SPD nach der Landtagswahl:Ein Sturm zieht auf

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  • Die SPD sinkt in Bayern auf einen historischen Tiefpunkt - nicht zuletzt, weil die Partei im Bund ein so miserables Bild abgibt.
  • Sie erreicht nicht einmal zehn Prozent - und damit nur etwa halb so viel wie 2013.
  • Die Stimmung unter den Genossen dreht in Richtung: raus aus der Groko.

Von Mike Szymanski, Berlin

Es gibt nichts zu feiern. Es gibt bei der SPD in Berlin nicht mal eine Party an diesem Wahlabend. Im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der Sozialdemokraten, läuft der Wahlsonntag, der seine ersten Schockwellen schon lange vor den ersten Hochrechnungen durch die Republik gejagt hatte, so ganz anders als früher. Gespenstisch teilnahmslos.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte vor ein paar Tagen angekündigt, dass man nicht wie sonst zusammenstehen werde, mit einem Gläschen in der Hand, um gemeinsam darauf zu warten, wie weit die Balken in den Diagrammen im Fernsehen wachsen - oder eben auch nicht. Aber ganz wegtauchen kann die Parteispitze natürlich nicht. SPD-Chefin Andrea Nahles hat ein Statement angekündigt. Das ist die nüchterne und kontrollierbare Form, mit dem miesen Ergebnis umzugehen: unter zehn Prozent. In Bayern nur noch fünftstärkste Kraft. Dass es so schlimm kommt? Die Genossen in Bayern und die in Berlin hatten es anders erhofft. Nahles legt am Sonntagabend einen Kurzauftritt hin, nur wenige Minuten. Dies sei ein "sehr schlechtes Ergebnis für die SPD", sie habe die Wähler nicht überzeugen können. Sie habe sich an der Regierung auch nicht von den andauernden Richtungsstreitigkeiten zwischen CDU und CSU freimachen können.

Und nun? Will sie analysieren - "auf allen Ebenen". Was das Zusammenspiel von Bundespartei und Landesverband angeht, war von Anfang an der Wurm drin. Als Nahles im April an die Spitze der SPD gewählt wurde, hatte sie die Kampagne der Bayern geerbt. Die war eng auf die Spitzenkandidatin Natascha Kohnen zugeschnitten und - aus dieser Perspektive betrachtet - wohl auch stimmig. Kohnen hat sich nicht verbiegen lassen. Sie war fleißig im Wahlkampf unterwegs. Ihre Wahlkampfauftritte hatten aber immer auch die Anmutung des Exklusiven: "Kohnen Plus" hieß ihr Lieblingsformat, Auftritte auf kleinen Bühnen, Gespräche mit interessanten Gästen. Ein paar Gedanken austauschen statt Krawall schlagen. Aber damit hat sich die Partei in Bayern auch selbst noch viel kleiner gemacht, als sie ohnehin schon ist.

Nahles haderte mit diesem Kurs. Sie hätte Kohnen auch lieber in stärkerer Abgrenzung zu den Grünen gesehen, die im Wahlkampf zudem viel agiler wirkten. Umgekehrt hätte Kohnen sich gewünscht, dass die Bundespartei ihr nicht den ohnehin schon schwierigen Wahlkampf verhagelt. Aber so kam es bekanntlich. In der Anhängerschaft wird die große Koalition als Wurzel allen Übels ausgemacht. Der Freitag und der Samstag vor der Wahl erlaubten schon einmal entsprechende Einblicke ins Seelenleben der Partei. In einer Schulaula im Zentrum Berlins hatten sich die Vertreter des linken Parteiflügels zum Kongress getroffen. "Ich kann das nicht mehr aushalten", sagte da ein Teilnehmer. Ständig werde er darauf angesprochen, dass auch die SPD bereit gewesen wäre, den umstrittenen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen zu befördern. Die jüngste Einigung der großen Koalition zum Dieselstreit ist der nächste Aufreger: Besitzer alter Diesel, die auf Nachrüstungen durch die Industrie gehofft hatten, fühlen sich im Stich gelassen, weil die Regierung die Hersteller nicht wirklich in die Pflicht nimmt. An der Basis heißt es, die SPD sei vor ihnen auf die Knie gegangen.

Ein Sturm zieht auf. Wenn in zwei Wochen nicht auch noch in Hessen gewählt werden würde, wo die SPD immerhin eine Chance hat, Juniorpartner in der Regierung zu werden, hätte Nahles wohl Orkantief-Tage vor sich. Die Stimmung dreht eindeutig Richtung: raus aus der Groko.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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