Seehofer und Maaßen:Staatsschauspieler unter sich

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Unterstützung vom Chef: Horst Seehofer (CSU) und der Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (rechts) am Mittwoch im Bundestag. (Foto: BERND VON JUTRCZENKA/AFP)
  • Bei der Generaldebatte im Bundestag stellt sich Bundesinnenminister Horst Seehofer erneut hinter den umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen.
  • Dieser habe seine Äußerungen zu den rechten Ausschreitungen in Chemnitz überzeugend begründet und Position gegen Rechtsextremismus bezogen.
  • Sowohl einem freiwilligen Rücktritt Maaßens als auch einem Rauswurf durch Seehofer würde es deshalb an Glaubwürdigkeit fehlen.

Von Constanze von Bullion und Ronen Steinke, Berlin

Es gibt Momente, in denen das Amt des Bundesinnenministers besonderes schauspielerisches Talent erfordert. Der Donnerstagmorgen in Berlin ist so einer. Horst Seehofer (CSU) steht vor dem Plenum des Bundestags und erläutert den Haushalt seines Hauses. Der Minister hat den Abend zuvor im Innenausschuss des Bundestags verbracht. Zweieinhalb Stunden hatte er dort kritische Fragen abgewettert. Warum Seehofer an Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen festhält, wollten Abgeordneten wissen. Wieso der Minister sich vor den Behördenleiter stelle, der sich nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz über die Medien ereiferte statt über Neonazis. Und wieso Seehofer dieses Interview abgenickt habe, in dem Maaßen finstere Mutmaßungen in Umlauf brachte, die er später wieder zu relativieren versuchte.

Es gab schon schönere Momente im Leben des Bundesinnenministers. Wollte man aber Seehofers Haltung in der Haushaltdebatte beschreiben, dann wäre es wohl: War da was? Die Hütte mag brennen, die Koalition durch die Causa Maaßen einer neuen Kraftprobe ausgesetzt sein, ein Krisengipfel im Kanzleramt anberaumt werden - na und? Seehofer zählt mit der ihm eigenen Bedächtigkeit auf, was ihm aus seiner Sicht so alles gelungen ist. Einen "Haushalt der Superlative" habe er vorzuweisen, das Baukindergeld eingeführt, die "größte Wohnraumoffensive, die es je in der Bundesrepublik gab" gestartet und den "Masterplan Migration" aufgesetzt, von dessen Zielen "zwei Drittel in Umsetzung oder abgeschlossen" seien.

Seehofer hält Maaßens Erklärungen für überzeugend

Die halbe Redezeit ist um, da nähert Seehofer sich der ungemütlichen Zone. "Bei allen Diskussionen der letzten Tage dürfen wir nicht vergessen, dass die Polizei einen sehr guten Dienst geleistet hat", sagt er. Gemeint sind die Aufmärsche Rechtsradikaler in Ostdeutschland. Die Opposition wird jetzt unruhig. Hatte in Dresden nicht ein Polizeimitarbeiter mit Pegida demonstriert? War die Polizei in Chemnitz nicht hoffnungslos überfordert? Und warum hat der Bundesinnenminister so gut wie nichts zu Hitlergrüßen und Nazi-Parolen gesagt? In seinem Haus gebe es "null Toleranz für Rechtsradikalismus, null Toleranz für Antisemitismus, null Toleranz für Ausländerhetze", stellt Seehofer klar. Diese Haltung, so gibt er später zu verstehen, habe auch der Verfassungsschutzpräsident.

Streit um Verfassungsschutzpräsident
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Bleibt der Verfassungsschutzpräsident im Amt? Erst am Dienstag wollen Union und SPD weiter über diese Frage sprechen.

Seehofer wiederholt dann vor dem Parlament, was er schon in der Nacht zuvor nach der Sitzung des Innenausschusses über Hans-Georg Maaßen gesagt hatte: dass dieser in zwei Bundestagsgremien seine Entscheidungen "umfassend und aus meiner Sicht überzeugend dargelegt" habe. Maaßen habe auch "überzeugend Position bezogen" gegen Rechtsradikalismus. "Es ist auch kein Mangel, wenn ein Präsident einer Behörde die Kraft aufbringt, Bedauern über sein Handeln zu äußern", sagt Seehofer noch. Deshalb genieße der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz auch weiter sein Vertrauen.

