Präsidentschaftswahl:Wohin wendet sich die Slowakei?

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In Bratislava gab es Anfang März Proteste gegen die Regierung, nachdem sich der slowakische Außenminister Blanar mit dem russischen Kollegen Lawrow getroffen hatte. (Foto: Radovan Stoklasa/Reuters)

Gewinnt das EU-kritische Lager die Präsidentenwahl, droht ein Angriff auf die Gewaltenteilung. Und Ungarn mischt auch noch in seinem Nachbarland mit.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Peter Pellegrini hat kein Problem damit, sich mit Wladimir Putin zu zeigen. Der russische Präsident ist einen Kopf kleiner als der Slowake, das Treffen fand Anfang 2020 statt, damals kämpfte Pellegrini darum, nochmals Ministerpräsident zu werden. Er scheiterte. Nun will er Präsident der Slowakei werden - und es sieht gut aus für ihn. Vielleicht, weil er auf seiner Wahlkampfseite Fotos mit Putin, Donald Trump und Viktor Orbán zeigt. Vielleicht, weil er als bekennender Katholik auch beim Papst war, weil er Selfies mit Jugendlichen macht, alte Damen herzt, Akkordeon spielt und sich bei Bergwerksbesuchen fotogen dreckig macht.

"Frieden, Würde und ein besseres Leben für alle", verspricht Pellegrini in seiner Kampagne. Der 48-Jährige hat die Unterstützung von Ministerpräsident Robert Fico. Und wenn Fico auch noch das Staatsoberhaupt kontrolliert, hat er endgültig freie Bahn, um das Land nach seinen Vorstellungen umzubauen.

Die bisherige Präsidentin wurde heftig angefeindet, es gab Morddrohungen

An diesem Samstag findet in der Slowakei die erste Runde der Präsidentenwahl statt - zur Wahl stehen nur Männer, neun an der Zahl. Knapp hinter Pellegrini liegt in Umfragen der proeuropäische, ehemalige Diplomat Ivan Korčok. Auf Platz drei ein prorussischer Rechtsextremer, um dessen Anhänger dann noch zwei Wochen lang gekämpft werden wird. Am 6. April steht die Stichwahl an. Präsidentin Zuzana Čaputová tritt nach einer fünfjährigen Amtszeit nicht erneut an. Sie wurde und wird heftig angefeindet, Robert Fico nannte sie eine US-Agentin, es gab Morddrohungen gegen sie und ihre zwei Töchter.

Die 50-jährige Juristin und frühere Bürgerrechtlerin Čaputová garantierte vor allem seit dem Antritt der Regierung Fico im vergangenen Oktober das rechtsstaatliche Gleichgewicht in der Slowakei. Ein Gesetz zur Reform im Strafrecht legte sie dem Verfassungsgericht vor, das Vorhaben der linkspopulistischen und teils rechtsextremen Fico-Regierung wurde immerhin abgemildert. Nun will Fico Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Medien nehmen - und ein neuer Präsident wird das vielleicht nicht mehr verhindern.

Peter Pellegrini hat vorerst zum Mediengesetz keine klare Aussage getroffen. Der studierte Ökonom versucht stets, fast alle Lager und Ansichten zu bedienen. In Umfragen erreicht er bis zu 40 Prozent Wählerzustimmung und könnte auch in der zweiten Runde siegen. Sein Herausforderer Ivan Korčok wäre ihm demnach knapp unterlegen. Der ehemalige, kurzzeitige Außenminister Korčok würde die Politik Čaputovás fortsetzen.

Pellegrini aber ist deutlich bekannter. Zwischen 2018 und 2020 war er Ministerpräsident, derzeit ist er Vorsitzender des Parlaments. Groß geworden in und mit der Partei Smer-SD von Robert Fico, ging er nach der verlorenen Parlamentswahl 2020 eigene Wege, gründete seine sozialdemokratisch ausgerichtete Partei Hlas (Stimme) und setzte sich klar von Ficos Corona-Leugner-Reden ab. Die deutschen Sozialdemokraten unterstützten Hlas anfangs, schon deshalb, weil die dem Namen nach ebenfalls sozialdemokratische Smer-SD Ficos für die europäischen Partner untragbar geworden war.

"Diese Wahl ist ein Wendepunkt für das ganze politische System."

Doch nach der Parlamentswahl im Herbst 2023 zeigte sich, dass Pellegrini sich nie weit von Fico entfernt hatte - er ging mit diesem eine Koalition ein. Und ließ sich das mit Ficos Unterstützung in der Präsidentschaftswahl vergelten.

"Diese Wahl ist ein Wendepunkt für das ganze politische System", sagt Milan Nič; der Slowake ist Analyst bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Die staatliche Gewaltenteilung stehe auf dem Spiel und auch die Dreierkoalition in der Regierung werde sich neu ordnen, möglicherweise zugunsten des kleinsten Koalitionspartners - der äußerst rechten slowakischen Nationalpartei SNS. Auch Präsidentin Zuzana Čaputová warnt davor, dass mit einem Präsidenten Pellegrini der Weg frei sei, die Slowakei nach dem Vorbild von Viktor Orbáns Ungarn umzubauen.

Und die ungarischen Medien, beobachtet Nič, unterstützten Pellegrini. Im Parlamentswahlkampf äußerte sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zugunsten Robert Ficos. In der Slowakei zählen sich mehr als 400 000 Menschen zur ungarischen Minderheit - Nič befürchtet, dass diese eher nicht Pellegrinis Hauptkonkurrenten Ivan Korčok wählen. Der ehemalige Botschafter in Deutschland und den USA ist ein deutlicher Kritiker Viktor Orbáns, unterstützt die Ukraine und vertritt klar proeuropäische Positionen.

"Das Staatsoberhaupt darf nicht nur die Stimme der Regierung und einer Partei sein", schreibt Korčok in seinem Wahlprogramm. Bei der Wahl entscheide sich, ob im Präsidentenpalast ein "Assistent des Regierungschefs" sitzen werde oder jemand, der eine "klare Haltung zu Dingen habe, die nicht in Ordnung sind". Damit spielt Korčok auf den Umbau von Justiz und Medien an, die Fico plant oder schon umsetzt.

Die Rechtsextremen greifen auch Favorit Pellegrini sehr persönlich an

Pellegrini hingegen umwirbt bereits die Anhänger des früheren Vorsitzenden des Höchsten Gerichtshofes, Štefan Harabin, der bei der Wahl den dritten Platz belegen könnte. Harabin bezeichnet Sanktionen gegen Russland als völkerrechtswidrig und will der Ukraine nicht einmal humanitäre Hilfe leisten.

Pellegrini versuchte am Mittwochabend in der letzten Fernsehdebatte vor der Wahl, auf dieser Klaviatur zu spielen, und warnte, es brauche nur einen "Befehl aus Deutschland oder Frankreich", damit slowakische Soldaten auf fremdem Boden kämpfen müssten.

Doch besonders Harabin und andere Rechtsextreme haben Pellegrini wiederholt sehr persönlich angegriffen. Spielen auf eine angebliche Homosexualität des kinderlosen, unverheirateten Politikers an. Harabin macht kein Geheimnis aus seinem Hass auf Homosexuelle. Pellegrini aber hat sich früher für eingetragene Partnerschaften ausgesprochen. In seinem Wahlprogramm heißt es nur, der Präsident müsse ein Land vereinen, in dem Menschen unterschiedlichen Glaubens, Weltansicht oder "Orientierung" lebten.

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