Slowakei:Ein Gesetz für die Mafia

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Bekämpft die Korruptionsbekämpfung: Robert Fico, Regierungschef der Slowakei. (Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP)

Der slowakische Ministerpräsident drückt im Eilverfahren eine Strafrechtsreform durch, die seinen eigenen Leuten nutzt. Die Präsidentin will das Gesetz mit allen "legalen Mitteln" blockieren.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Robert Fico hat sich von den 18 000 Demonstranten vor dem Parlament auf dem Burgberg in Bratislava nicht beeindrucken lassen. Am Donnerstag hat die Dreierkoalition des slowakischen Ministerpräsidenten weitreichende Änderungen im Strafgesetz beschlossen. Davon betroffen sind Gesetze zur Korruptionsbekämpfung, zur Verfolgung von Wirtschafts- und Steuerkriminalität. Mit dem Gesetz soll die Spezial-Staatsanwaltschaft aufgelöst werden, die in erster Linie Korruption verfolgt und bei der aktuell Fälle liegen, die das Umfeld von Premier Robert Fico betreffen. Es sollen nun Strafmaße für solche Taten verringert, Verjährungsfristen verkürzt werden, davon könnten sogar Abgeordnete profitieren. Verkürzt werden sollen auch die Verjährungsfristen für Vergewaltigung und Mord.

Es gehe aber nicht nur um Paragrafen schreibt am Freitag der Chefredakteur der Tageszeitung Denník N. Die Änderung der Strafgesetze laufe der modernen Welt zuwider. "Es geht um die Zivilisation."

Die Opposition fürchtet um EU-Fördergelder

Fico, der seit Oktober zum vierten Mal Ministerpräsident der Slowakei ist, wollte das Gesetz eigentlich bis Mitte Januar über die Bühne bringen. Aber die Opposition zögerte die Abstimmung lange hinaus. In der Zwischenzeit kam es seit Dezember zu fünf Großdemonstrationen im ganzen Land und über die Grenzen hinaus. Dazu aufgerufen hatten drei Oppositionsparteien, allen vor an die liberale Partei Progresívne Slovensko (PS), die bei der Wahl im September den zweiten Platz erreicht hatte.

Die Opposition spricht von einem Pro-Mafia-Gesetz und warnt, Fico setze Milliarden an EU-Subventionen aufs Spiel. Tatsächlich hatte sich die Kommission bereits besorgt über das Vorhaben geäußert und zu einer Überprüfung gemahnt. Auch das EU-Parlament hatte sich in einer Resolution gegen die Änderungen ausgesprochen.

Präsidentin Zuzana Čaputová, selbst Juristin, hält das Gesetz für gefährlich. Auf ihrem Konto bei X äußerte sie sich sehr deutlich. Sie werde alle rechtlichen Optionen prüfen, um zu verhindern, dass das Gesetz in Kraft trete. Sie sei überzeugt, dass diese Novelle zu gesellschaftlichem Schaden führen und "irreparabel gegen die Rechte von Verbrechensopfern verstoßen" könne. Besonders kritisiert sie, dass "einige der Last-Minute-Änderungen von Abgeordneten vorgeschlagen wurden, deren eigene laufende Verfahren davon direkt betroffen sein werden".

Spitzname des vermutlichen nächsten Präsidenten: Ficos Taschenträger

Čaputovás Amtszeit neigt sich nach fünf Jahren dem Ende zu. Erneut antreten will die in großen Teilen der Bevölkerung sehr beliebte Präsidentin und frühere Bürgerrechtlerin nicht. In ihrer Amtszeit waren sie und ihre beiden Töchter massiv bedroht und beschimpft worden. Robert Fico selbst verunglimpfte die Präsidentin immer wieder als US-amerikanische Agentin, die gegen ihr Land arbeite.

Anfang April wird in einer voraussichtlichen Stichwahl der neue Präsident der Slowakei bestimmt. Sehr gute Aussichten hat Peter Pellegrini, derzeit Parlamentspräsident und Gründer der linkspopulistischen Partei Hlas (Stimme). Gegner nennen ihn "Taschenträger" und zwar der Tasche Ficos. Es wird erwartet, dass der oft moderat auftretende Pellegrini, der gern seinen christlichen Glauben betont, im Sinne Robert Ficos handeln wird.

Umfragen zufolge könnte sich Pellegrini ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem früheren Außenminister und Botschafter in Berlin und Washington, Ivan Korčok, liefern. Dieser würde wohl den Kurs Čaputovás fortsetzen. Auf einen gemeinsamen Kandidaten hat sich die Opposition indes nicht festgelegt.

Die Opposition ist divers - aber noch geeint

Die Demonstration vom Mittwoch zeigt immerhin, dass die Opposition noch geeint ist im Kampf gegen Ficos Strafrechtsreform. Die sehr konservative, christliche Partei KDH ist neben der liberalen PS und der wirtschaftsliberalen SaS weiterhin mit im Boot. Der Anführer der KDH verurteilte Ficos Vorhaben mit deutlichen Worten. Es war befürchtet worden, dass sich die Opposition über dem Umgang mit Kulturministerin Martina Šimkovičová entzweien könnte. Diese hatte mit herabsetzenden Reden über die LGBT-Gemeinde Aufsehen erregt. Sie will zudem in die Unabhängigkeit staatlicher Kulturinstitutionen eingreifen und plant eine Rundfunkreform. Vertreter der KDH hatten sich selbst oft abfällig über sexuelle Minderheiten geäußert und lehnen zum Beispiel eingetragene Partnerschaften ab.

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Teilnehmer der Demo am Mittwoch schwenkten slowakische Landesflaggen, aber auch Europa- und Ukraineflaggen. "Fico, irgendwann landest du im Knast", stand auf einem Plakat. Eines formulierte milde: "Ein bisschen Selbstreflexion wäre nicht schlecht." Sogar "Selbst Smer-Wähler wollen keine Korruption", war zu lesen. Die dem Namen nach sozialdemokratische Smer-SD ist Ficos eher linkspopulistische Partei. Fico selbst teilt gern gegen die Ukraine aus.

Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei PS, Michal Šimečka, konstatierte, er spüre Wut über das Vorgehen der Regierung. Aber, so schreibt er auf X, er spüre keine Hoffnungslosigkeit. "Morgen ist ein neuer Tag. Wir nutzen alle demokratischen Mittel, die wir zur Verfügung haben."

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