Einen Bruch der Regierung will keiner

Punkt, aus, abgehakt - so klingt das. Doch die Wirklichkeit ist eine andere. Seehofers Rede ist kaum verklungen, da greift nicht nur die Opposition an, sondern auch der Koalitionspartner. "Die SPD ist nicht überzeugt, dass Herr Maaßen das Vertrauen wiederherstellen kann", sagt die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Eva Högl. "Er ist nicht mehr der Richtige an der Spitze des Verfassungsschutzes." Wenige Stunden später findet Seehofer sich im Kanzleramt wieder, bei einer Krisensitzung. Die SPD fordert Maaßens Entlassung. Seehofer hingegen hat sich öffentlich festgelegt, ihn halten zu wollen. Nur er könnte Maaßen entlassen. Täte er das nicht, und nähme die Kanzlerin das nicht hin, müsste sie wiederum Seehofer entlassen. Einen Bruch der Regierung aber will keiner, weshalb am Donnerstag in Berlin das Gerücht die Runde macht, Maaßen ziehe sich womöglich freiwillig zurück.

Wäre Maaßen nicht Maaßen, könnte man sich ein solches Deeskalations-Szenario vielleicht vorstellen. Der Verfassungsschutzpräsident erklärt: Ich trete zurück. Mir fehlt das Vertrauen. Ich danke für sechs schöne Jahre. Allerdings müsste Maaßen dazu alles verleugnen, was er sich in einer fast 30-jährigen Karriere an Standfestigkeit, Kampfeslust und Härte angeeignet hat. Hans-Georg Maaßen, das ist ein Beamter, der in den Neunzigerjahren unter den CDU-Innenministern Rudolf Seiters und Manfred Kanther die Aushöhlung des Asyl-Grundrechts vorantrieb. Er hat in einem Aufsatz das Kirchenasyl "Selbstjustiz" genannt und nahegelegt, Gemeindemitglieder wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" zu verfolgen.

Maaßen bereut nichts

Durch Kritik von Linken, Grünen oder Sozialdemokraten hat er sich nie bremsen lassen, im Gegenteil: ihre Proteste gehörten von jeher dazu. Die frühere SPD-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin nannte ein Gutachten Maaßens "falsch, empörend und unmenschlich". Der Moment, in dem erstmals ein CSU-Chef Bundesinnenminister geworden ist, erscheint nicht dazu angetan, dass Maaßen plötzlich sein Selbstbewusstsein zurückstellt.

Die Parlamentarier im Geheimdienst-Kontrollgremium am Dienstag staunten zudem: Maaßen sehe sich vollkommen im Recht. Er habe sich über die mediale Häme geärgert, die vor allem Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) getroffen habe. Dieser hatte gesagt: "Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome." Maaßen habe Kretschmer zur Seite springen wollen. Er habe alle Polizeiberichte gelesen: Hetzjagden habe es nicht gegeben, die vorliegenden Straftaten seien etwas anderes. In ausländischen Medien sei auch über Pogrome berichtet worden; das treffe nicht zu. Das Bild-Interview würde er "genauso wieder" geben, soll Maaßen hinzugefügt haben. Schon zuvor, so ist aus Sicherheitskreisen zu hören, hatte er sich der Rückendeckung Seehofers vergewissert. Das Innenministerium hatte signalisiert: Wir stehen zusammen.

Einem freiwilligen Rückzug Maaßens also würde es an Glaubwürdigkeit fehlen. Es wäre schon eine Schauspielerleistung der besonderen Art nötig, um dem Publikum dies weiszumachen. So weit ist es am Donnerstag aber ohnehin nicht. Am Abend vertagen sich die Unterhändler im Kanzleramt auf den kommenden Dienstag.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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