Afrika:Senegals Präsident lenkt ein

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Eigentlich gilt Senegal als Hort der Stabilität im politisch aufgewühlten Westafrika. Ein Zeitungsstand am Freitag in Dakar. (Foto: Seylllou/AFP)

Macky Sall kündigt an, so bald wie möglich Wahlen abhalten zu wollen. Eine Verschiebung hatte der Verfassungsrat des Landes zuvor für nichtig erklärt. Ist die Krise damit beendet?

Von Paul Munzinger, Kapstadt

In Senegal zeichnet sich ein mögliches Ende der Krise ab, in die eine geplante Verschiebung der Präsidentschaftswahlen das Land gestürzt hat. Präsident Macky Sall kündigte am frühen Freitagabend an, so bald wie möglich wählen zu lassen und unverzüglich die dafür nötigen Gespräche aufzunehmen. Der Verfassungsrat des westafrikanischen Landes hatte die Verschiebung der Wahl auf den 15. Dezember zuvor für nichtig erklärt und eine Wahl zum nächstmöglichen Zeitpunkt gefordert. Sall versprach, die Entscheidung des Verfassungsrates "vollumfänglich" umzusetzen. Einen neuen Wahltermin nannte er allerdings nicht.

Ursprünglich sollte die Wahl am 25. Februar stattfinden, also am übernächsten Wochenende. Doch Sall hatte Anfang Februar kurzfristig eine Verschiebung angeordnet und damit massive Proteste ausgelöst. Kritiker warfen ihm einen Putsch von oben vor. Zahlreiche Staaten, unter ihnen die USA und Deutschland, äußerten ihre Sorge um die Demokratie im Land, das über Jahrzehnte als Hort der Stabilität im politisch aufgewühlten Westafrika galt.

Der Verfassungsrat in Senegals Hauptstadt Dakar entschied am Donnerstag, dass die Wahlverschiebung gegen die Verfassung verstoße und Sall nicht über das Ende seiner Amtszeit am 2. April hinaus Präsident bleiben könne. So sah es das Gesetz vor, das das Parlament vergangene Woche verabschiedet hatte. Eine Rückkehr zum ursprünglichen Termin am 25. Februar sei allerdings nicht möglich, entschied der Verfassungsrat, weil eine Präsidentschaftswahl mit so wenig Vorlauf nicht zu organisieren sei. Er forderte die Regierung deshalb auf, so schnell wie möglich einen neuen Termin anzusetzen.

Einige sprechen von Verzögerung der Wahl - andere von einem Staatsstreich

Dass Sall umgehend ankündigte, dieser Forderung nachzukommen, war nicht zu erwarten. In einem Interview mit der US-Nachrichtenagentur AP am 6. Februar hatte er noch offengelassen, ob er sich dem Spruch des Verfassungsrates beugen werde. Nun sendet er erstmals seit der Wahlverschiebung ein deutliches Zeichen der Deeskalation.

Sall ist seit 2012 Präsident, 2019 wurde er wiedergewählt. Mehr als zwei Amtszeiten erlaubt die senegalesische Verfassung nicht. Doch immer wieder gab es Gerüchte, dass Sall sich an diese Beschränkung nicht gebunden fühlt. Denn eingeführt wurde sie - gemeinsam mit einer Verkürzung der Amtszeit auf fünf Jahre - erst 2016. Seither sei Sall, so lautet die einigermaßen wacklige Argumentation, ja erst einmal gewählt worden - und habe folglich noch eine Amtszeit gut.

Mit Spannung wird erwartet, ob sich Senegals Präsident dem Spruch des Verfassungsrates beugen wird. (Foto: Johanna Geron/Reuters)

Bis Sommer 2023 ließ Sall offen, ob er noch einmal antritt. Erst unter dem Eindruck massiver und teils gewalttätiger Proteste erklärte er im Juli seinen Verzicht auf eine dritte Amtszeit. Die Krise schien abgewendet zu sein. Doch dann trat Sall am ersten Februarwochenende im Präsidentenpalast ans Mikrofon und erklärte die Wahl am 25. Februar für abgesagt. Einen neuen Termin nannte er nicht. Den legte erst zwei Tage später nach einer chaotischen Abstimmung die Nationalversammlung per Gesetz auf den 15. Dezember fest - fast zehn Monate nach dem ursprünglichen Termin. Bis dahin sollte Sall im Amt bleiben.

Sall betonte seither mehrfach, dass er keine weitere Amtszeit anstrebe. Das Land brauche lediglich mehr Zeit, um über die Zulassung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl zu entscheiden. Karim Wade, der Sohn des ehemaligen Präsidenten Abdoulaye Wade, war zuvor vom Rennen ausgeschlossen worden, weil er neben der senegalesischen auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt. Er legte Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Auch ein anderer aussichtsreicher Bewerber, Ousmane Sonko, darf nicht antreten, weil er derzeit im Gefängnis sitzt.

Auch aus dem Ausland war der Druck gewachsen

Doch Salls Kritiker überzeugten die Beschwichtigungen nicht. Oppositionspolitiker warfen ihm vor, die Macht nicht mehr aus der Hand geben zu wollen. Manche Stimmen behaupteten auch, dass Sall zwar abtreten wolle, die Zustimmung für den von ihm auserkorenen Nachfolger aber gegenwärtig nicht für günstig halte und die Wahl daher verschoben habe.

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Auch aus dem Ausland wuchs der Druck auf den Präsidenten. Anfang der Woche hatte US-Außenminister Antony Blinken Sall am Telefon die Besorgnis der Vereinigten Staaten übermittelt und ihn aufgefordert, den ursprünglichen Zeitplan für die Wahlen und den Übergang im Präsidentenamt einzuhalten. Auch die Vereinten Nationen teilten mit, "zutiefst besorgt" über die Vorgänge in Senegal zu sein.

Die Sorge, dass das Land immer tiefer in die Krise rutscht, verschärfte Präsident Sall mit seinem harten Vorgehen gegen die zahlreichen Proteste in Dakar und anderen Städten nach der Wahlverschiebung. Am Wochenende starben mindestens drei Demonstranten, unter ihnen ein 16-Jähriger. Menschenrechtsorganisationen warfen der Polizei unnötige und unverhältnismäßige Härte vor. Eine Großdemonstration am Dienstag in Dakar verboten die Behörden, das mobile Internet wurde unter Verweis auf "hasserfüllte und subversive Nachrichten" abgeschaltet. Ob das Einlenken des Präsidenten weitere Proteste verhindert, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

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