschiedene Aufgaben. Jeder für sich macht gute Arbeit. Die Bundespolizei arbeitet örtlich beschränkt an den Grenzen und an den Flughäfen. Das BKA bekämpft bundesweit Drogenkriminalität und internationalen Terrorismus und arbeitet im Übrigen eng mit den Landeskriminalämtern zusammen. Durch Fusion würde die Arbeit nicht besser, sondern schlechter. Es käme zusammen, was nicht zusammengehört.

SZ: Was ist wirklich zu reformieren?

Herrmann: Die Zusammenarbeit zwischen Zoll und den Polizeien ist derzeit extrem schwierig - das zu ändern, war der Auftrag des Koalitionsvertrags. Den hat im Bereich der inneren Sicherheit der damalige Bundesinnenminister Schäuble verhandelt. Der jetzige Finanzminister Schäuble erklärt nun auf einmal den Zoll, der jetzt zu seinem Zuständigkeitsbereich gehört, zum Tabu. Deshalb hat sich die Kommission mit ganz anderen Dingen beschäftigt, nämlich mit der Fusion von BKA und Bundespolizei.

SZ: Die Länderinnenminister sind ein Opfer von Schäuble.

Herrmann: In gewisser Weise ja. Es sollte die Arbeit des Zolls überdacht werden. Die Kommission hat den eigentlichen Auftrag gar nicht erfüllt.

SZ: Wenn es künftig in Deutschland zwei Polizei-Ebenen gäbe, die Ebene der neuen Bundespolizei und die Ebene der Länderpolizeien, so wäre das ein Modell ähnlich wie in den USA: Dort gibt es das FBI als Bundespolizei und daneben weitere Polizeien in den US-Bundesstaaten. Was ist daran schlecht?

Herrmann: Was daran schlecht ist, kann man mittlerweile in jedem zweiten US-Krimi sehen. Dass dortige Neben- und zum Teil Gegeneinander der lokalen Polizeibehörden und der Bundessicherheitsorgane erschwert die Verbrechensbekämpfung. Solche Rivalitäten wollen wir in Deutschland nicht.

SZ: Das BKA ist eine Art Hirn der Polizei. Wenn das Hirn zum Körper Bundespolizei kommt, ist das doch eigentlich nicht schlecht, oder?

Herrmann: Es ist der falsche Körper. Das BKA hat völlig andere Aufgaben. Die Aufgaben der Bundespolizei konzentrieren sich wie gesagt auf die Grenzen und die Flughäfen. Das ist in Ordnung. Der Bund kann aber nicht durch die Hintertür der Fusion eine allgemeine Polizeikompetenz des Bundes herbeiführen. Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht lassen das nicht zu.

SZ: Wenn Bundesinnenminister de Maizière die Fusion von BKA und Bundespolizei will, dann müsste er also die Änderung des Grundgesetzes betreiben.

Herrmann: Richtig. Eine Fusion ist ohne Grundgesetzänderung nicht machbar. Und einer solchen Änderung werde ich nie zustimmen - meine Kollegen in den Ländern auch nicht.

SZ: Weil die Fusion nicht nur eine organisatorische Änderung wäre ...

Herrmann: ... sondern weil damit die Kompetenzen verändert werden. Es gibt eine klare Verfassungslage, die der Bund zu respektieren hat. Polizei ist und bleibt Ländersache. An der klaren Verfassungslage kann man sich nicht mit nur scheinbar organisatorischen Maßnahmen vorbeimogeln.

SZ: Bei aller Liebe zum Föderalismus: Muss man nicht davon Abschied nehmen, dass in globalen Zeiten Polizei so kleinteilig aufgestellt ist? Nicht jedes Bundesland ist groß wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen.

Herrmann: Gerade wegen der globalen Aspekte ist für die Bekämpfung der internationalen Kriminalität das BKA zuständig - Drogenhandel, internationalen Terrorismus. Im Übrigen lässt das Grundgesetz einen Spielraum, dem BKA weitere Aufgaben zuzuordnen, mit Zustimmung des Bundesrats natürlich. Wir haben soeben erst eine umfangreiche Reform des BKA-Gesetzes hinter uns.

