Spanien:Madrid wirft der EVP vor, sich in den spanischen Wahlkampf einzumischen

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Manfred Weber ist seit 2014 Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP). (Foto: Catherina Hess)

Die spanische Regierung spricht vom Versuch, die EU-Ratspräsidentschaft zu "politisieren". Eine Einladung zum Dialog habe man ausgeschlagen.

Von Karin Janker, Madrid

Aller Warnungen zum Trotz ist Spaniens EU-Ratspräsidentschaft bereits mittendrin im spanischen Wahlkampf. Sozialisten und Konservative beschuldigen sich gegenseitig, den spanischen Vorsitz für ihre Zwecke instrumentalisieren zu wollen. Spaniens Außenminister José Manuel Albares warnte am Dienstag im Regierungspalast Moncloa in Madrid davor, dass die "die spanische Präsidentschaft von jemandem politisiert werden" könnte. Ihm und der gesamten spanischen Regierung sei es im Vorfeld wichtig gewesen, alle politischen Kräfte zusammenzubringen, so der Außenminister.

Es seien auch alle Parteien seiner Einladung gefolgt - mit Ausnahme einer einzigen. Albares meint die Europäische Volkspartei EVP. Sie habe die Gelegenheit zum Austausch über die spanische Ratspräsidentschaft nicht wahrgenommen und ist im April Albares' Präsentation in Straßburg ferngeblieben. Umso irritierter sei man nun, heißt es aus Regierungskreisen in Madrid gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass von der Volkspartei kolportiert werde, man würde sie nicht angemessen über die Ratspräsidentschaft informieren. "Warum nimmt die PP dann nicht am angebotenen Dialog teil?", so Albares.

Im April war der spanische Chefdiplomat nach Straßburg gereist, um dort vor dem Parlament zu skizzieren, wie Spanien das Halbjahr seiner Ratspräsidentschaft gestalten möchte. Die EVP-Fraktion war damals nicht zu der Sitzung erschienen und teilte mit, die Präsidentschaft gehöre "keiner Regierung, auch nicht der Regierung Sánchez". Der eigentliche Affront folgte im Nachgang: EVP-Fraktionschef Manfred Weber schlug auch ein bilaterales Treffen mit dem spanischen Außenminister aus - offenbar aus Solidarität mit den spanischen Parteikollegen.

Sozialisten sprechen von wiederholten Angriffen auf die Ratspräsidentschaft

Der Konflikt um die Ratspräsidentschaft verschärft sich nun, da Spaniens Premier Pedro Sánchez vorgezogene Neuwahlen für den 23. Juli angekündigt hat. Der Wahltermin liegt drei Wochen nach Beginn der spanischen Ratspräsidentschaft. Außenminister Albares wiegelt ab: Niemand in Brüssel sehe ein Problem in dieser zeitlichen Überschneidung. Doch für die EVP-Fraktion gilt dies offenbar nicht. In der vergangenen Woche erst forderte EVP-Chef Manfred Weber, Pedro Sánchez solle seine für die zweite Juliwoche geplante Rede vor dem Europaparlament verschieben. Wenige Stunden nachdem Webers Brief publik wurde, verkündete die spanische Regierung, Sánchez hätte dies ohnehin vorgehabt.

Und noch eine Reise wurde auf Druck der EVP abgesagt: Roberta Metsola, selbst EVP-Mitglied und Präsidentin des EU-Parlaments, wird Ende Juni nicht nach Madrid reisen. Der Besuch ist eigentlich Standard vor Beginn eines neuen Präsidentschaftsturnus. Diesmal wird er auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Ankündigung vorausgegangen war eine Klausurtagung in der vergangenen Woche, auf der sich offenbar die konservative EVP mit der rechtsextremen EKR und katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern einig waren, dass Metsola vor der Wahl nicht nach Madrid fahren solle.

Die spanische Vorsitzende der europäischen Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez, reagierte mit Bedauern darauf, "dass sich die EVP mit der extremen Rechten und den Unabhängigkeitsbefürwortern verbündet hat, um die spanische Ratspräsidentschaft einmal mehr anzugreifen". Den Schaden werde nicht dem spanischen Premier zugefügt, "sondern dem Land und der spanischen Gesellschaft als Ganzes".

Konservative regieren in Valencia künftig mit Vox

Kommentieren will ein Sprecher von EVP-Chef Weber diese Vorwürfe nicht. Das sei spanischer Wahlkampf - und der gehöre nach Spanien. Die Ratspräsidentschaft politisieren wolle die EVP jedenfalls nicht, ganz im Gegenteil. "Wir tun all dies, um sie zu entpolitisieren", so der Sprecher.

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Spaniens Sozialisten verwehren sich ihrerseits des Vorwurfs, aus der Ratspräsidentschaft politisches Kapital schlagen zu wollen. Doch die EU spielt im spanischen Wahlkampf eine wichtige Rolle. So verwies Außenminister Albares am Dienstag auch darauf, dass im Falle eines Regierungswechsels die Auszahlung des europäischen Hilfsfonds gefährdet sein könnte. Denn diese sei auf Basis von beschlossenen Maßnahmen der bisherigen Regierung zugesagt worden.

Die Möglichkeit, dass in Europas viertgrößter Volkswirtschaft künftig Konservative im Pakt mit Rechtsextremen regieren, kann Brüssel nicht gefallen - so zumindest die Ansicht der Madrider Regierung. Einen Vorgeschmack auf derartige Bündnisse bekommt man in Spanien bereits: Zeitgleich zum Auftritt des spanischen Außenministers verkündeten die Konservativen, sich in der wirtschaftlich wichtigen Region Valencia auf eine Koalition mit Vox geeinigt zu haben. In den kommenden Wochen bis zur Wahl dürften noch mehrere derartige Bündnisse geschmiedet werden, denn nach den Regional- und Kommunalwahlen Ende Mai wurden die Konservativen in zahlreichen Städten und Regionen zwar stärkste Kraft - regieren können sie allerdings meist nur zusammen mit der extremen Rechten.

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