Die Stimmung auf Garden Island in der Hafenbucht von Sydney erinnerte am Dienstag an die frohe Erwartung vor einer weihnachtlichen Bescherung. Es würde bei dem Termin in dem Flottenstützpunkt um die neue Ausstattung der Königlichen Australischen Marine gehen - das war allen klar, die selbst gekommen waren oder die Übertragung im Live-Fernsehen verfolgten. Warum sonst hätte Verteidigungsminister Richard Marles diese große Medienkonferenz anberaumen sollen?
Marles begrüßte eine Gruppe stramm stehender Marinesoldaten, von denen ihn einige mit glänzenden Augen anstrahlten. Und als er wenig später mit Verteidigungsindustrie-Minister Pat Conroy und Marine-Chef Mark Hammond ans Mikrofon trat, hatte er tatsächlich reiche Gaben für die Flotte zu verkünden. Marles sprach von "einem sehr historischen Tag". Er verkündete, die sozialdemokratische Labor-Regierung von Premierminister Anthony Albanese werde in den nächsten zehn Jahren umgerechnet etwa 6,7 Milliarden Euro in neue Kriegsschiffe stecken. Statt elf wie jetzt werde Australien bis spätestens Ende der 2040er-Jahre 26 davon besitzen und damit über "die größte Flotte seit dem Zweiten Weltkrieg" verfügen. Hammond lobte einen "echten Energieschub für das Verständnis der wichtigen Rolle, die die australischen Marinesoldaten im gesamten indopazifischen Raum spielen". Er fügte hinzu, nach dem neuen Plan baue man Australiens "größte Überwasserkampftruppe seit Generationen - und mit der Zeit auch die tödlichste".
China baut seinen Einfluss in der Region konsequent aus
Die zerstörerische Gewalt einer neuen Kampfmaschinerie muss man nicht so triumphierend vor sich hertragen, wie das der Vizeadmiral Hammond getan hat. Andererseits sind die Zeiten im Indo-Pazifik ja tatsächlich nicht rosig. Der große Anrainer China arbeitet konsequent daran, seinen Einfluss in der Region auszubauen, indem er Pazifikinselstaaten mit schnellem Geld becirct. Außerdem hat die Regierung in Peking selbst gesagt, sie würde die demokratisch regierte Insel Taiwan zur Not auch gewaltsam davon überzeugen, zu ihrem autoritären Riesenreich zu gehören.
Handfeste Auseinandersetzungen um die Handelswege der Region sind nicht auszuschließen. Abschreckung durch ein starkes Militär ist deshalb notwendig. Hammond erinnerte an den "Hintergrund zunehmender geostrategischer Ungewissheit". Verteidigungsminister Marles sagte: "Australiens moderne Gesellschaft und Wirtschaft sind auf den Zugang zur Hohen See angewiesen, die Handelsrouten für unsere Importe und Exporte und die Unterseekabel für die Daten, die unsere Verbindung zur internationalen Wirtschaft ermöglichen." Deshalb sei der Ausbau der Flotte nötig, der ja mit einem anderen ehrgeizigen Militärprojekt Australiens zusammenfällt: Mit den USA und Großbritannien arbeitet Australien am Bau einer Flotte von Atom-U-Booten. Im Rahmen der trilateralen Sicherheitspartnerschaft AUKUS von 2021 kann Canberra diese möglicherweise schon in den 2030er-Jahren einsetzen.
Es war also folgerichtig, dass die Regierung Albanese am Dienstag die Aufrüstung ihrer Marine ankündigte. Sie gilt als eher rücksichtsvoll und feingeistig, nicht so brachial wie ihre Vorgänger von der liberalkonservativen Koalition. Für die hatte im April 2022 der damalige Verteidigungsminister und heutige Oppositionsführer Peter Dutton gesagt: "Die einzige Weise, mit der man den Frieden bewahren kann, ist, sich auf den Krieg vorzubereiten."
Auch nach Deutschland könnten Aufträge gehen
Von Labor hat man solche harten Ansagen seit dem Machtwechsel im Mai 2022 nicht gehört. Allerdings wurde es auch Zeit, dass Albaneses Regierung endlich eine klare Richtung in der Sicherheitspolitik vorgab. Im April 2023 hatte sie das Ergebnis einer umfassenden Überprüfung des australischen Militärs veröffentlicht. Der Befund lautete: Die Armee sei "nicht vollständig fit für ihren Zweck". Was daraus folgte, sagte das Kabinett lange nicht.
Und nun ist also dieser Plan da, der eine "Enhanced Lethality Surface Combatant Fleet" vorsieht, also frei übersetzt eine Überwasserkampfflotte, die tödlicher für den Feind ist als die vorige. Die aufgebesserte Flotte soll umfassen: drei modernisierte Zerstörer der Hobart-Klasse, die ein Zerstörer-Typ der australischen Marine ist. Sechs Fregatten der Hunter-Klasse, dem jüngsten Fregatten-Typ der australischen Marine. Elf neue Mehrzweckfregatten, die nach und nach die sechs verbleibenden Fregatten der Anzac-Klasse ersetzen werden. Sechs neue große Überwasserschiffe, die man bei Bedarf wie Roboterschiffe ohne Crew einsetzen kann. Die Hunter-Fregatten werden in der Osborne-Werft im südaustralischen Adelaide gebaut, die großen Überwasserschiffe in der Henderson-Werft im westaustralischen Perth. Die Aufträge zum Bau der weiteren Schiffe könnten nach Deutschland, Südkorea, Japan oder Spanien gehen.
Alle Nachrichten im Überblick:SZ am Morgen & Abend Newsletter
Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.
Alle Wünsche konnte die Regierung nicht erfüllen. Statt neun Fregatten der Hunter-Klasse sind nur sechs drin. Prompt gab es Kritik von der Opposition. Andrew Hastie, der verteidigungspolitische Sprecher der Koalition, warf Marles vor, er habe sich im Kampf um ein besseres Verteidigungsbudget nicht gegen seine Ministerkolleginnen und -kollegen durchsetzen können. "Er konnte nicht mehr Geld sichern", sagte Hastie. Besonders überzeugend klang seine Kritik jedoch nicht. Als die Nationalliberalen regierten, machten sie Australiens Flotte nicht so stark, wie sie jetzt werden soll.