SZ: Wenn Ihre Argumente gegen eine neue große Bundespolizei so gut sind, warum können Sie dann Ihren CSU-Parteifreund Hans-Peter Uhl, den innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, nicht überzeugen?

Herrmann: Ich fürchte, die Bundestagskollegen haben die Betroffenheit und die Zuständigkeit der Länder in ihren ersten Äußerungen zu wenig berücksichtigt.

SZ: Auch der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Krings steht positiv zur Fusion.

Herrmann: Den Kollegen ist die verfassungsrechtliche Lage noch nicht ausreichend bewusst. Ich bin zuversichtlich, dass auch die fachlichen Einwände aus dem BKA und den Polizeigewerkschaften nicht ungehört verhallen.

SZ: Gibt es eine Spaltung der Union in dieser Frage - zwischen den Bundes- und den Landespolitikern?

Herrmann: Eher eine noch nicht ausreichende Sensibilität im Bundesinnenministerium und bei einigen Bundespolitikern.

SZ: Hans-Peter Uhl hat den BKA-Präsidenten Ziercke davor gewarnt, gegen die Fusion zu opponieren.

Herrmann: Natürlich muss man von jedem Beamten Loyalität erwarten. Aber wir sind ja in einem Diskussionsprozess; und so lange muss die Politik Kritik von Spitzenbeamten aushalten. Natürlich muss der BKA-Präsident seine Meinung sagen können. Und er hält nun einmal nichts von der Fusion. Der Chef der Bundespolizei hält auch nichts davon.

SZ: Im Bundesinnenministerium beginnt am 5. Januar eine "Stabsstelle" zu arbeiten, die die Reform- und Fusionspläne bearbeiten und bis zur Innenministerkonferenz im Mai Ergebnisse vorlegen soll. Ist in solcher Hast vernünftige Arbeit überhaupt möglich?

Herrmann: Die Stabsstelle soll sich um die unproblematischen Details kümmern - zum Beispiel, dass der Personenschutz nicht mehr dem BKA, sondern der Bundespolizei zugeordnet werden soll. Ansonsten halte ich es für höchst problematisch, wenn der Bund meint, sicherheitspolitische Grundsatzfragen ohne Beteiligung der Länder diskutieren zu können. Da verkennt er die deutsche Sicherheitsarchitektur. Werthebach selbst hat im Übrigen davon gesprochen, dass die Beratung über Grundfragen der Sicherheitsarchitektur viele Jahre dauern wird. Aus mir völlig unverständlichen Gründen hat der Bundesinnenminister diesen Zeithorizont auf die wenigen Monate bis zum Mai verkürzt.

SZ: Zusammengefasst: Die große Fusion zu einer neuen Bundes-Superpolizei wird es nicht geben.

Herrmann: Eine Gesamtmeinungsbildung aller Länder ist zwar noch nicht erfolgt. Aber bei allen großen unionsregierten Bundesländern gibt es ganz erhebliche Bedenken und bei der SPD auch.

SZ: Eine ganz andere Frage zum Schluss: Der neue Präsident des Deutschen Flughafenverbandes hat verlangt, Flugpassagiere künftig in Risikogruppen einzuteilen und dann unterschiedlich scharf zu kontrollieren. Mit einem solchen Profiling, meint er, könnten die Kontrollsysteme "zum Wohle aller Beteiligten" effektiver eingesetzt werden.

Herrmann: Davon halte ich wenig. Diese Praxis kommt aus Israel, das Profiling wird dort auf dem Flughafen von Tel Aviv praktiziert. Der Airport dort hat die Größenordnung des Flughafens von Nürnberg oder Hannover. Bei dem gigantischen Flugaufkommen, das wir in München oder Frankfurt haben, ist so ein Profiling schon praktisch nicht machbar. Weltweit die Leute nach potentiellen Gefährdungsgraden einzustufen - das ist doch gar nicht darstellbar und im Übrigen mit den Gleichbehandlungsgrundsätzen und dem Diskriminierungsverbot nicht in Einklang zu bringen.

© SZ vom 30.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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