Sie leben in Traglufthallen, 300 Männer, Frauen und Kinder, nur durch Sperrholzwände getrennt. Oder in Zelten, auf 16 Betten, dicht an dicht gestellt. In Klassenräumen haben die Behörden Flüchtlinge untergebracht und in Schulturnhallen. Ganz schön voll hier in Deutschland - diese Botschaft vermitteln die Provisorien, mit denen Länder und Kommunen versuchen, derzeit täglich mehr als 2000 Neuankömmlingen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, egal ob aus Ziegeln, Blech oder Stoff, Hauptsache einigermaßen regendicht.
Dramatisch muten diese Bilder an, dabei zeigen sie noch nicht einmal das eigentliche Problem. Nicht nur, dass die Schulferien auch mal zu Ende gehen, der Winter kommt, und die Menschen können dann nicht mehr in Schulen oder Zelten unterkommen. Zwar werden viele der 450 000 Asylbewerber, die in diesem Jahr erwartet werden, wieder gehen müssen.
Doch viele werden bleiben, und zu ihnen werden in den nächsten Jahren weitere Hunderttausende stoßen. Sie alle werden auf Dauer ein menschenwürdiges Unterkommen brauchen, nicht nur die je nach Bundesland vorgeschriebenen 4,5 Quadratmeter in einem Heim, die in der Realität dieses drangvollen Sommers oft noch weniger sind.
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Freiburg errichtete in zwei Jahren nur 18 Sozialwohnungen
Doch richtige Wohnungen für Flüchtlinge zu finden ist schon jetzt oft schwierig, mancherorts fast unmöglich. In Städten wie Freiburg, München oder Stuttgart müssen Flüchtlingsfamilien manchmal mangels Alternative über Jahre in der Enge provisorischer Heime ausharren - ein unerträglicher Zustand, an dem die Menschen leiden, der auch ihrer Integration schadet. Doch gerade in boomenden Ballungsräumen ist Wohnraum knapp, nicht nur für Flüchtlinge, sondern für jeden, dessen Einkommen nicht mit den rasant steigenden Mieten mithält.
Es ist darum verständlich, wenn aus dem reichen Süden der Republik der Vorschlag kommt, Flüchtlinge dort unterzubringen, wo es noch Platz für sie gibt. Tatsächlich stehen in Städten wie Chemnitz, Dessau, Gera oder Suhl, aber auch im niedersächsischen Salzgitter Wohnungen zu Tausenden leer. Ganz zu schweigen von ländlichen Gegenden, die der demografische Wandel rapide entleert. Dort sehen sogar manche Bürgermeister in Flüchtlingen eine Chance, ihre Gemeinden wieder mit Leben zu füllen. Denn in der Tat könnten Neuankömmlinge dazu beitragen, dass ein Dorfladen, eine Arztpraxis oder ein Kindergarten offen bleiben.
Nur, es hat ja auch einen Grund, warum es in solchen Städten und Regionen zusehends leerer wird. Viele dort haben das getan, was auch die Migranten tun: Sie sind abgewandert, weil sie anderswo bessere Perspektiven sehen, bessere Jobs etwa oder überhaupt einen Arbeitsplatz. Die Ballungsräume des Westens und Südens sind voll von deutschen Wirtschaftsflüchtlingen. Dort stehen die großen Unternehmen, dort gibt es Arbeit, dort werden sie gebraucht - und aus denselben Gründen haben dort auch Zuwanderer aus dem Ausland die besten Chancen.
Dass viele von Deutschlands Ballungsräumen Zuwanderer aus dem In- und Ausland stark anziehen, ist nichts Schlechtes. Im Gegenteil, der Zuzug ist ein Zeichen wirtschaftlicher Kraft. Das aber gilt genauso für die unerwünschte Nebenwirkung: Auch Wohnungsmangel zeugt von der erfreulichen Attraktivität einer Stadt.
Ein Mangel aber bleibt er - vor allem für die, die von der Wirtschaftskraft kaum profitieren. Und das sind mitnichten nur die Flüchtlinge. In Städten wie Frankfurt, Freiburg oder München ist laut einer Studie nur jede hundertste angebotene Wohnung für arme Familien überhaupt finanzierbar. Die Werte wurden erhoben, lange bevor so viele Flüchtlinge kamen.
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Die Politik muss den sozialen Wohnungsbau wieder ernst nehmen
Die Flüchtlingszahlen sind also nicht Ursache der Engpässe auf dem Wohnungsmarkt. Sie müssen aber Anlass sein, darüber nachzudenken, wie wieder bezahlbarer Wohnraum in den Städten entstehen kann. Zu lange haben Bund und Länder viel zu wenig getan. Der Bestand an Sozialwohnungen schwindet rapide.
In der rasch wachsenden Großstadt Freiburg, wo die städtische Notfallliste etwa 1500 Haushalte als wohnungssuchend verzeichnet, wurden in den vergangenen zwei Jahren nur 18 (!) Sozialwohnungen gebaut. Wenn Bauträger Wohnungen hochziehen, dann für den freien Markt, auf dem sich in den Boomstädten hohe Mieten erzielen lassen.
Ändern kann das nur eine Politik, die den sozialen Wohnungsbau wieder ernst nimmt. Was dort zählt, wo Städte wachsen, sind: Ziegel, Mörtel, Beton - gefördert vom Staat. Billig wird das nicht, ist aber notwendig. Denn es wäre fatal, wenn der Zusammenhalt in den Städten ausgerechnet durch die ihnen eigene Anziehungskraft Schaden nehmen würde.