Wahl in Katalonien:Separatisten verlieren die Mehrheit

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Kataloniens Wahlsieger ist der Sozialist Salvador Illa. (Foto: Emilio Morenatti/AP)

Im künftigen Parlament Kataloniens sind separatistische Parteien nun in der Minderheit. Klarer Sieger sind die Sozialisten, gefolgt von Carles Puigdemonts Partei. Wer wird mit wem regieren?

Von Patrick Illinger, Madrid

Ein Patt und eine Zeitenwende zugleich, das ist das Ergebnis der Parlamentswahl in Katalonien vom Sonntag: Die bisher mehrheitlich vertretenen Befürworter einer Abspaltung von Spanien sind in der Abgeordnetenkammer fortan in der Minderheit. Klarer Wahlsieger ist der PSC, der katalanische Ableger der sozialistischen Partei PSOE des spanischen Premiers Pedro Sánchez. Dennoch dürfte die Regierungsbildung in Barcelona schwierig werden, denn die Sozialisten brauchen für eine Mehrheit die Zustimmung mindestens einer separatistisch gesinnten Partei.

Der PSC und sein Spitzenkandidat, der ehemalige Gesundheitsminister Spaniens, Salvador Illa, werden künftig 42 der insgesamt 135 Abgeordnetensitze des Parlaments besetzen, bisher entsandte die Partei 33 Abgeordnete. Zuwachs verzeichnet auch die Partei Junts per Catalunya des 2017 aus Spanien geflohenen Unabhängigkeitsbefürworters und Ex-Präsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont (35 Sitze, bisher 32). Klarer Verlierer sind die linken Separatisten der Partei Esquerra Republicana de Catalunya ERC, die von 33 auf 20 Abgeordnete zurückfällt. In der vergangenen Legislaturperiode war sie die stärkste der separatistischen Parteien gewesen und hatte mit Pere Aragonès Kataloniens Regierungschef gestellt.

Konservative überholen die extreme Rechte

Einen kräftigen Sprung nach vorn machte die in Gesamtspanien stärkste Partei, der konservative Partido Popular (PP): Die bisherige Fraktionsstärke von zwei Abgeordneten kann der PP auf 15 Sitze erhöhen, was für den dort traditionell schwachen PP (weil spanienfreundlich) ein Erfolg ist. Mit tatkräftiger Unterstützung des Parteichefs Alberto Núñez Feijóo, der mehr als ein halbes Dutzend Wahlkampfauftritte in Katalonien absolvierte, gelang es dem PP vorbeizuziehen an der ultrarechten Partei Vox, die sich in den vergangenen Jahren als einzige rechte Opposition gegen den Separatismus präsentiert hatte.

Die große Frage ist nun: wer koaliert mit wem? Und wer wird künftiger Präsident der Generalitat, der katalanischen Regierung? Mögliche Koalitionen gäbe es viele, kein Wunder bei einem Parlament, in dem insgesamt acht Parteien vertreten sein werden. Andererseits kommen viele Varianten gar nicht erst infrage, zum Beispiel weil kaum jemand mit Rechtspopulisten koalieren will, von denen es in Katalonien gleich zwei Varianten gibt: einmal die stramm spanientreue Partei Vox und dann die katalanischen, islamophoben wie auch spanienfeindlichen Rechtsnationalisten der Aliança Catalana. Vox behält seine bisher elf Abgeordneten im künftigen Parlament, die Aliança gewinnt zwei.

Eine denkbare Regierungskoalition wäre der Zusammenschluss der Sozialisten mit den Links-Separatisten ERC sowie der mit sechs Abgeordneten vertretenen weiteren Linkspartei Comuns. Doch dieses Bündnis käme nur auf die denkbar knappe Mehrheit von 68 gegen 67 Abgeordneten. Die Verhandlungen der kommenden Tage werden spannend.

Last-Minute-Wahlkampfthema

Die Wahlen in Katalonien waren nötig geworden, nachdem Regierungschef Pere Aragonès Anfang des Jahres mit seinem Haushaltsentwurf im Parlament gescheitert war. Er setzte die Neuwahlen ein Jahr vor dem Ablauf der regulären Legislaturperiode an. Für ihn persönlich erweist sich das nun als Endpunkt seiner politischen Karriere. Aragonès erklärte am Montag nicht nur den Verzicht auf das Präsidentenamt, sondern auch seinen Rückzug aus der Abgeordnetenkammer.

Begonnen hatte der Wahltag mit einer bizarren Nachricht: Unbekannte hatten Starkstromkabel aus dem Bestand der Nahverkehrsbahnen entwendet, vermutlich um das darin enthaltene Kupfer zu Geld zu machen. Die Folgen dieses Raubs waren weitreichend: Das Regionalbahnnetz von Katalonien kam zum Erliegen. Die Wahlkommission erwog am Sonntagnachmittag, die Wahllokale länger geöffnet zu halten, damit Menschen, die auf den Nahverkehr angewiesen waren, auch abstimmen konnten.

Der Diebstahl wurde zum Last-Minute-Wahlkampfthema: Carles Puigdemont nutzte das Malheur für einen Tweet aus seinem Hauptquartier in Südfrankreich (das er Nord-Katalonien nennt). Unter katalanischer Verwaltung würden die Dinge ganz anders werden, ließ er wissen, der Ausfall zeige, wie die spanische Regierung agiere: "Sie wollen Menschen ihrem Schicksal überlassen." Am Montagvormittag zeigte Puigdemont seinen gewohnten Kampfgeist: Unbeirrt von der Minderheit der Separatisten im neuen Parlament will er sich für das Präsidentenamt zur Abstimmung stellen.

Ein eigener Staat Katalonien ist für viele nicht vorrangig

Bedrückend niedrig lag die Wahlbeteiligung. Nur knapp 58 Prozent der katalanischen Bevölkerung gaben ihre Stimmen ab, wenig mehr als 2021, als die Wahl in die Hochphase der Corona-Pandemie fiel. Gerade wenn es um grundsätzliche Fragen wie eine mögliche Abspaltung von Spanien geht, ist das eine vielsagend niedrige Quote. Sie lässt Desinteresse, Resignation und Überdruss vermuten.

Doch kann man daraus auch ableiten, dass den Nichtwählern zumindest nicht leidenschaftlich an einem eigenen Staat Katalonien gelegen ist. Sonst hätten sie sich wohl mit ihrer Stimme beteiligt, gerade in dieser Phase, in der sich aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse im Kongress in Madrid die Chance auftut, den Druck auf Spaniens Premier Sánchez zu erhöhen.

Dafür spricht auch eine weitere Zahl der Meinungsforscher: Mehr als zwei Drittel gaben in einer im spanischen Staats-TV veröffentlichen Umfrage an, dass ihre künftige Regierung die Frage der Unabhängigkeit nicht zur obersten Priorität machen solle.

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