Nach vorläufigem Ende des Shutdowns:Der Albtraum geht weiter

Lesezeit: 4 min

Für diese Bundesbediensteten, die Anfang Januar gegen den Shutdown protestiert haben, ist das Schlimmste erst mal vorbei. Nicht aber für ihre Vertragskollegen. (Foto: REUTERS)
  • Der längste Shutdown in der US-Geschichte mag vorbei sein. Viele Betroffene aber sitzen jetzt in der Schuldenfalle.
  • Besonders hart trifft es bis zu eine Million Vertragsarbeiter der US-Bundesbehörden.
  • Sie bekamen bei bisherigen Shutdowns - anders als Bundesangestellte - ihr Gehalt nicht rückwirkend ausgezahlt.

Von Thorsten Denkler, New York

Janice Morgan erfuhr vom Krankenhaus, dass sie in großen Schwierigkeiten steckt. Ihr Mann Milton leidet seit bald 20 Jahren an Multipler Sklerose. Mitte Januar musste er zur Intensivbehandlung. Als er kurz vor der Entlassung stand, bekam seine Frau den Anruf von der Krankenhaus-Apotheke. Die Medikamente für ihren Mann könnten leider nicht mehr von ihrer Krankenkasse übernommen werden - die Versicherung sei abgelaufen. Sie müsse die 7600 Dollar wohl aus eigener Tasche bezahlen.

Wie die meisten Menschen in den USA ist Morgan - und damit auch ihr Mann - über ihren Arbeitgeber krankenversichert. Sie rief ihren Chef an, Wesley McClure. Er ist Gründer und Präsident von Unispec. Das Unternehmen stellt Behörden der US-Regierung bei Bedarf hochqualifizierte Ingenieure und Berater zur Verfügung.

Machtkampf in Washington
:In Pelosi hat Trump seine Meisterin gefunden

Der US-Präsident hat einen Brief-Battle gegen die Sprecherin des Repräsentantenhauses verloren. Er hält seine Rede zur Lage der Nation jetzt am 5. Februar.

Analyse von Thorsten Denkler

McClure hatte ein schlechte Nachricht für Morgan. Wegen des Shutdowns, des Regierungsstillstandes, kann er die Versicherungsprämien nicht zahlen. Er habe seine Mitarbeiter noch nie ohne Krankenversicherung gelassen, sagte er der Washington Post. "Aber da stehen wir jetzt." Im Fall von Janice Morgan bedeutet das: Auf den Medikamentenkosten wird sie wahrscheinlich sitzenbleiben.

Vergangenen Samstag endete der Shutdown - vorläufig. US-Präsident Donald Trump hatte kurz vor Weihnachten den Stillstand provoziert, weil er unbedingt 5,7 Milliarden Dollar für eine Grenzmauer zu Mexiko vom Kongress bewilligt haben wollte. Die Demokraten wollten ihm das Geld nicht geben. Am Ende, nach dem mit 35 Tagen längsten Regierungsstillstand der US-Geschichte, knickte Trump ein. Ohne Geld für die Mauer. Drei Wochen haben Republikaner und Demokraten jetzt Zeit, einen Kompromiss zu finden. Klappt das nicht, droht Trump mit dem nächsten Shutdown.

Betroffen waren zum einen 800 000 Mitarbeiter der Bundesbehörden. Die bekamen in der Zeit kein Gehalt. Immerhin wird ihnen das jetzt rückwirkend ausgezahlt. Anders steht es um die externen Arbeitnehmer, die für Vertragsunternehmen der Regierung tätig sind. Wie viele genau, lässt sich nicht sagen. Schätzungen gehen von einer halben bis einer Million Vertragsarbeitern aus, die vom Shutdown betroffen sind.

Meist sind das geringbezahlte Beschäftigte, Hausmeister in Ministerien, Museums- und Parkwächter. Aber auch Menschen wie Janice Morgan. Sie werden wohl kein Geld rückwirkend bekommen. Und stehen nach dem Shutdown mit einem Haufen Schulden da.

Dass der Shutdown jetzt erst mal vorbei ist, hilft Morgan nur bedingt. Sie wird warten müssen, bis die Regierung ihrem Chef wieder Geld überweist. Erst dann bekommt sie ihr Gehalt. Erst dann kann McClure wieder Versicherungsprämien für seine mehr als 65 Mitarbeiter bezahlen. Vor dem 28. Februar braucht Morgan nicht auf einen vollständigen Gehaltscheck hoffen.

