Spanien:Auf nach Madrid!

Lesezeit: 2 min

"Wir sind eine Graswurzelbewegung": Fast 4000 Landwirte aus ganz Spanien dürften zur zentralen Protestkundgebung nach Madrid gekommen sein. (Foto: JUAN MEDINA/REUTERS)

Bauern haben Spaniens Hauptstadt mit Traktoren lahmgelegt. Auch dort schimpfen die Landwirte auf die Regierung, die EU und die Globalisierung.

Von Patrick Illinger

Aus fünf Richtungen sind sie auf Madrid zugefahren. Am Mittwochmittag bahnen sie sich ihren Weg in die Innenstadt. Tausende Landwirte mit Hunderten Traktoren blockieren den vierspurigen Verkehrsknoten an der Puerta de Alcalá, einige Dutzend von ihnen durchbrechen die Polizeisperren und rollen am Prado vorbei zum Landwirtschaftsministerium. Es ist ein Riesenauftrieb, mit Hupkonzerten, Fahnen und Böllern. "Unsere Misere heute ist morgen euer Hunger", steht auf einem der Schlepper. Manche hatten weite Wege hinter sich, einige der Bauern kamen aus Katalonien, andere aus dem Baskenland. 15 Stunden sei er unterwegs gewesen, erzählt ein Treckerfahrer. So jemand meint es ernst.

Der Sturm auf die Hauptstadt war der vorläufige Höhepunkt der seit drei Wochen schwelenden Bauernproteste in Spanien. Dass diese zumindest inspiriert sind von den Aktionen ihrer Berufskollegen in anderen europäischen Ländern, steht außer Zweifel. Allerdings fokussiert sich, zumindest wenn man die Plakate und Transparente liest, der spanische Frust eher auf die eigene Regierung.

"Unsere Misere heute ist morgen euer Hunger": So heißt es auf dem selbst gemachten Plakat an einem der Traktoren bei den Bauernprotesten in Madrid. (Foto: Patrick Illinger)

Man sei weder rechts noch links, heißt es auf einem der Plakate, sie seien vielmehr "patriotas", Patrioten. Pedro Sánchez, Spaniens sozialistischer Regierungschef, allerdings sei ein "Verräter und Diktator", so eine andere Aufschrift. "Die Dürre werde von Politikern als Entschuldigung genutzt", wettert Miguel Sánchez, der aus der Provinz Toledo angefahren ist. Zudem gebe es viel zu viele Billigprodukte, die aus anderen Ländern importiert würden. Anstatt dass die Spanier die einheimischen Feldfrüchte konsumieren würden.

Die Bauernverbände spielen kaum eine Rolle

Tatsächlich ist das Thema der Importe einer der zentralen Punkte, um die auch Spaniens Landwirtschaftsminister Luis Planas bei der EU in Brüssel ringt. Aus seiner Sicht sollen für Lebensmittelimporte aus Drittstaaten die gleichen Umwelt- und Gesundheitsanforderungen gelten wie innerhalb der EU. Eine Forderung, die er mit den Bauern teilt. Spanischen Medien zufolge hat der Minister jedoch kaum Hoffnung, dies beim Brüsseler Ministerrat in wenigen Tagen durchzusetzen. Immerhin habe sich auch Regierungschef Sánchez in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für diesen Punkt starkgemacht, berichtet die Zeitung El Mundo.

Den spanischen Landwirten drückte Sánchez von Marokko aus, wo er auf Staatsbesuch war, seine "höchste Zuneigung" aus. Er unterstütze viele ihrer Anliegen und werde Taten folgen lassen. Manche der Forderungen, zum Beispiel die Abschaffung von Umwelt- und Tierschutzgesetzen, dürften bei der Regierung jedoch auf taube Ohren stoßen. Minister Planas kann dabei von der Tatsache profitieren, dass zum Marsch auf Madrid zwar einer der Bauernverbände aufgerufen hatte, er jedoch zum Teil chaotisch organisiert wirkte. Auf die Frage, wer die Veranstaltung lenke, waren verschiedenste Antworten zu hören: von "niemandem" über "es gibt eine Whatsapp-Gruppe" bis zu: "Wir sind eine Graswurzelbewegung, weil die Verbände untätig sind". Dessen ungeachtet waren für Donnerstag Blockaden der Häfen von Valencia und Algeciras angekündigt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: