Bundestagswahl:"So 'ne Art Erbschleicherei"

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Markus Söder muss sich auch Sorgen um das Ergebnis in Bayern machen. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Söder wirft Scholz vor, sich als Nachfolger Merkels zu inszenieren. Und er warnt vor einem "halben Linksrutsch" durch eine Ampelkoalition.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es ist nie einfach, Markus Söder zu entgehen. Aber an diesem Wochenende war es besonders schwer. Der CSU-Chef gab der ARD und der Bild am Sonntag lange Interviews. Er trat beim Bund der Vertriebenen auf. Und er führte ein Streitgespräch mit Grünen-Chef Robert Habeck, das der Spiegel, T-Online und das Magazin Vice organisiert hatten. Söder bediente also das ganze Spektrum möglicher Wähler - von jung bis alt und von liberal bis konservativ. Es hätte einen nicht gewundert, wenn der CSU-Chef auch noch die Emma und einen Kirchentag besucht hätte.

Dass die Umtriebigkeit Söders so stark auffällt, liegt allerdings auch an der eigenartigen Zurückhaltung der CDU-Spitze. Obwohl es für die Union wegen der dramatisch eingebrochenen Umfragewerte inzwischen um alles geht, lassen es viele CDU-Granden immer noch erstaunlich ruhig angehen. Es ist genau diese Zurückhaltung, die Söder gerade zur Verzweiflung bringt. Der zentrale Satz seiner Rede beim Wahlkampfauftakt der Union vor einer Woche war: "Ich habe keinen Bock auf Opposition." Dabei meinte Söder zwar die Bundesebene. Doch ihm bereitet auch die Lage im Freistaat gewaltige Sorgen. Nicht nur die CDU, auch die CSU muss mit deutlichen Verlusten rechnen.

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Insa sieht die Unionsparteien nur noch bei 21 Prozent, bei den anderen Umfrageinstituten liegen sie kaum besser. CSU-Politiker weisen gern darauf hin, dass das bedeutet, dass die CDU allein inzwischen deutlich unter der 20-Prozent-Marke rangiere. Doch 21 Prozent für die Union insgesamt bedeuten auch, dass die CSU inzwischen unter die Fünf-Prozent-Marke gefallen sein dürfte. Bei der Bundestagswahl 2017 war sie auf 6,2 Prozent gekommen - bei einem bundesweiten Unionsergebnis von 32,9 Prozent.

Die CSU muss zwar nicht befürchten, aus dem Bundestag zu purzeln. Wegen zweier Sonderregeln im Wahlrecht wird sie auch dem nächsten Parlament angehören. Zum einen dürfen alle direkt gewählten Abgeordneten unabhängig vom Zweitstimmenergebnis ihrer Partei in den Bundestag einziehen. Zum anderen dürfen alle Parteien, die mindestens drei Direktmandate gewinnen, entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis Abgeordnete entsenden - auch wenn das beispielsweise nur bei vier Prozent liegt. Als die Linke noch PDS hieß, hat sie von diesen Ausnahmeregeln profitiert. Jetzt helfen sie der CSU. Bei der Wahl 2017 gewannen die Christsozialen 46 Direktmandate, diesmal dürften es nur etwas weniger werden.

Die CSU kämpft um die Fünf-Prozent-Marke

Aber man kann sich jetzt schon die Häme vorstellen, die die oft großspurig auftretende CSU über sich ergehen lassen müsste, wenn sie nicht einmal über die Fünf-Prozent-Marke kommt. Außerdem müsste sich Söder zum zweiten Mal für ein schlechtes Wahlergebnis im Freistaat rechtfertigen - nach dem Desaster bei der Landtagswahl 2018.

Und so gab sich der CSU-Chef am Wochenende kämpferisch. Er warnte vor einem "starken Linksrutsch" durch eine rot-rot-grüne Koalition, aber auch vor einem "halben" Linksrutsch durch ein Ampelbündnis. Er beklagte, dass sich SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in Angela-Merkel-Pose quasi als Nachfolger der Kanzlerin inszeniere. "Das ist so 'ne Art Erbschleicherei", sagte er der ARD.

Scholz sei ein erfahrener Finanzminister, aber auch nur ein Teil des großen SPD-Teams. Wer Scholz wähle, der stimme auch für SPD-Chefin Saskia Esken oder Parteivize Kevin Kühnert. Die Linken bei SPD und Grünen hätten "ganz klare Vorstellungen, eine Gesellschaft anders zu gestalten". Deshalb müsse die Union bei der Bundestagswahl so stark werden, dass "man auch Partnern die Zähne ziehen kann".

Doch auch Söder weiß, dass die Vorbehalte der Deutschen gegen eine rot-rot-grüne Koalition oder eine Ampel gesunken sind. Im jüngsten Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen rangieren die beiden Bündnisse in der Beliebtheitsskala sogar vor allen Varianten mit einer Beteiligung der Union.

Am Wochenende stellte sich Söder zwar klar hinter Armin Laschet. "Er kann Kanzler, und er wird auch Deutschland gut führen", sagte der CSU-Chef. Doch Söder wird demnächst anfangen müssen, für seine CSU in Bayern zu retten, was noch zu retten ist.

Bei der letzten bundesweiten Abstimmung, der Europawahl 2019, ist die CDU eingebrochen. Die CSU konnte dagegen zulegen. Das lag vor allem daran, dass der gemeinsame Spitzenkandidat der Union, Manfred Weber, aus Bayern kam. Wenn Söder Kanzlerkandidat geworden wäre, hätte es bei der Bundestagswahl im Freistaat vermutlich einen ähnlichen Effekt gegeben. Aber daraus ist ja nichts geworden. Und Laschet reißt die CSU zusätzlich nach unten. Es dürfte deshalb nicht mehr lange dauern, bis die CSU ihre Kampagne nicht mehr auf den CDU-Chef ausrichtet, sondern vor allem auf Söder - obwohl der eigentlich gar nicht zur Wahl steht.

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