Regierungsbildung in Spanien:Stimmen für Sozialisten nur gegen Freiheit für Separatisten

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Entzog sich der spanischen Justiz durch seine Flucht ins Ausland: der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont. (Foto: Gloria Calvi/DPA)

Spaniens Sozialisten paktieren mit der Partei von Carles Puigdemont, die Katalonien illegal abspalten wollte. Diese unterstützt Pedro Sánchez als Regierungschef - weil es dafür eine Amnestie gibt.

Von Patrick Illinger, Madrid

Die in Spanien regierende Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) und die katalanische Regionalpartei Junts per Catalunya haben ihre vor Wochen begonnenen Gespräche abgeschlossen und sind zu einer Einigung gelangt. Demnach sagt Junts zu, Pedro Sánchez mit ihren sieben Stimmen im Kongress als künftigen Regierungschef zu unterstützen.

Im Gegenzug erhalten die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter weitreichende Zugeständnisse. Insbesondere soll ein neues Amnestiegesetz die Anführer des nach spanischem Recht illegalen Abspaltungsversuchs Kataloniens im Jahr 2017 von Strafe befreien und den teils im Gefängnis sitzenden Beteiligten die Freiheit bringen.

Hinzu kommen weitreichende finanzielle Zusagen, die bereits in der vergangenen Woche bekannt geworden waren. So sollen Katalonien 15 Milliarden Euro Schulden erlassen werden, die die Region beim Staat hat. Vereinbart wurde zudem, dass Barcelona die Hoheit über die Regionalbahnen Kataloniens bekommt.

Insgesamt muss Sánchez sechs der kleineren Parteien auf seine Seite bringen

Man werde die Stabilität der nächsten Legislaturperiode davon abhängig machen, wie die Vereinbarungen mit der PSOE voranschreiten werden, sagte Puigdemont am Nachmittag in Brüssel. "Sánchez wird sich die Stabilität der Regierung täglich neu verdienen müssen." Damit sendet er ein klares Signal: Bei der Amnestie soll es nicht bleiben, als Nächstes geht es um ein Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien.

Die Verhandlungen zwischen PSOE und Junts hatten sich in die Länge gezogen, nachdem ein Richter des Strafgerichtshofs Audiencia Nacional verfügte, gegen Puigdemont wegen des Verdachts auf Terrorismus zu ermitteln. Der katalanische Ex-Präsident forderte daraufhin, dass das Amnestie-Abkommen ihn und seine Mitstreiter auch gegen diesen Vorwurf absichert.

Zuvor hatten Spaniens Sozialisten ein ähnliches Abkommen mit der zweiten Separatistenpartei Kataloniens, der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC) abgeschlossen. Auch auf deren sieben Stimmen im Kongress ist Sánchez angewiesen, will er sich als künftiger Regierungschef gegen Konservative und Rechte durchsetzen. Insgesamt muss Sanchez sechs der kleineren Parteien im Kongress auf seine Seite bringen, darunter auch baskische Nationalisten, mit denen noch verhandelt wird.

Darüber hinaus muss Sánchez auch die Linken umwerben, die bei der Wahl in diesem Sommer als Bündnis namens Sumar antraten und 31 Sitze erlangen konnten. Deren Anführerin, die amtierende Arbeitsministerin Yolanda Díaz, steht zwar fest an seiner Seite, ein Koalitionsvertrag ist bereits ausgehandelt. Aber zu Sumar gehören fünf Abgeordnete, die aus der Podemos-Partei stammen, dem bisherigen Koalitionspartner von Sánchez. Letztere pochen neuerdings wieder auf Eigenständigkeit und werden vermutlich darauf drängen, in der künftigen Regierung erneut Ministerämter zu bekommen.

Eine Politikerin des konservativen PP warnt vor einer Diktatur "durch die Hintertür"

Es wird also spannend, wenn sich Pedro Sánchez, vermutlich in der kommenden Woche, dem Kongress zur Wahl stellt. Nicht nur, weil sich zeigen wird, ob die Vielzahl der nötigen Unterstützer Wort halten und dem Sozialisten tatsächlich ihre Stimme geben. Konservative und Rechte laufen bereits Sturm gegen die Einigung mit den Unabhängigkeitsbefürwortern aus Katalonien. Sie lehnen jede Form des Separatismus ab. Aber auch die Tatsache, dass das mit der PSOE ausgehandelte, vom Parlament zu beschließende Amnestiegesetz Urteile der Justiz unterlaufen würde, rüttelt nach Ansicht der Konservativen am Prinzip der Gewaltenteilung.

Mit scharfen Worten kritisierte am Nachmittag der Chef der konservativen Partei Partido Popular, Alberto Núñez Feijóo die Vereinbarung und bezichtigte Sánchez sich der "Erpressung der Unabhängigkeitsbewegung" ergeben zu haben. "Spanien wird leiden", erklärte er, aber die Demokratie werde sich behaupten. "Die PSOE hat ihre verfassungstreue Tradition begraben", sagte Feijóo darauf anspielend, dass sich viele Anhänger der Sozialisten in Umfragen gegen Unabhängigkeitsbestrebungen aussprechen.

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In den vergangenen Tagen war es vor der Madrider Parteizentrale der PSOE zu heftigen Protesten gekommen. Tausende, teils gewaltbereite Demonstranten, angestachelt von Aufrufen der ultranationalistischen Vox, wurden von der Polizei mit Tränengas in Schach gehalten. Vox-Parteichef Santiago Abascal riet der Polizei, "illegale Anweisungen" der Regierung zu missachten. PP-Chef Feijóo rief indes zur Mäßigung auf: "Die Gewalt hat keinen Platz in der Demokratie. Egal ob sie von Radikalen der extremen Linken oder Rechten kommt", sagte der Politiker, der vor wenigen Wochen die Abstimmung zum Regierungschef verloren hatte. Für diesen Sonntag rief er zu friedlichen Demonstrationen auf den zentralen Plätzen der 52 Provinzhauptstädte Spaniens auf.

Auch in Brüssel hat das geplante Amnestiegesetz Interesse geweckt. Der für die Justiz zuständige Kommissar der EU-Kommission, Didier Reynders, hat in einem Brief an die Regierung Sánchez "ernsthafte Besorgnis" geäußert und um Aufklärung gebeten. Die Spanier ließen den Mann aus Brüssel aber lediglich wissen, dass dies keine Regierungsangelegenheit sei. Reynders möge sich doch bitte an den Kongress, also die Legislative, wenden.

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