"Ich fühle mich wie eine Geisel"

Kommt es vorher wieder zu einem Shutdown, geht der Albtraum weiter, in dem sie sich gerade befindet. Und die Schulden steigen weiter. "Ich fühle mich wie eine Geisel", sagte Morgan der Washington Post. Schon jetzt steht fest: Der Shutdown hat elf Milliarden Dollar an Wirtschaftsleistung verschlungen. Das haben unabhängige Budgetprüfer berechnet. Ein Großteil davon könne aufgeholt werden, drei Milliarden seien jedoch auf jeden Fall verloren, heißt es im Bericht des Congressional Budget Office.

In St. Louis im Bundestaat Missouri kämpft Michelle Oler mit den Folgen des Shutdowns. Auch sie ist eine Vertragsarbeiterin der Bundesregierung und hat hauptsachlich für das Landwirtschaftsministerium gearbeitet. "Ich habe schätzungsweise mehr als 3500 Dollar im Shutdown verloren", sagte sie der Mohava Daily News. "Aber die Ängste, die schlaflosen Nächte und die Depressionen haben alles noch schlimmer gemacht."

In ihrer Verzweiflung hat sie über die Internet-Seite "GoFundMe" einen Hilfsaufruf in eigener Sache gestartet. 50 Dollar sind da zusammengekommen. Nichts, womit sie ihre Miete bezahlen kann. Sie will sich jetzt einen neuen Job suchen. Sie hält den Stress nicht länger aus, für die Regierung zu arbeiten. Es ist ja schon der zweite Shutdown innerhalb eines Jahres, den sie erleben musste.

Auch Kevin Doyle hat gekündigt und einen neuen Job angetreten. Der Verschlüsselungsspezialist aus Texas hat unter anderem auf der Laughlin Air Force Base an der Grenze zu Mexiko gearbeitet. Etwas mehr als 5000 Dollar fehlen ihm jetzt dank des Shutdowns.

Er hat drei Kinder zu versorgen, seine Frau kann wegen Rückenproblemen nicht arbeiten gehen. Er hat kaum geschlafen und viel Gewicht verloren während des Shutdowns, sagt er der Mohava Daily News. Sie hätten " pennies und nickels zusammengekratzt, um unserem Baby etwas zu essen kaufen zu können". Und sind noch immer auf die Food Bank vor Ort angewiesen, eine Lebensmittelausgabe für Bedürftige. Einmal gab ihm ein Mitarbeiter dort einen Supermarkt-Gutschein im Wert von 50 Dollar, weil die Food Bank keine Ware mehr hatte.

In Washington regt sich Protest gegen die Ungleichbehandlung. Etwa 20 Senatoren haben - angeführt von der Demokratin Tina Smith aus Minnesota - ein Gesetz vorgelegt, mit dem auch Vertragsarbeiter entschädigt werden sollen. Allerdings hat Smith bisher keine Unterstützung von republikanischen Abgeordneten bekommen. Was es unwahrscheinlich macht, dass das Gesetz je verabschiedet werden kann. Auch wenn ein ähnliches Gesetz das Repräsentantenhaus passieren sollte, im Senat fehlt den Demokraten die Mehrheit.

Zur Vorlage des Gesetzes versammelte Smith eine Reihen von Betroffenen um sich. Zum Beispiel Lila Johnson. Sie ist 71 Jahre alt und arbeitet seit dem Ende des Shutdowns wieder als Putzkraft in diversen Bundesbehörden.

Sie macht das auch, um ihre beiden Enkel unterstützen zu können, sechs und 14 Jahre alt. Eigentlich aber hat sie nicht mal dafür Geld. Und während des Shutdowns musste sie auch noch auf das Geld aus dem Putzjob verzichten. Auch wenn es jetzt wieder weitergeht, die Verluste kann sie so schnell nicht ausgleichen. " Bezahlt uns rückwirkend", fordert sie, das sei der einzige Weg, wie sie aus dem Schuldenloch herauskommen könne, in dem sie durch den Shutdown gelandet ist.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ende des Shutdown
:Die Mauer ist tot

US-Oppositionsführerin Nancy Pelosi hat Präsident Trump als das entlarvt, was er ist: ein großer Bluffer. Die Kapitulation im Haushaltsstreit ist seine bisher schwerste und peinlichste Niederlage.

Kommentar von Hubert Wetzel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: